Als die Neustädter Mauern erbaut wurden: Ausstellung Civitas Carolina
Die Baukunst aus der Epoche von Karl IV. ist das Thema einer Ausstellung, die vergangene Woche im Prager Nationalmuseum für Technik eröffnet wurde. Im Blickpunkt steht der Bau der Neustädter Mauern. Die 3,5 Kilometer lange Befestigung der von Karl IV. gegründeten Prager Neustadt wurde innerhalb von knapp zwei Jahren errichtet.
„Bestandteil der Ausstellung sind Repliken von zwei mittelalterlichen Baumaschinen. Diese wurden anhand von historischen Bildern konstruiert. Der Kran, der sich in unseren Museumssammlungen befindet, wurde vor zwölf Jahren zusammengebaut und bereits einige Mal im Betrieb präsentiert. Mit dem Kran wurden vor einigen Jahren beispielsweise die Kopien der Statuen auf den Altstädter Brückenturm gehoben. Die zweite Maschine ist ein über neun Meter hoher Rammbock. Wir möchten nächstes Jahr im Flussbett der Moldau vorführen, wie damit beim Bau der Brücke die Pfähle in die Erde gestoßen wurden.“
Nach der Besichtigung der beiden großen mittelalterlichen Baumaschinen geht es ins Museum. Es reicht schon, einige Treppen hinunter zu gehen, um eine mittelalterliche Baustelle zu betreten. In diese hat sich nämlich einer der Säle verwandelt. Die Schau bietet eine Einsicht in die Bauaktivitäten, die sich unter Karl IV. in der Prager Neustadt abspielten. Insbesondere werde der Bau der Neustädter Mauern beschrieben, sagt Architekt Daniel Dvořák. Er entwarf das Konzept der Ausstellung:„Die Neustädter Mauern stellen eine Achse der Ausstellung dar. Innerhalb der Mauern befindet sich eine Bauhütte. Zu sehen sind Originalgegenstände sowie Illustrationen, die von mittelalterlichen Schriften ausgehen. Außerhalb der Mauern eröffnet sich der Blick auf Prag. Es handelt sich um das älteste erhaltene Stadtpanorama, das Aegidius Sadeler Anfang des 17. Jahrhunderts geschaffen hat. Das Bild macht deutlich, was für ein großes Bauwerk die Neustädter Mauern waren. Bestandteil der Ausstellung sind zudem einige Originalbauelemente und Exponate, mit denen die Baukunst in der Zeit von Karl IV. dokumentiert wird.“
Zimmerleute, Schmiede, Steinmetze
In der Mitte des Saals steht ein Teil der Neustädter Mauern, an denen gerade gearbeitet wird. Wir befinden uns inmitten einer mittelalterlichen Baustelle, sagt Vít Chaloupka am Eingang zur Ausstellung „Civitas Carolina“. Er hat die Schau zusammengestellt.„Wir zeigen hier die Arbeit der Handwerker, die sich am Bau beteiligten. Zu Beginn bietet sich ein Blick in eine Werkstatt der Zimmerleute. Gezeigt werden mehrere Repliken mittelalterlicher Äxte. Das Breitbeil benutzte man beispielsweise zum Behauen von Rundholz zu Balken. Jede der Äxte war für eine andere Arbeit bestimmt. Das einem Spinnrad ähnliche Instrument diente zum Abmessen der Balken. Die Markierungen auf dem Balken wurden mit einem Rötelstift gekennzeichnet, wie hier dargestellt wird. Zudem wird eine ganze Sammlung von Originaläxten aus dem Mittelalter gezeigt. Es handelt sich dabei um archäologische Funde. Es ist zu sehen, dass die damals benutzten Instrumente verschiedene Formen hatten.“
Eine Vorstellung über die mittelalterlichen Zimmerleute und deren Ausstattung machten sich die Experten nicht nur anhand archäologischer Funde. Inspiriert habe er sich auch durch mittelalterliche Illustrationen, vor allem aus der Bibel von Wenzel IV., sagt Vít Chaloupka.
Bei jedem Bau durfte die eigene Schmiede nicht fehlen, sagt er.
„Aus dem Grund steht hier unter all den anderen Werkstätten die Schmiede im Mittelpunkt. Im Mittelalter haben alle einen Schmied gebraucht. Entweder brauchten sie ein Werkzeug oder wollten es reparieren lassen. Schmiede stellten auch Nägel her. Ohne ihre Erzeugnisse konnte nichts gebaut werden.“
Neben der Schmiede befindet sich eine Steinmetzwerkstatt. Gezeigt werden mehrere Repliken von Werkzeugen aus dem Mittelalter, darunter Meißel, Zirkel oder Holzhammer. Hinten an der Wand hängt eine Kopie des Originalplans für den Veitsdom, den Petr Parler entwarf. Vít Chaloupka macht auf die nächste Werkstatt aufmerksam:„Wichtige Handwerker waren auch die Ziegelarbeiter. Wir zeigen hier einige wirklich ausgewählte Beispiele von Ziegeln: darunter ein Dachziegel von der Burg Karlstein. Von dort stammt auch ein Ziegel mit Putzresten und einer Inschrift. Die anderen mittelalterlichen Ziegel stammen von der Burg Kašperk im Böhmerwald.“
Schließlich wird den Besuchern die Arbeit in einem mittelalterlichen Steinbruch näher gebracht. Falls es möglich war, wurde der Stein in der Regel unweit der Baustelle gebrochen. Für die Neustädter Mauern wurde das Material aus den Steinbrüchen am Stadtrand von Prag genutzt.Sadelers Stadtpanorama
Hinter den Mauern der Prager Neustadt, bietet sich ein Blick auf das Panorama der Hauptstadt. So sah Prag Anfang des 17. Jahrhunderts aus. Vít Chaloupka:
„Es handelt sich um das älteste erhaltene Stadtpanorama. Dies ist eine Kopie von Sadelers Kupferstich. Das überhaupt älteste Bild von Prag stammt jedoch aus dem Jahr 1493. An einigen Stellen gibt es in diesem Stadtpanorama eine kleine Öffnung. Beim Blick in die Öffnung ist ein Foto der entsprechenden Stelle vom Stadtpanorama zu sehen, um vergleichen zu können, wie der jeweilige Ort heute aussieht. Der heutige Karlsplatz – der frühere Viehmarkt – war im Mittelalter der größte Platz in Europa. Die Größe des Platzes nimmt man heutzutage nicht mehr wahr, weil sich auf dem Platz ein großer Park befindet. Auf dem Panorama ist noch die Fronleichnamskapelle zu sehen, die Ende des 18. Jahrhunderts abgerissen wurde.“Die Ausstellung mit dem Titel „Civitas Carolina oder die Architektur der Zeit Karls IV.“ ist im Prager Nationalmuseum für Technik bis 5. Februar 2017 zu sehen. Das Museum ist täglich außer montags geöffnet, von Dienstag bis Freitag von 9 bis 17.30 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr.
In der Ausstellung werden zudem einige Originalgegenstände gezeigt, die aus der Umgebung von Karl IV. stammen. Zu sehen ist ein Schlussstein aus dem Veitsdom, der bei der Vollendung des Doms am Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem Sakralbau entfernt wurde. Zudem wird hier der Grundstein eines der Pfeiler von der Karlsbrücke ausgestellt. Zu besichtigen ist auch ein Abguss der Büste von Karl IV. vom Triforium des Veitsdoms.