Tenor Petr Nekoranec: „Ein guter Gesangslehrer ist das Allerwichtigste“
Er ist ein großes Talent des tschechischen Oper: der Tenor Petr Nekoranec. Im Alter von 23 Jahren hat er schon mehrere internationale Gesangswettbewerbe gewonnen. 2013 stand er auf der Bühne in Rossinis Oper „Die Italienerin in Algier“ am Teatro Nuovo in Turin. Mit dem Coro Filarmonico Veneto und dem Orchestra Regionale Filarmonia Veneta trat Nekoranec außerdem in Mozarts Requiem sowie in seiner Krönungsmesse auf. Seit der Spielzeit 2014/15 ist der junge Sänger Mitglied des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper. Kurz vor Weihnachten gab Petr Nekoranec ein Konzert in Prag, am Klavier begleitet vom Leiter des Opernstudios, Henning Ruhe. Nach dem Konzert fanden Petr Nekoranec und Henning Ruhe Zeit zu einem Gespräch für Radio Prag.
„Ich habe schon mit 13 Jahren in der Musikschule in Polná mit Gesangsunterricht begonnen. Damals sang ich aber Pop- und Jazzmusik. Allmählich bin ich während des Unterrichts bei meiner Lehrerin Arnoštka Zemanová auch zu klassischen Liedern übergegangen. Dann sah ich im Nationaltheater in Prag eine Vorstellung von Verdis ‚La Traviata‘, und das war der Moment, in dem ich mir gesagt habe: Ich möchte Opernsänger werden.“
Sie sind dann aber nicht an das Konservatorium gegangen, sondern an eine pädagogische Mittelschule – Sie sind also eigentlich Kindergärtner von Beruf…
„Ja, eigentlich schon.“
Erst nach dieser Schule haben Sie das Konservatorium in Pardubice besucht. Was war ausschlaggebend bei der Entscheidung?„Als ich 15 war, wollte ich gleich am Konservatorium studieren. Aber meine Gesangslehrerin sagte zu mir: ‚Petr, warte noch ein bisschen, weil deine Stimme noch nicht fertig ist und du zu jung bist.‘ Deswegen war ich an der pädagogischen Schule, aber ich habe immer gespürt, dass ich eigentlich singen möchte. Im letzten Jahr der Mittelschule habe ich bereits am Konservatorium Gesang bei Jarmila Chaloupková studiert.“
Sie haben inzwischen auch einen italienischen Pädagogen gefunden: Antonio Carangelo. Wie sucht man einen derartigen Gesangslehrer?„Gott sei Dank, dass ich ihn gefunden habe. Es war Schicksal. Ich habe einen Sängerwettbewerb in Prag gewonnen. Als ich beim Konzert der Preisträger sang, war er im Publikum. Er fragte mich, ob ich nicht eine Unterrichtsstunde bei ihm probieren möchte. Er ist für mich mein großer Maestro.“
Wie wichtig ist ein Pädagoge für die Karriere eines jungen Sängers?
„Ein guter Lehrer ist das Allerwichtigste. Mehr brauche ich nicht zu sagen.“
Sie haben auch bei weiteren Wettbewerben – in Wien, in Toulouse und zuletzt in Oslo beim Königin-Sonja-Wettbewerb – Erfolg gehabt. Da waren Sie schon Mitglied des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper. Was alles steht dort auf dem Programm – neben Gesangsunterricht natürlich?
„Wir haben Deutschunterricht, denn die Zusammensetzung des Studios ist international. Wir haben Gesangsunterricht, aber bei vielen Lehrern – beispielsweise John Norris aus Berlin. Jedes Jahr bereiten wir eine große Produktion vor. Letztes Jahr war das die Oper ‚Le Comte Ory‘ von Gioachino Rossini. In diesem Jahr werden wir ‚Albert Herring‘ von Benjamin Britten aufführen. Ich habe die Möglichkeit, Albert zu singen. Das freut mich sehr.“Haben Sie in der Oper „Graf Ory“ auch die Titelrolle gesungen?
„Ja, das war mein großes Debüt. Es fand im Cuvilliés-Theater in München statt – ein wunderschönes Erlebnis. Ich vergesse das nie.“
Haben Sie die Möglichkeit, renommierte Opernsängerinnen und Opernsänger in der Staatsoper zu treffen und zu erleben?„Diese Möglichkeit haben wir jeden Tag. Als ich die Titelrolle des Grafen Ory sang, kam jemand in der Pause zu mir und fragte mich: ‚Weißt du, dass Kaufmann im Publikum ist?‘ Er meinte Jonas Kaufmann!“
Gibt es eine Traumrolle, die Sie Mal gern singen möchten?
„Ja schon, ich habe eine Traumrolle: den Rodolfo in Puccinis ‚La Bohème‘. Ich muss aber wohl noch zehn Jahre warten, um ihn singen zu können.“
Sie haben auch Vašek in Smetanas „Verkaufter Braut“ gesungen. Gibt es für Sie im tschechischen Repertoire noch eine weitere Rolle, die Sie gern singen würden?„Ich glaube, es ist schwierig, im tschechischen Repertoire eine Tenorpartie für mich zu finden. Denn alle Tenorrollen sind dramatische Tenorpartien. Vielleicht könnte ich in der Zukunft den Jeník in der ‚Verkauften Braut‘ singen.“
Außer in Opernrollen treten Sie auch mit den anderen Mitgliedern des Opernstudios bei Konzerten auf. Wie ist Ihre Erfahrung mit dem Publikum – nicht nur in München, sondern auch in anderen Städten?
„Meine Erfahrungen mit dem Publikum sind sehr positiv. In Bayern kennen alle das Opernstudio, die Menschen sind neugierig, uns zu hören und reagieren immer sehr schön. Das freut uns. Wir haben Konzerte in vielen Städten Bayerns – darunter in Aschaffenburg oder in Ingolstadt.“
Herr Ruhe, worin besteht die Aufgabe des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper? Was muss man alles beherrschen, um dort aufgenommen zu werden wie Petr Nekoranec?
„Wir verstehen uns als Einrichtung, die es ermöglicht, jungen, sehr talentierten Sängerinnen und Sängern den Opernberuf nicht zu erlernen, aber in ihn sozusagen hineinzuwachsen. Auf der einen Seite bekommen sie noch Unterricht, auf der anderen arbeiten sie unter Anleitung in dem Beruf schon. Wir suchen jedes Jahr talentierte Menschen in der ganzen Welt. Dieses Jahr hatten wir beispielsweise 750 Bewerbungen für vier Plätze, das Interesse ist also sehr groß. Als wir Petr zum ersten Mal gehört haben, war das ein Zufall. Wir waren zufällig in Prag auf der Durchreise zu einem anderen Konzert. Petr hat uns vorgesungen, und wir haben sofort gedacht, dass er eine ganz besondere Stimme hat, ein ganz besonderer Künstler ist, den wir gern fördern möchten. Zu dem Zeitpunkt war er noch sehr jung. Wir haben überlegt, was wir machen können. Da wir gerade eine kleine Oper von Bohuslav Martinů spielten und für eine kleine Rolle einen tschechischen Tenor suchten, haben wir Petr eingeladen und ausprobiert. Da er dabei so gut gesungen hat, haben wir ihn dann regulär ins Opernstudio aufgenommen.“
War das die Oper Mirandolina?„Ja, sie wird kaum aufgeführt. Ich glaube, dass wir erst das zweite Theater in Deutschland waren, an dem die Oper gespielt wurde. Aber wir suchen gern für unsere junge Sängerinnen und Sänger Opern aus, die nicht zum üblichen Repertoire gehören, weil man dies bei uns auf der großen Bühne hört. Ich möchte, dass die jungen Künstler etwas singen, das das Publikum noch nicht kennt und was interessanter ist.“
In diesem Jahr wird Brittens ‚Albert Herring‘ aufgeführt. Wie suchen Sie die Opern aus?
„Wir brauchen immer Stücke, in denen wir alle Sänger, die wir haben, optimal einsetzen können. Wir haben jedes Jahr acht bis zehn Sängerinnen und Sänger. Wir müssen aufpassen, dass jeder auch etwas zu singen hat. Der zweite Aspekt ist die Frage, welche Sänger wir haben, die eine schöne Hauptrolle singen können. In ‚Albert Herring‘ singt beispielsweise Petr die Hauptrolle. Wir haben die Oper für ihn ausgesucht, weil er Albert Herring ist – nicht nur mit der Stimme, sondern auch mit der Person. Wir freuen uns sehr, dass es mit ihm klappt. Die Premiere ist am 5. April in München.“
Neben den Hauptrollen mit dem Opernstudio sing Petr Nekoranec aber auch kleinere Rollen auf der großen Bühne. Was sind das für Partien?„Das ist das Wichtigste an unserem Studio: dass die Sänger nicht nur im Übe-Zimmer singen und dann eine Aufführung machen, sondern die ganze Zeit auch in den Produktionen auf der großen Bühne zu hören sind. Manchmal sind das nur ganz kleine Rollen: In ‚La Bohème‘ singt der Bariton beispielsweise nur ‚Vengo‘! – und das war´s. Petr singt den Parpignol in ‚La Bohème‘. Aber manchmal sind die Rollen relativ groß. Es gibt wirklich viel zu tun. Man darf auch kleine Rollen nicht unterschätzen, trotzdem ist man in der Aufführung: Man muss in die Maske, man muss sich umziehen, und man ist mit seiner ganzen Energie in diese ganze Aufführung involviert. Deswegen sind die kleinen Rollen sehr wichtig und eine große Herausforderung. Besonders in München gilt: Man steht neben Anna Netrebko und Jonas Kaufmann auf der Bühne. Gut, man muss nicht genauso singen wie die, aber es wäre nicht so toll, wenn der Unterschied in der Qualität zu groß wäre. Man muss sich anstrengen.“
Wie sieht der Weg der Mitglieder des Opernstudios später aus? Werden sie von den Intendanten der Opernhäuser beobachtet und dann engagiert?„Das ist ganz individuell. Jeder ist anders, und zum Sängerberuf gehört viel mehr als die Stimme. Dazu gehört vor allem auch eine mentale Bereitschaft, wie man damit umgeht. Viele Sänger sind dann wirklich in ein Engagement bei einem Ensemble eines Theaters in Deutschland oder in Österreich. Gegangen. Von dort kommen die Kollegen zu uns, um die jungen Künstler zu hören. Andere Sänger machen eine Karriere als freischaffende Künstler und singen als Gast an anderen Opernhäusern. Wir sind recht erfolgreich. Sänger von uns singen heute in London, New York, San Francisco und in anderen Städten. Ich bin sicher, dass Petr Nekoranec auch einen guten Weg gehen wird.“
Das nächste Konzert des Opernstudios mit Petr Nekoranec findet am 17. Januar um 18 Uhr in Mertingen statt.