München: Schmuck, Autorinnen, neue Gedenktafel
Eine Ausstellung politischer Karikaturen von Josef Čapek. Eine Präsentation tschechischen Schmucks von heute. Und gleich mehrere tschechische Autorinnen zu Gast im März. Unter anderem diese Programmpunkte bietet das Tschechische Zentrum München in den nächsten Wochen. Einzelheiten dazu erfahren im Gespräch mit dem Leiter des Zentrums, Ondřej Černý.
Herr Černý, wir haben bei einem unserer Gespräche im Herbst letzten Jahres zum Besuch einer Ausstellung über den tschechischen Maler und Schriftsteller Josef Čapek eingeladen. Sie ist in der Bayerischen Staatsbibliothek noch bis Ende Februar zu sehen. Die Einladung gilt daher weiter. Sie ergänzen die Schau nun im Tschechischen Zentrum um weitere Veranstaltungen: eine Ausstellung politischer Karikaturen Josef Čapeks und eine sogenannte Čapek-Revue. Vielleicht können Sie diese beiden Veranstaltungen näher vorstellen, beginnend mit den politischen Karikaturen…
„Die Ausstellung ist von unserer Seite ein Versuch, Josef Čapek auch als Zeichner von politischen Karikaturen zu zeigen, die eine Reaktion auf die schockierenden Ereignisse in Deutschland, Japan, Italien, auf den spanischen Bürgerkrieg oder auf das Münchner Abkommen waren. Die Ausstellung soll demonstrieren, dass Josef Čapek nicht nur ein feiner Künstler war, sondern auch ein sehr engagierter Bürger, der im Kampf gegen den Faschismus vieles gemacht und dafür mit seinem Leben bezahlt hat. Diese Ausstellung wurde von der Čapek-Gesellschaft für Völkerverständigung und Humanismus zusammengestellt. Wir sind sehr froh, dass der Leiter der Gesellschaft, Professor Ulrich Grochtmann, bei dieser Gelegenheit auch ins Tschechische Zentrum kommt.“
Und worum handelt es sich bei der erwähnten Čapek-Revue?„Es gibt zwei Menschen, den Regensburger Journalisten und Historiker Artur Schnabel und die Reiseleiterin und Pädagogin Katka Karl-Brejchová, die verschiedene szenische Lesungen machen. Sie nennen sich Duo LeseLeine. Sie haben sich entschieden, zum Čapek-Jahr 2015 eine Revue mit Werken von Karel und Josef Čapek zu entwickeln. Diese setzt sich spielerisch mit den großen Čapek’schen Themen auseinander: Humanität, Vernunft und Skepsis gegenüber technischer und nationaler Euphorie. Sie ist ein Kaleidoskop mit einer Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit.“
Ende Februar findet in München die Internationale Handwerkermesse statt. Sie bieten dazu im Tschechischen Zentrum eine Ausstellung an. Um welches Handwerk beziehungsweise Kunsthandwerk wird es gehen?„Es geht um die Reihe ‚Schmuck‘. Das ist eine weltweit bekannte Reihe, eigentlich ein Festival des Schmucks im Rahmen der Handwerkermesse. Wir konzipieren traditionell Ausstellungen zeitgenössischen tschechischen Schmucks. Die Kuratoren Julie Bergmann und Jiří Šibor nennen die jetzige Ausstellung ‚Purity of Materia‘. Fünf Künstler stellen sich dabei vor. Die älteste von ihnen ist Zdena Roztočilová. Sie verwendet die Materialien Silber und Messing, aber auch gebrannten Ton und Wachs. Des Weiteren ist Martina Singerová dabei, die jüngste Ausstellerin. Sie ist ziemlich progressiv, sie macht zum Beispiel Schmuck aus Filmstreifen beziehungsweise gebraucht für ihre künstlerische Arbeit auch Toilettenpapier. Oldřich Sládek ist bekannt als der Designer der Medaillen für die Eishockey-Weltmeisterschaft 2015. Ludmila Šikolová kommt aus Jablonec und verwendet Materialien wie Knochen oder Obststücke. Und der fünfte ist Martin Verner. Er lässt sich bei der Schmuckherstellung von seiner unmittelbaren Umgebung inspirieren. Er schafft natürliche Formen, die er auch in Mikrozellenstrukturen sucht. Wir hoffen, dass wir mit dieser sehr innovativen Künstlergruppe auch dieses Mal Erfolg bei der Reihe Schmuck haben werden.“
Mit dem Thema Handwerk und Kunstgewerbe hängt auch ein Vortrag von Martina Lehmannová vom Kunstgewerbemuseum in Prag zusammen. Sie stellt die ehemalige Tschechoslowakei als eine Möbel-Großmacht vor. Worauf konzentriert sie sich in ihrer Präsentation?„Das ist eine Veranstaltung, die wir zusammen mit der Firma TON machen. Der Vortrag findet nicht bei uns, sondern im TON-Showroom in München statt. Es geht darum, die wichtigsten Möbelhersteller-Marken vorzustellen, neben TON sind das Thonet und UP. TON überstand als einzige Firma die Umbrüche nach der Samtenen Revolution und ist heute die erfolgreichste Möbelfirma der Tschechischen Republik. Martina Lehmannová ist eine Kuratorin des Kunstgewerbemuseums in Prag. Sie spricht sehr gut Deutsch und ist wirklich eine Kapazität in ihrem Fach. Für uns ist wichtig, dass wir mit dem Vortrag wieder eine Veranstaltung im Rahmen der Munich Creative Businesse Week anbieten und einer der 185 Partner sind.“
Der März steht im Tschechischen Zentrum in München im Zeichen tschechischer Autorinnen. Mehrere Schriftstellerinnen werden dort aus ihren Werken lesen beziehungsweise mit dem Publikum diskutieren. Die erste von ihnen ist Kateřina Tučková. Sie macht eigentlich eine Lese-Tournee durch Deutschland und liest dabei aus ihrem Buch ‚Žítkovské bohyně‘, das vor kurzem unter dem Titel „Das Vermächtnis der Göttinen“ ins Deutsche übersetzt wurde. Welche Städte besucht sie in Bayern und Baden Württemberg? Können Sie die Autorin und ihre neues Buch auch ein bisschen vorstellen?„Diese Lese-Tour von Kateřina Tučková ist für uns eine sehr wichtige Veranstaltung. Sie fängt in Stuttgart, in der Stadtbibliothek, am 2. März an. Danach führt sie nach Augsburg, wo eine kleinere Lesung im Café des Schätzlerpalais geplant ist. Und die Tour endet bei uns im Tschechischen Zentrum in München am Freitag, 4. März. Kateřina Tučková ist – im guten Sinne des Wortes – eine echte Bestseller-Autorin. Sie wurde 1980 in Brünn geboren. Dieser Geburtsort ist sehr wichtig, weil Brünn und Mähren wichtige Quellen für ihre Arbeit sind. Sie ist bekannt – auch hier in Deutschland – durch ihren ersten Roman ‚Die Vertreibung der Gerta Schnirch‘, in dem sie die Geschichte des Brünner Todesmarsches aufarbeitet. ‚Das Vermächtnis der Göttinnen‘ ist 2012 in Tschechien erschienen und wurde inzwischen in elf Sprachen übersetzt. Allein in Tschechien wurden 100.000 Exemplare des Buches verkauft. Der Roman spielt in der vergessenen Landschaft der Weißen Karpaten an der tschechisch-slowakischen Grenze, wo seit Generationen weise Frauen mit magischen Heilkräften und der Fähigkeit, die Zukunft vorherzusehen, lebten – die Göttinnen. Erst die Kommunisten haben ihre archaische Lebensweise zerstört. Eine dieser Göttinnen verlässt das Dorf und wird Ethnologin. In ihrer Promotionsarbeit erforscht sie eben ihre eigenen Traditionen. Die Geschichte ist sehr spannend. Sehr wichtig ist auch die Übersetzung. Wir sind sehr froh, dass die Übersetzerin Eva Profousová speziell zu dieser Lesung aus Hamburg zu uns kommt. Wir wollen auch Eva Profousová in diesem Rahmen vorstellen. Sie ist eine Frau, die nicht nur für Kateřina Tučková und ihren Erfolg auf dem deutschen Markt von großer Bedeutung ist, sondern auch etwa für Radka Denemarková.“
Sie haben eine weitere Schriftstellerin genannt, die im März nach München kommt, Radka Denemarková. Sie wurde im Rahmen der Reihe „Mein Weg zu unseren Deutschen“ ins Sudetendeutsche Haus eingeladen. Wie ist diese Veranstaltungsreihe konzipiert?„Es ist eine neue Veranstaltungsreihe des Kulturreferenten für die böhmischen Länder des Adalbert-Stifter-Vereins, Wolfgang Schwarz, und des Tschechischen Zentrums. Der Name ist entnommen von einem gleichnamigen Vortrag des Karlsbader Archivars Milan Augustin. Im Tschechischen sind mit dem Begriff ‚unsere Deutschen‘ –‚naši Němci‘ die Deutschen aus den Böhmischen Ländern beziehungsweise die Sudetendeutschen gemeint. Im Rahmen dieser Reihe sollen tschechische Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle ihren persönlichen Blick, ihre Inspirationen und Erfahrungen thematisieren, die sie mit den böhmischen Deutschen, aber auch mit den Deutschen generell verbinden. Ich finde es logisch und natürlich, dass wir eben mit Radka Denemarková beginnen, weil sie eine Intellektuelle ist, die sehr viel für die tschechisch-deutsche Verständigung gemacht hat und immer wieder versucht, die Beziehungen neu zu reflektieren und neu zu benennen.“
Ich habe gesagt, es kommen mehrere Autorinnen nach München. Ich ergänze dazu noch einen dritten Namen: Milena Oda wird im Tschechischen Zentrum aus ihrem Roman „Nennen Sie mich Ausländer“ lesen. Zum Schluss möchte ich nach einer Veranstaltung fragen, die nicht vom tschechischen Zentrum organisiert wird. In München wird am 24. Februar eine Gedenktafel enthüllt, die mit der tschechischen beziehungsweise tschechoslowakischen Geschichte eng zusammenhängt. Wo wird sie enthüllt, und woran soll sie erinnern?„Es ist eine fast unauffällige Veranstaltung, aber ich finde sie sehr wichtig für die deutsch-tschechischen Beziehungen. Nach langen Jahren der Diskussion wurde entschieden, endlich eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Unterzeichnung des Münchner Abkommens zu installieren. Diese Tafel wird an der Hochschule für Musik und Theater in der Arcisstraße platziert, wo das Münchner Abkommen eben unterschrieben wurde. Die Gedenktafel und die Veranstaltung wurden von der Bayerischen Staatskanzlei und der bayerischen Ministerin für Europa-Angelegenheiten und regionale Beziehungen, Beate Merk, angeregt und realisiert.“