Interesse an Deutsch geht in Tschechien weiter zurück
Nach der politischen Wende von 1989 war Deutsch ein ganzes Jahrzehnt lang die Nummer eins unter den Fremdsprachen, die an tschechischen Schulen gelehrt werden. Danach aber hat sich das schlagartig geändert. Jetzt gibt Englisch klar den Ton an, ist diese Sprache doch das große Tor in die weite Welt.
Der Leiter der Germanistik an der Prager Karlsuniversität, Vít Dovalil, beklagt zudem die abnehmenden Deutschkenntnisse der Studienbewerber:
„Das ist eine negative Entwicklung. Seit Jahren beobachten wir, wie sich die Lage des Deutschunterrichts an den Gymnasien oder Mittelschulen verschlechtert. Und so müssen wir uns an der Karlsuniversität eben auch irgendwie damit auseinandersetzen. Das bremst wiederum das Tempo des Studiums.“
Das allgemeine Vorurteil, Deutsch sei eine schwere Sprache, lässt Ingeborg Fialová nicht gelten. Vielmehr ist es ihrer Meinung nach nicht nachvollziehbar, dass die deutsche Sprache hierzulande so vernachlässigt wird. Denn das wirke sich auch negativ auf das Studium der Humanwissenschaften aus, sagt Fialová. Der Hintergrund: Die modernen Humanwissenschaften sind im 19. Jahrhundert in Deutschland entstanden. Wichtige Grundlagenliteratur ist also in Deutsch geschrieben, und tschechische Übersetzungen gibt es kaum. In die gleiche Kerbe haut auch Vít Dovalil:„Die Bewerber beziehungsweise die Studienanfänger haben oftmals Schwierigkeiten, im ersten Semester ein paar Seiten Fachtext zu lesen – seien es literaturwissenschaftliche oder linguistische.“
Im Jahr 2013 wurde es zur Pflicht, im achten und neunten Schuljahr eine zweite Fremdsprache zu erlernen. Ingeborg Fialová begrüßt diese Maßnahme, verweist aber gleichzeitig auf die Defizite bei der Umsetzung:„Die andere Seite ist, dass Deutsch an den Schulen erst die zweite Fremdsprache ist, und noch dazu mit einer sehr niedrigen Unterrichtszeit im Gegensatz zu Englisch. Die Schüler, die Deutsch lernen, erreichen folglich nicht das erhoffte Niveau, das wir bräuchten.“
Vít Dovalil ergänzt, dass durch die unglücklichen Rahmenbildungsprogramme, die das Bildungsministerium aufgelegt hat, Deutsch und andere Fremdsprachen, außer Englisch, diskriminiert würden. Denn die Schulen sollen in erster Linie Englisch anbieten. Wenn sich aber jemand für eine andere erste Fremdsprache als Englisch entscheidet, dann muss die Schulleitung die Interessenten informieren, dass die Kontinuität des Fremdsprachenunterrichts nicht unbedingt gewährleistet werden kann.Durch diese Diskriminierung werde die Situation an seinem Lehrstuhl zusätzlich verkompliziert, erklärt der Leiter der Germanistik an der Prager Karlsuniversität. Zur Verbesserung des Deutschunterrichts in Tschechien könnten aber auch die Nachbarstaaten Deutschland und Österreich noch mehr beitragen. Einiges habe sich in letzter Zeit zwar schon bewegt, wie beispielsweise die Sprachkampagne „šprechtíme“ belegt, doch das allein reiche nicht aus, resümiert Fialová.