Viele Bücher, gutes Karma und eine magische Stimme
Die Literatur bildet den Schwerpunkt des Tschechischen Zentrums in Wien – eine ganze Reihe von Lesungen steht im November auf dem Programm. Ins Botschaftskino lockt außerdem eine magische Stimme – ein Film über die Sängerin und Dissidentin Marta Kubišová. Und eine Ausstellung zeigt Poster aus der Zeit des politischen Umbruchs 1989/1990. Details zu den Veranstaltungen weiß der Leiter des Tschechischen Zentrums Wien, Martin Krafl.
„Ja. Wir sind uns bewusst, dass Karel Čapek bis heute einer der meistgelesenen und beliebtesten Schriftsteller bei uns ist. Er war ein Mensch, der in seiner Güte und Moral ein strahlendes Beispiel für das ganze Volk war. Wir möchten in der Veranstaltung Auszüge aus seinem Werk und Privatleben vorstellen – auch aus seinen Tagebüchern. Und unserem Publikum einfach seine Gedanken und den allgegenwärtigen Humor näherbringen. Das alles zum 125. Geburtstag des Autors. Der Hauptstar der Lesung wird die tschechische-österreichische Schauspielerin Zdenka Hartmann-Procházková.“
Und danach geht es weiter mit der „Buch Wien“, der großen Buchmesse. Am 13. November kommt der Autor Jiří Kratochvil. Er gehört ja in Tschechien derzeit zu den bekanntesten Autoren?„Auf jeden Fall. Jiří Kratochvil ist der führende Repräsentant der tschechischen Postmoderne. Er wurde mit bedeutenden Literaturpreisen wie dem Jaroslav-Seifert-Preis ausgezeichnet. Jiři Kratochvil kommt nach Wien um sein Buch ‚Gute Nacht, süße Träume‘ (Dobrou noc, sladké sní) vorzustellen. Dieses Buch erscheint in deutscher Übersetzung beim österreichischen Braumüller-Verlag. Es spielt in einem von Bomben zerstörten Brünn. Alle wissen, dass der Krieg vorbei ist, aber niemand, wie es weitergehen wird. Die Hauptfiguren sind Kost’a, Kuba und der von einer sprechenden schwarzen Katze begleitete Jindřich. Während Kost’a und Kuba nach einem in Brünn abgeworfenen amerikanischen Fallschirmspringer suchen, hat Jindřich eine viel geheimere Mission. Er ist dazu auserwählt, das mystische Aufeinandertreffen von Gut und Böse zu entscheiden. Also, ein spannendes Thema.“
Jiří Kratochvil durfte bis 1989 gar nicht publizieren, genauso die Autorin die am Tag darauf lesen wird, Tereza Boučková.„Genau. Tereza Boučková ist in Tschechien wahrscheinlich auch als die jüngste Tochter des Schriftstellers Pavel Kohout bekannt. Sie ist selbst auch erfolgreiche Schriftstellerin, und wir werden in Wien im Literaturcafé auf dem Messegelände am 14. November ihren Roman ‚Das Jahr des Hahns‘ vorstellen. Das Buch erzählt von einer jungen Frau, deren Leben aus den Fugen geraten ist, sie versucht es wieder zu bewältigen. Beide Autoren, Jiří Kratochvil und Tereza Boučková werden natürlich beim Stand der Tschechischen Republik auf der Buchmesse anwesend sein. Wir haben diesen Stand zur tschechischen Gegenwartsliteratur in deutscher Übersetzung wieder mit dem Kulturministerium der Tschechischen Republik vorbereitet.“
Und zum Abschluss der Literaturveranstaltungen: Radka Denemarková ist zu Besuch als Writer in Residence im Literaturhaus Krems. Geplant ist mindestens ein Abstecher nach Wien. Was stellt Sie bei Ihnen vor?
„Sie wird im Tschechischen Zentrum Wien ihr Buch ‚Ein Beitrag zur Geschichte der Freude‘ aus dem Jahr 2014 vorstellen. Der Grund dafür ist, dass dieses Buch bald auf Deutsch erscheinen wird. Moderatorin des Abends ist Sylvia Treudl aus dem Kremser Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich.“Radka Denemarková war sowohl bei uns als auch bei Ihnen schon öfter im Programm. Sie gehört zu den wichtigsten jüngeren Autorinnen der tschechischen Literatur…
„Genau, und ich muss hinzufügen, dass Radka Denemarková momentan vor allem im deutschsprachigen Raum sehr populär ist. Ihre Bücher sind sehr spannend, man kann sagen, sie wurden immer zu Bestsellern. Auch im deutschsprachigen Raum hat sie bereits viele Preise bekommen.“
Gerade der November ist für Tschechien sehr wichtig, wegen der Samtenen Revolution vor 26 Jahren. Sie zeigen aus diesem Anlass einen Film in der Tschechischen Botschaft.„Genau. Wir haben den Dokumentarfilm „Magický hlas rebelky“ (The magic voice of a Rebel) ausgewählt und zeigen ihn im Kinosaal der Tschechischen Botschaft im Rahmen unserer Reihe ‚Kino am Montag‘. Es handelt sich um eine rührende und informative Doku von Regisseurin Olga Sommerová über die Ausnahmestimme Marta Kubišová, ihren Schicksalsschlägen vor dem Hintergrund der politischen Unterdrückung. Er zeigt das aufregende Comeback der Sängerin, Dissidentin und Charta-77-Sprecherin. Ihr Titel ‚Modlitba pro Martu‘ – Gebet für Marta ist zum Protestsong der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 sowie des kommunistischen Regimes 1989 geworden. Ihr Name ist natürlich auch in Österreich sehr bekannt, und wir hoffen natürlich, dass wir das Publikum am 9. November begeistern können. Wir zeigen den Film auf Tschechisch mit englischen Untertiteln in Kooperation mit dem Kulturklub der Tschechen und Slowaken in Österreich.“
Und er läuft im eigenen Kinosaal der Tschechischen Botschaft. Ist das ein Zeichen, wie wichtig Tschechien das Kino ist?„Ja, ich denke, dass es ein Ausnahmefall in Europa ist. Die Botschaft in Wien verfügt über einen guten Kinosaal, der vor ein paar Jahren renoviert wurde. Diese Filmreise ‚Kino am Montag‘ hat schon seit ein paar Jahren Tradition. Uns freut besonders, dass in den letzten Monaten auch viele Österreicher kommen. Im Publikum sind unter anderem Studenten der Slawistik von der Uni Wien, und auch viele Senioren, die gerne ihren Sommer- und Winterurlaub in Tschechien verbringen. Das österreichische Publikum ist an neuen tschechischen Filmen sehr interessiert.“
Zu guter Letzt: Ab dem 20. November gibt es eine neue Ausstellung im Tschechischen Zentrum. Sie trägt den Titel Visegradkarma. Das klingt spirituell, aber auch diese Ausstellung hat mit dem politischen Umbruch von 1989 zu tun, stimmt das?„Richtig, aber spirituell wird es vielleicht auch ein wenig. Der Untertitel der Ausstellung heißt ‚Der Weg zur Demokratie‘. Es ist Wanderausstellung von Plakatkunst aus Tschechien, Polen, der Slowakei und Ungarn, die die Ära des Zusammenbruchs der kommunistischen Regime reflektieren und in Erinnerung rufen. Die Ausstellung findet unter der Schirmherrschaft des Tschechischen Botschafters in Österreich, Jan Sechter statt. ES handelt sich um eine Österreichpremiere anlässlich des tschechischen Vorsitzes in der Visegrad-Gruppe. Mit kreativ und vielfältig gestalteten Plakaten gelang es den damaligen Künstlern humorvoll und vielleicht auch ironisch auf die politischen Missstände aufmerksam zu machen. Unterstützer und Leihgeber der ausgestellten Kunstwerke ist das Bakelit Multi Art Centre in Budapest. Das Projekt wurde in Kooperation mit dem Tschechischen Außenministerium und mit dem International Visegrad Fund. Als tschechische Grafiker sind unter anderem Aleš Najbrt, Pavel Beneš, Roman Werner oder Jiří Votruba.“