Zu Hause gebären? Der tschechische Staat unternimmt alles dagegen
Ein paar hundert Kinder kommen jedes Jahr in Tschechien zu Hause zur Welt. Das ist weniger als ein Prozent aller Geburten, trotzdem wird seit Jahren darüber heftig diskutiert. Der tschechische Staat hat zu verstehen gegeben, dass er Hausgeburten für riskant hält und dass er dabei nicht behilflich sein will. Immer mehr Mütter sind damit jedoch unzufrieden.
Diese Wünsche lassen sich laut den Befürwortern der Hausgeburten einfach zusammenfassen: eine ruhige und entspannte Atmosphäre zu schaffen und die Entbindung möglichst natürlich verlaufen lassen. Die Ärzte haben ihren Aussagen nach hingegen die Tendenz, alles zu steuern und dem Krankenhausbetrieb unterzuordnen. So würden die künftigen Müttern ohne jede Begründung Medikamente erhalten oder ihnen würden Befehle zu bestimmten Körperlage gegeben. Manchen Frauen behagt dies, sie fühlen sich in den Händen des Fachpersonals sicher. Wenn aber jemand etwas anderes wolle, komme es zu Problemen, sagt Johanka Kubaňová.
„Ich glaube, in unserem Gesundheitswesen wird nicht mit den Wünschen von Patienten gerechnet. Wir haben ein autoritäres System, bei dem der Arzt alles weiß und der Patient zu folgen hat. Der Arzt leitet also die Geburt ein. Bei uns herrscht der Gedanke vor, dass jemand die Geburt leiten muss. Allgemein können sich die meisten im Gesundheitswesen nicht vorstellen, dass die Geburt von alleine ablaufen oder dass sogar die Frau die Geburt leiten kann. Der Arzt glaubt zu wissen, wie die Geburt zu verlaufen hat. Das stimmt vielleicht mit seinen Erfahrungen überein, aber was im Innern der Frau vorgeht, das weiß niemand besser als die Frau selbst.“Was darf eine selbständige Hebamme?
Das Thema Hausgeburten wurde sogar schon mehrmals vor Gericht verhandelt. Eine Frau, die zu Hause entbinden wollte, erstattete zum Beispiel Anzeige: Der Staat habe keine kompetente Betreuung geleistet. In ihrer Region stand keine Hebamme zur Verfügung, und die nächstgelegene Geburtsklinik lehnte es ab, einen Arzt oder eine Hebamme zu ihr zu schicken. Das Gericht stellte fest, die Frau habe Recht auf kompetente Betreuung, auch wenn sie außerhalb einer Klinik gebären wolle. Die Kliniken entgegneten aber, sie seien aus organisatorischen Gründen nicht fähig, einen Angestellten zu einer Hausgeburt zu schicken. Darüber hinaus ist hierzulande auch die Stellung der selbständigen Hebammen unklar.„Laut den Verordnungen habe ich die volle Kompetenz einer Hebamme, das heißt die Betreuung vor und nach der Entbindung sowie die Leitung der Geburt. Als ich jedoch beim zuständigen Amt war, um die notwendige Erlaubnis zu bekommen, um als selbständige Hebamme arbeiten zu können, schrieb man mir, ich dürfe alles machen, außer die Entbindung als solches zu betreuen. Wenn ich etwas mache, wozu ich keine Erlaubnis habe, droht mir aber eine Strafe. Auch wenn ich mich in einer Grauzone bewege, verstoße ich eigentlich nicht gegen ein Gesetz oder eine Verordnung. Es gibt eine Verordnung, die besagt, dass die Leitung einer Geburt in die Kompetenz einer Hebamme fällt. Die Frage ist also, ob das Amt nicht gesetzwidrig entschieden hat“, so Johanka Kubaňová. Das Argument der Ärzte, warum Hebammen keine Hausgeburten leiten sollen, ist simpel: Nur im Krankenhaus stehe die vollständige medizinische Ausrüstung und kompetentes Personal zur Verfügung, falls etwas außer Kontrolle gerate. Und gerade der kleine Anteil von Hausgeburten sei der Grund, warum die Geburtensterblichkeit in Tschechien die niedrigste in Europa sei, sagt der Geburtsarzt und Parlaments-Abgeordnete Bohuslav Svoboda. Der bürgerdemokratische Politiker lehnt auch die Behauptung seiner Gegner ab, dass die Sterblichkeit bei Hausgeburten genauso niedrig sei wie bei der Entbindung in der Klinik:„Aus unseren Statistiken geht hervor, dass bei uns nur vier Promille der Geburten an den Kliniken mit dem Tod des Kindes enden. Da ist jeder Vergleich mit Hausgeburten verwirrend, denn die problematischen Entbindungen verlaufen von Anfang an nicht zu Hause. Und außerdem: Stirbt bei einer Hausgeburt nur ein Kind im Jahr, bedeutet dies bereits einen Zuwachs um ein Prozent an totgeborenen Kindern. Sollte die Zahl der Hausgeburten steigen, würde auch die Todesrate steigen. Diese Tendenz kann sich doch keiner wünschen. Glücklicherweise sind die Hausgeburten bei uns eine Seltenheit. Es gibt etwa 2000 Hebammen in Tschechien, davon sind nur rund 20 bereit, das Risiko einer Hausgeburt zu übernehmen.“
Volle Verantwortung für jeglichen Fehler
Eine Alternative zu den Hausgeburten könnten wie auch in anderen Ländern die Geburtshäuser sein. Seit vielen Jahren wird auch darüber schon diskutiert, bisher gibt es aber kein solches Haus. Bohuslav Svoboda will bald einen Gesetzvorschlag vorlegen, der die Entstehung von Geburtshäusern ermöglicht – oder verhindert, sagen die Kritiker. Bohuslav Svoboda:„Mein Gesetzvorschlag besagt, dass die Frau ihr Kind zu Welt bringt und der Staat dabei verpflichtet ist, solche Bedingungen zu schaffen, damit jeglichen Komplikationen begegnet werden kann. Das ist die Hauptsache. Ob dies ein Geburtshaus oder ein Krankenwagen mit einem Operationsraum gewährleisten kann, das ist mir egal. Über solche Details soll erst später entschieden werden. Die zweite von mir vorgeschlagene Sache lautet: Derjenige, der die Geburt überwacht, muss für sie vollständig verantwortlich sein. Wenn heute eine Hausgeburt nicht gelingt und die Frau ins Krankenhaus gebracht werden muss, tragen die Ärzte die Verantwortung.“
Ob ein solches Gesetz aber Klarheit schaffen würde, das lässt sich im Moment schwer voraussagen. Auch ambulante Geburten sind nämlich in Tschechien nur selten möglich. 2007 wollte zum Beispiel eine Frau nach einer problemlosen Geburt noch am selben Tag mit ihrem Kind die Klinik verlassen und nach Hause gehen. Die Ärzte versuchten, ihr dies zu verbieten. Nachdem die Frau die Klinik verlassen hatte, riefen sie Polizei und Sozialamt an. Laut einer vorläufigen Verfügung musste die Mutter dann mit ihrem gesunden Kind ins Krankenhaus zurückkehren und verbrachte dort unfreiwillig noch zwei Tage. Doch sie klagte, und der Fall kam schließlich bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort in Straßburg urteilten die Richter Ende 2014, dass ein Verstoß seitens der Tschechischen Republik vorgelegen habe. Sowohl Ärzte als auch die Befürworter von Hausgeburten sind sich aber einig, dass solche Extremfälle vermieden werden müssen.