„Auf Holz gemalt“ – Geschichte bäuerlicher Wohnkultur Mitteleuropas

Quelle: Archiv des Freilichtmuseums Přerov nad Labem

Vier Jahre lang tourte er durch heimatkundliche Sammlungen in ganz Tschechien, aber auch im benachbarten Ausland. Sein Interesse galt dabei alten Bauernmöbeln. Das Resultat ist das Buch „Auf Holz gemalt“, das dieser Tage auf dem tschechischen Büchermarkt erschienen ist. Autor ist Luboš Kafka vom Ethnologischen Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Im Folgenden mehr zur bäuerlichen Wohnkultur Mitteleuropas.

Luboš Kafka  (Foto: Jitka Mládková)
In der tschechischen Fachliteratur hat sie bisher gefehlt: eine umfassende Abhandlung über die Möbelbemalung im mitteleuropäischen Raum. Bei Luboš Kafka kam der Impuls bei einem Aufenthalt im bayerischen Bad Tölz. Dort stieß er auf ein Buch, in dem sich der Ethnograph Herbert Fastner mit der religiösen figuralen Bemalung von bäuerlichen Möbeln im Bayerischen Wald befasst. Von der Lektüre dieses Buches sei es nur ein Schritt zu der Entscheidung gewesen, sich mit Entsprechendem in den Böhmischen Ländern zu befassen, sagt Kafka. Mit einbezogen hat er dabei auch das Thema der Möbelimporte aus Oberbayern und Oberösterreich. Zudem war er im Ausland, zum Beispiel im Germanischen Museum in Nürnberg oder in Heimatkundemuseen im Bayerischen Wald und in der Oberpfalz, auf der Suche nach Möbelstücken aus Böhmen.

Quelle: Archiv des Freilichtmuseums Přerov nad Labem
Wo wurzelt aber eigentlich die Tradition der bunten Bauernmöbel?

„Die Zeit ab dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts wird hierzulande als Blütezeit der Volkskunst bezeichnet. Bedingt war sie durch mehrere Faktoren. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts begann der Lebensstandard eines Teils der ländlichen Bevölkerung zu steigen. Die Menschen auf dem Land bildeten bis zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert die absolute gesellschaftliche Mehrheit in den Böhmischen Ländern. Nach der Aufhebung der Leibeigenschaft im Rahmen der Josephinischen Reformen lässt sich spüren, wie bei den am besten situierten Angehörigen der agrarischen Schichten das Selbstbewusstsein stieg. Den Stolz auf ihren Status wollten sie immer mehr auch nach außen hin demonstrieren. Dazu gehörte der Besitz von Gegenständen, die primär nicht nur dem Nutzen dienten, sondern Haus und Hof auch verzieren sollten“, so der Ethnologe.

Schön bemalte Möbel als Mitgift für die Braut

Quelle: Archiv des Museums Karlovy Vary
Und nicht zuletzt wollte man sich auch selbst darstellen. Das geschah durch die Kleider, den Baustil der Häuser und deren Ausstattung – die Möbel also. Luboš Kafka:

„Beim Großteil des ländlichen Mobiliars und der Hausausstattung überwog schlechthin der praktische Zweck. Lange Zeit wurden diese Dinge nicht verziert. Auch das einfache Design eines vielleicht kreativen Zimmermanns war eher eine Ausnahme. Erst später holte man sich auf dem Land auch Inspirationen aus der Stadt beziehungsweise aus den adeligen Haushalten, in denen seit der Renaissance die sogenannte Polychromie, also die Nutzung mehrerer Farben, sehr beliebt war. Die ältesten Bauernmöbel auf dem Gebiet der Böhmischen Länder stammen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Deutlich mehr solcher Stücke in den tschechischen Sammlungen kommen aus dem 18. und 19. Jahrhundert.“

Plunderwagen
Etwa 100 Jahre lang entwickelte sich die Herstellung von Bauernmöbeln zu großer Tradition. In manchen Dörfern und Gegenden gab es den Brauch der Vorführung. Die bemalten Möbel, die oft zur Mitgift von Töchtern betuchter Bauernfamilien gehörten, wurden dann bei Hochzeiten gerne öffentlich zur Schau gestellt:

„Dies machte man, wenn die Mitgift aus dem Brauthaus ins Elternhaus des Bräutigams überführt wurde. Die Heiratsgüter wurden ausgestellt auf offenen Wagen, die hierzulande als Hochzeitswagen und im deutschen Sprachkreis als Kammer- oder Plunderwagen bezeichnet wurden. Auf diese Weise wurde den Dorfbewohnern demonstriert, wie reich die Braut war. Denn nicht zuletzt konnte man auch mit anderen Bräuten aus der Nachbarschaft vergleichen.“

Das war übrigens die einzige Gelegenheit, die Aussteuer der Braut als Ganzes zu bestaunen. Im neuen Wohnort war dann oft nur ein Teil davon zu sehen, denn nicht alle Paradestücke wurden in der Wohnstube des jungen Ehepaars aufgestellt. Die Möbelbemalung wurde im Übrigen mit der Zeit immer üppiger, dabei gewannen stilisierte Blumen, Früchte, Vögel und vereinfachte Ornamente die Oberhand.

Figurale Motive vor allem in katholischen Gegenden

Foto: Archiv von Jitka Mládková
Luboš Kafka hat allerdings den Fokus seiner Forschungsarbeit auf die Darstellung von religiösen Themen gerichtet – Schwerpunkt: figurale Bildnisse. Dabei ging er davon aus, dass sich in Mitteleuropa seit eh und je Ost und West berührt und sich die Regionen gegenseitig beeinflusst haben. Und das geschah auch in einem derart spezifischen Bereich wie dem Hauswesen:

„Als Wiege der religiösen Möbelbemalung in Mitteleuropa gilt Oberbayern mit den Zentren Bad Tölz und Mangfallgau sowie Oberösterreich mit der Gegend um Linz. Zu den böhmischen Regionen, deren Bauernmöbel-Tradition von grenzüberschreitender Bedeutung war, gehörte insbesondere das Egerland. In Nordostböhmen waren es vor allem die Region um das heutige Turnov, Semily und Jičín, das Böhmische Paradies und die Gegend der Iser. Dies waren tschechisch- und deutschsprachig gemischte Regionen. In den tschechischsprachigen Gebieten des Böhmerwalds, des Erz- und des Adlergebirges beziehungsweise in Südwestböhmen wurden Bauernmöbel nur gelegentlich hergestellt. Keine Wurzeln schlug diese Kunst hingegen in Süd- und Mittelböhmen sowie im Großteil Mährens.“

Foto: Archiv von Jitka Mládková
Figurale Darstellungen setzten Kafka zufolge einen etwas höheren Grad der Fertigkeit voraus, und sie waren auch teurer. Dies müssten aber nicht die einzigen Gründe gewesen sein, warum figurale Motive auf den Möbeln nicht so häufig zu finden waren, so der Sachkenner. Warum sie allerdings in bestimmten Gegenden zur Geltung kamen und woanders nicht, das sei immer noch ein Rätsel:

„Manche Forscher führen es auf konfessionelle Gründe zurück. So kamen zum Beispiel in jenen Regionen, in denen der Einfluss reformierter Kirchen stark war, diese Themen wesentlich weniger zum Vorschein. Für die lutherischen Kirchen spielte bekanntlich die Marienverehrung kaum eine Rolle. Den figuralen Abbildungen der Jungfrau Maria stand man also sehr reserviert gegenüber. Im Unterschied zu den eher bescheiden ausgeschmückten evangelischen Haushalten waren die römisch-katholischen oft bis zum Überquellen mit Devotionalien gefüllt.“

Mehr Importe als Exporte

Kafka sieht eine ganze Reihe von Faktoren für die regionalen Unterschiede in der bäuerlichen Wohnkultur:

„Auf Holz gemalt“  (Foto: Verlag Lika Klub)
„Ausschlaggebend war zweifellos auch der lokale Geschmack, welche Bilder und Gegenstände der Andacht in der jeweiligen Region bevorzugt wurden. Ihre Rolle dürfte auch die Art des Mobiliars gespielt haben. Als am besten geeignete und repräsentativste Fläche für die Bemalung galt die Vorderseite von Schränken. Gerade dort, wo der Schrank schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur gängigen Ausstattung gehörte, findet man figurale Bildnisse auch auf kleineren Flächen der Möbel. Dort, wo hingegen Schränke erst wesentlich später Einzug fanden, ist die religiöse Bemalung eher seltener zu finden. Hierzulande trifft das auf Nordmähren zu, auf Schlesien und auf einen Teil von Südmähren.“

Die Importe von Bauernmöbeln nach Böhmen und Mähren übertrafen eindeutig die Ausfuhr. Im Ausland fand Kafka vor allem Möbel, die im sogenannten Egerland produziert wurden. Beweise dafür sind heutzutage zum Beispiel im grenznahen Raum Oberfrankens und der Oberpfalz zu finden, einst selbst Teile des Egerlands. Für den Möbelimport nennt der Wissenschaftler ein Beispiel:

„In Nordböhmen finden sich in erhöhtem Maß Möbelstücke mit protestantischen Zitaten, die aus Werkstätten in der Lausitz stammen. In den Böhmischen Ländern ist keine Produktion dieser Art bekannt. Wahrscheinlich aus demselben Grund trifft man in Südmähren und Südböhmen auf Waren aus Oberösterreich. Die besser situierten Bewohner dieser landwirtschaftlich orientierten Regionen zogen offensichtlich repräsentative und fachmännisch hergestellte Möbel aus dem Ausland vor, anstatt bei einheimischen Handwerkern, die in diesem Metier nicht so beschlagen waren, zu bestellen.“

Wie mannigfaltig die Volkskunst früher war, zeigt Luboš Kafka anschaulich in seinem neuen Buch. Und er liefert damit ebenso ein Zeugnis vom tschechisch-deutschen Zusammenleben in den Böhmischen Ländern.