Tschechischer Übersetzerpreis – besondere Ehrung für Germanistin Koubová

Věra Koubová (Foto: ČTK)

Übersetzer gelten als Brückenbauer unterschiedlicher Sprachkulturen und finden dennoch gesellschaftlich wenig Beachtung. Aus diesem Anlass wurde 1991 in Tschechien der Josef-Jungmann-Preis ins Leben gerufen. Am Mittwochabend fand im Goethe-Institut in Prag die feierliche Übergabe statt.

Vangelis Thomaidis,  Stock.xchng
Jahr für Jahr wird eine beachtliche Zahl von Texten und Werken unterschiedlicher Genres ins Tschechische übersetzt.

„Insgesamt werden rund 1500 Titel pro Jahr aus dem Deutschen, Englischen und vielen anderen Sprachen übersetzt. Die meisten Übersetzungen kommen aus dem Englischen. Es sind auch Sachbücher dabei. Ein Drittel der Werke zählt zur Belletristik. Die deutsche Literatur hat nicht mehr so einen großen Anteil wie früher, jedoch waren zehn von insgesamt 62 Nominierten deutschsprachige Übersetzungen“, so Hana Linhartová, Vorsitzende der tschechischen Gemeinde der Übersetzer.

Anežka Charvátová  (Foto: ČTK)
Jungmann selbst war im frühen 19. Jahrhundert eine böhmische Koryphäe auf dem Gebiet der Sprachwissenschaften. Berühmt wurde er unter anderem mit seinen literarischen Übersetzungen von Werken Goethes und Schillers. Als Professor an der Prager Karls-Universität wollte er nachweisen, dass auch die tschechische Schriftsprache für die anspruchsvolle Wiedergabe künstlerischer Texte geeignet ist.

Der nach Josef Jungmann benannte Preis soll sein Erbe weiterführen. In diesem Jahr ging der Hauptpreis an Anežka Charvátová für ihre Übersetzung von Roberto Bolaños Roman „2666“ aus dem Spanischen. Daneben wurde die Germanistin Věra Koubová als mehrfache und wiederholte Preisträgerin für deutsch-tschechische Übersetzungen geehrt. Diesmal wurde sie gleich für drei Werke nominiert:

Foto: Anaconda Verlag
„Das Erste war von Friedrich Nietzsche – ‚Menschliches, Allzumenschliches’. Die Motivation dazu war klar, Nietzsches Texte waren bis zur politischen Wende kaum bekannt, sodass wir mit den Übersetzungen immer noch hinterherhinken. Das Andere war eine Gedichtsammlung von Richard Pietraß. Es war besonders verlockend, seine kurzen, lieblichen und verspielten Gedichte zu übersetzen. Das dritte Buch war ein in Deutschland überaus erfolgreicher und bekannter Roman von Michael Kumpfmüller, ‚Die Herrlichkeit des Lebens’, eine ungewöhnlich leichte und heitere Geschichte aus dem Leben Franz Kafkas. Ich war erstaunt, wie ein Dichter von heute sich in die Sprache von Kafka hineinfühlen kann.“

Welche Werke übersetzt werden sollen, entscheiden die Verleger. Dennoch müssen die Übersetzer ihren eigenen Zugang zu den Texten finden und stoßen bei der Interpretation auf verschiedene Schwierigkeiten. Das hat auch Věra Koubová erlebt:

Věra Koubová  (Foto: ČTK)
„Das Schwierigste daran besteht, Leichtigkeit zu gewinnen und gleichzeitig die Regeln in der Sprache zu bewahren. Die Schwierigkeit für mich ist, die Genauigkeit, die ich finden muss. Dafür helfen mir dann beispielsweise Experten aus dem Fachgebiet der Philosophie und meine Lektoren. Manchmal ist die Schwierigkeit gerade herausfordernd und sehr verlockend. Dann bin ich besonders motiviert, und die Bedeutungen der Wörter kommen ganz von Selbst. Ab und zu muss ich mich aber auch direkt an die Autoren wenden. Die sind dann meistens sehr hilfsbereit und beantworten geduldig meine Fragen. Pietraß hat mich einmal sogar eingeladen an den Ort, an dem er sein Buch geschrieben hat. Er hat mir die Reise bezahlt und mir erzählt, wo er welche Motive gefunden hat.“

Hana Linhartová  (Foto: Archiv Radio Prag)
In Deutschland stehen aktuell vor allem Kriminalromane auf den Bestsellerlisten. Welche Werke aber bei den tschechischen Verlegern und Übersetzern zurzeit beliebt sind, verrät Linhartová:

„Unsere Kollegen und Mitglieder der Gemeinde orientieren sich sowohl an moderner, als auch an klassischer Literatur. Bekannte Krimis sind aber auch dabei. Die breite Vielfalt hat sich auch in diesem Jahr in den Nominierungen widergespiegelt. Es gab Übersetzungen aus dem Altgriechischen oder Japanischen, aber auch von aktuellen Bestsellern aus dem Englischen oder Spanischen.“

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