München: Dokumentarfilme, Lyrik, Exlibris und Brünner Todesmarsch
Die Tschechische Republik ist in diesem Jahr Gastland beim Dokumentarfilmfestival Dokfest in München. Was dies bedeutet? Radio Prag hat die Frage dem Leiter des Tschechischen Zentrums in München, Ondřej Černý, gestellt. Černý lädt Sie außerdem auch zu Ausstellungen, Podiumsgesprächen und weiteren Veranstaltungen des Zentrums ein.
„Eigentlich auch sehr intensiv, weil Karl IV. die kulturellen Beziehungen zwischen den böhmischen Ländern und Bayern stark geprägt hat. Es finden zwei Landesausstellungen statt. Die eine wird von der tschechischen Nationalgalerie organisiert und wird am 14. Mai in Prag eröffnet. Im Herbst werden die Exponate nach Nürnberg gebracht, und am 20. Oktober wird die Landesausstellung ‚Karl IV.‘ im Germanischen Museum in Nürnberg ihre Vernissage feiern. Dazu gibt es in Bayern ein umfassendes Begleitprogramm, das vom Zentrum Bavaria-Bohemia in Schönsee koordiniert wird. Es sind hunderte Projekte. Einige davon werden auch vom Tschechischen Zentrum mitorganisiert. Noch vor dem Sommer haben wir zwei Veranstaltungen: Es geht um einen musikalisch-literarischen Abend mit Daniel Dobiáš, mit der Sängerin Jessica Boone und mit dem tschechischen Kinderchor Carmen aus Louny. Voriges Jahr hat Daniel Dobiáš auf diese Weise auch einen Abend zum Jahrestag von Jan Hus gemacht, der sehr erfolgreich war. Die zweite Veranstaltung ist eine Wanderausstellung, die von den Tschechischen Zentren in Zusammenarbeit mit der Nationalgalerie gestaltet wurde. Sie heißt ‚Vierfacher König auf dem Kaiserthron. Der Lebensweg von Karl IV. in vierzehn Stationen‘. Die Ausstellung wird zum Sudetendeutschen Tag am 14. und 15. Mai in Nürnberg gezeigt und dann eine Woche später im Landesmuseum in Mainz in Rheinland-Pfalz. Und dann kommt eine Welle von Veranstaltungen im Herbst.“
"In diesem Jahr legt die Reihe einen besonderen Fokus auf Dokumentarfilme aus Tschechien und der Slowakei."
Vom 5. bis 15. Mai findet in München das Dokfest statt, ein traditionsreiches Dokumentarfilmfestival. Die Tschechische Republik ist Gastland bei der 31. Auflage des Festivals. Was bedeutet es, Gastland zu sein? Mit welchen Filmen präsentiert sich Tschechien?
„Beim Dokfest gibt es die Sektion ‚Dokguest‘. Dort wird jedes Jahr eine andere Region mit ihren gegenwärtigen Themen vorgestellt. In diesem Jahr legt die Reihe einen besonderen Fokus auf Dokumentarfilme aus Tschechien und der Slowakei. Einer der Gründe ist, dass es eine starke Zusammenarbeit zwischen dem Dokfest in München und dem Dokumentarfilmfestival in Jihlava gibt. Dieses wird auch vom Tschechischen Zentrum gefördert. In diesem Jahr werden fünf Filme gezeigt: Einer davon ist ein deutscher Streifen über den tschechischen Fotografen Koudelka, sonst sind es drei tschechische und ein slowakischer Film. Von den tschechischen Dokumentationen kann ich den schon sehr bekannten Film ‚Mallory‘ von Helena Třeštíková nennen. Helena Třeštíková wird am Sonntag, den 15. Mai bei der Filmvorführung persönlich dabei sein. Sie begleitete dreizehn Jahre lang eine Drogenabhängige mit der Kamera. Außerdem gibt es im Rahmen des Dokfest noch ein Filmschulfestival. Auch dieses ist in diesem Jahr ziemlich stark tschechisch geprägt, und zwar durch drei tschechische Filme der Film- und Fernsehfakultät der Akademie der Musischen Künste FAMU in Prag.“
"Der erste Abend am 11. Mai heißt ‚Die unerschöpfliche Avantgarde – tschechische Lyrik des 20. Jahrhunderts‘."
Im Lyrik Kabinett München startet im Mai eine Reihe von Poesieabenden. Sie laufen unter dem Titel „Papagei auf dem Motorrad“. Worauf spielt dieser Titel an und worum geht es bei der Reihe?
„Es ist eigentlich ein Titel von Vítězslav Nezval. Er hat sein Manifest des Poetismus vom Jahr 1924 so benannt. In diesem und im nächsten Jahr werden im Lyrik Kabinett München vier Poesieabende stattfinden. Sie wurden von Zuazna Jürgens konzipiert und wollen den bayerischen Interessenten die tschechische Poesie vorstellen. Das Projekt wird vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds unterstützt, wofür wir uns bedanken möchten. Mit dem ersten Abend fangen wir am 11. Mai an. Er heißt ‚Die unerschöpfliche Avantgarde – tschechische Lyrik des 20. Jahrhunderts‘. Dabei werden die wichtigsten Strömungen der tschechischen Lyrik mit verschiedenen Beispielen dargestellt. An dieser ersten Gesprächsrunde nehmen drei Persönlichkeiten teil. Und zwar die zwei deutschen Bohemisten und Übersetzer Urs Heftrig und Jeannette Fabian. Aus Tschechien kommt der Dichter und Kulturredakteur Petr Borkovec.“
Dieser Poesieabend ist in den kommenden Wochen nicht die einzige literarische Veranstaltung in München. Zwei Abende sind auch dem Schriftsteller Jaroslav Hašek und seinem Übersetzer Antonín Brousek gewidmet.Mit der Literatur hängt auch eine Ausstellung zusammen, die vom 10. 5. bis 10. 6. im Tschechischen Zentrum stattfindet. Sie zeigt Exlibris, also kleine Graphiken, die zur Kennzeichnung des Eigentümers in die in Bücher eingeklebt werden. Wie ist diese Ausstellung entstanden? Von wem wurde sie vorbereitet?
„Diese Ausstellung ist eine Auswahl von zeitgenössischen tschechischen Exlibris-Graphiken, die bei der Triennale in Chrudim 2014 gezeigt wurden."
„Diese Ausstellung ist eine Auswahl von zeitgenössischen tschechischen Exlibris-Graphiken, die bei der Triennale in Chrudim 2014 gezeigt wurden. Die Auswahl wurde vom Museum für tschechische Literatur getroffen, mit dem ein Exlibris-Kabinett mit Sitz in Chrudim zusammen. Wir wollen aber nicht nur diese Ausstellung zeigen, sondern auch die historische Stadt Chrudim vorstellen.“
Die letzte Veranstaltung, die ich erwähnen möchte, ist nicht der Kunst, sondern der Geschichte gewidmet. Es ist ein Gespräch unter dem Titel „Eine Stadt stellt sich ihrer Geschichte“. Um welche Stadt und welches Kapitel der Geschichte handelt es sich bei diesem Gespräch. Wie ist der Abend am 17. Juni konzipiert?
"Petr Vokřál ist eine sehr wichtige Persönlichkeit in den tschechisch-deutschen Beziehungen. Er hat 2015 das ‚Jahr der Versöhnung‘ ins Leben gerufen."
„Die Stadt heißt Brünn. Das Gespräch wird mit dem Oberbürgermeister Petr Vokřál geführt, und zwar von Matthias Dörr, dem Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde. Matthias Dörr ist auch die Idee dazu zu verdanken. Petr Vokřál ist eine sehr wichtige Persönlichkeit in den tschechisch-deutschen Beziehungen. Er hat 2015 das ‚Jahr der Versöhnung‘ ins Leben gerufen. Brünn war lange Zeit eine Stadt mit mehreren Kulturen. Die natürliche Konkurrenz der tschechischen, deutschen und jüdischen Kultur gab der Stadt ihr Gesicht und ihren einmaligen Genius Loci. Die Vertreibung der Deutschen und der Brünner Todesmarsch haben die Situation in Brünn nach dem Zweiten Weltkrieg natürlich stark geprägt. Petr Vokřál wollte mit dem ‚Jahr der Versöhnung‘ an den Brünner Todesmarsch erinnern und versuchen, zur Versöhnung beizutragen. Der Abend wird in Zusammenarbeit mit dem Generalkonsul der Tschechischen Republik Milan Čoupek veranstaltet. Wir freuen uns schon sehr, Petr Vokřál bei uns willkommen heißen zu dürfen.“