„Für Geld macht man das nicht“ – Theaterprojekt zeigt den Alltag von Straßenmusikern in Prag
Straßenmusiker gehören zum Stadtbild von Prag, und vor allem auf der Karlsbrücke hat ihnen schon die halbe Welt zugehört. Was aber treibt sie Tag für Tag auf die Straße? Und wie geht die tschechische Hauptstadt mit ihren Straßenmusikern um? Diesen Fragen widmet sich das Theaterprojekt „Busking = Asking“. Bei den Proben im „Divadlo Archa“ stehen zurzeit vier Prager „Busker“ auf der Bühne und zeigen teils absurde Szenen aus ihrem Alltag.
Petr Krumphanzl ist normalerweise auf der Karlsbrücke anzutreffen. Im vergangenen Jahr hat der Gitarrist dort 326 Tage mit seiner Band gespielt. Monatlich verdient er damit etwa 12.000 Kronen – Trinkgeld inklusive. Nun aber probt er im Prager Divadlo Archa. Dort bringt das „Spielraumkollektiv“ die Geschichten von vier Straßenmusikern auf die Bühne. Es ist eine junge Theatergruppe, bestehend aus Michal Horáček, Matthias Straub und Linda Straub. Was hat die Theatermacher an dem Thema gereizt? Linda Straub:
„Tourismus, Straßenkunst und die Kommunikation zwischen Leuten aus Prag und den Touristen hat uns interessiert. Auch dieses Bild, das sich den Leuten bietet, die kommen. Straßenkunst gehört zu den Dingen, die sich für die Kommunikation mit Touristen öffnen. Deswegen sind wir darauf gekommen und haben uns dafür interessiert. Wir leben in Prag, und Straßenkunst ist eine Seite, die wir ein wenig kennen – aber eben nicht wirklich.“Um den Buskern, wie sie sich international und in Tschechien nennen, näherzukommen, ist das Spielraumkollektiv auf die Straße gegangen und hat Interviews gemacht.
„Uns interessiert eben auch die Frage: Was sind Straßenmusiker für Menschen? Was ist das für ein Mensch, der sich entscheidet, so oft auf der Straße aufzutreten? Was kann es einem geben, was kann das Schwierige sein, was kann das Gute sein? Sie haben einiges gemeinsam, aber man kann auch differenzieren. Für manche ist es eine Art Geld zu dienen, mit einer Sache, die Spaß macht. Für andere ist das Geld eine Nebensache.“
Wie viele Unterhosen braucht ein Straßenmusiker im Winter?
Szenen aus dem Alltag auf der Straße will das Stück einfangen. Mit wie viel langen Unterhosen hält sich ein Straßenmusiker im Winter warm? Um das zu zeigen, soll Petr Krumphanzl einen Striptease hinlegen. Petr Spatina, ein bekannter Glasharfenspieler, imitiert die Passanten, die seine Einnahmen im Hut zählen oder ihn gleich für einen Firmenauftritt engagieren wollen.Schon ganz lange dabei ist Jiří Wehle. Im Kommunismus war die Kunst auf der Straße strikt verboten, doch seit der Samtenen Revolution ist der heute 70-Jährige unterwegs, spielt Gitarre und Drehleier und ist eine kleine Berühmtheit auf den Prager Straßen:
„Es kam also das Jahr 1989. Die große Befreiung. Die Leute strömten auf die Straßen. Überall wurde Musik gemacht, es kamen viele Ausländer. Hauptsächlich hat man akustisch gespielt, denn Verstärker hat man nicht oft benutzt.“Das Stück „Busking Un/Limited“ schaut auch zurück auf die vergangenen 25 Jahre Straßenmusik in Prag – vor allem auf die Bürokratie, die einen Straßenmusiker so verfolgt. Denn bald nach der Wende gab es Beschränkungen. Jiří Wehle zeigt dies in einer Szene, wenn er von Behörde zu Behörde schlurft, um seine Spielerlaubnis zu erhalten.
„Und dann kam das Jahr 2012. Wieder alles erlaubt. Ich persönlich hatte schon meine Zweifel. Ich habe mich an 1990 erinnert, und ich wusste, dass es zu neuen Verboten führen würde mit der Zeit. Außerdem: Was zuvor akustisch war, wurde auf einmal mit riesigen Verstärkern gespielt.“Drittbeste Location – hinter Sydney und Melbourne
Vor vier Jahren gab die Stadt den Straßenmusikern die Freiheit zurück. Prag ist seither bekannt geworden. Einer Studie vom britischen „Busking Project“ aus dem Jahr 2013 zufolge ist die Stadt gemeinsam mit Dublin und Mailand als drittbeste Location für Straßenmusiker gelistet – gleich hinter Melbourne und Sydney. Der Zustand ist jedoch alles andere als optimal, sagt Linda Straub:
„Wenn keine Regelung da ist, entsteht eine. In der Freiheit bilden sich Gruppen, die die Regeln machen. Das ist auch nicht fair, denn als Neuer kann man schwer dazukommen. Oft spielen die Leute längere Zeit, nicht nur eine Stunde, wie es sein sollte. Sie besitzen die besten Plätze, es ist wirklich ganz schwierig. Es funktioniert einfach nicht mit der absoluten Freiheit, also dass man einfach kommen und spielen kann.“Eine Folge war auch der steigende Lärmpegel in der Innenstadt – der ist auch ohne Musiker schon ziemlich hoch und kakophonisch. Die Anwohner im Stadtzentrum beschwerten sich häufig, und derzeit ist der Prager Magistrat dabei, wieder eine neue Regelung zu erstellen. Die wiederum klingt nach Schikane. Matthias Straub:
„Man darf eine Stunde am linken Ufer spielen, und dann muss Ruhe sein. Und dann darf man wieder am rechten Ufer spielen.“Was folgt auf die Freiheit?
Untersagt werden sollen außerdem: Auftritte mit: Tieren, Schlaginstrumenten, Dudelsäcken, Pfeifen, ungedämpften Saxophonen und elektrischen Verstärkern. Das ist nur eine Auswahl. Lautes Musizieren wird generell verboten. Das Spielraumkollektiv will sich mit dem Stück „Busking Un/Limited“ nicht zum großen Kritiker der Stadt aufschwingen, sondern den Ist-Zustand reflektieren. Linda Straub:
„Es ist interessant, erstens, dass es gar nicht geregelt war und ist. Zweitens, dass die Neuregelung überhaupt nicht hilft. Es ist eine große Absurdität. Diese Regelung die ist wirklich ein wenig witzig. Das Problem ist vielleicht, dass niemand Zeit hat, sich damit zu beschäftigen.“Wie es weiter geht, zeigt sich am 28. Januar. Dann entscheidet die Stadtversammlung, ob die Neuregelung über Straßenmusik ab März in Kraft treten soll. Am gleichen Tag gibt es im Divadlo Archa einen ersten Zwischenstand des Stücks „Busking Un/Limited“ zu sehen.
Premiere feiert das Stück am 4. März im Divadlo Archa. Auf der Bühne stehen dann die vier Prager Straßenmusiker Tereza Bártová, Petr Krumphanzl, Jiří Wehle und Petr Spatina.