Schloss Veltrusy: Auf den Spuren der Grafen Chotek
Veltrusy liegt etwa 25 Kilometer nördlich von Prag. Der größte Anziehungspunkt des Städtchens ist ein Barockschloss aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Residenz ist von einem großen romantischen Park umgeben. Mit seiner Fläche von 300 Hektar gehört er zu den größten historischen Parks in Tschechien. Schloss und Park gehören einst der Adelsfamilie Chotek. Eine neue Dauerausstellung im nordwestlichen Schlossflügel widmet sich dem Adelsgeschlecht.
Vor einigen Tagen wurde in Veltrusy ein neues Bildungszentrum eröffnet. Schüler und andere Interessenten können hier an ökologischen und kulturellen Programmen teilnehmen. Zum Angebot gehört auch eine Führung auf den Spuren der letzten Grafen Chotek. Petra Načeradská ist eine Mitkuratorin der neuen Dauerausstellung über die Schlossbesitzer. Ihre Führung beginnt im sogenannten „grünen Zimmer“.
„Wir haben herausbekommen, dass dieses Zimmer in den Inventarverzeichnissen unter dem Namen ´Gästezimmer bei der Uhr´ geführt wird. Denn hinter dem Fenster steht der Uhrturm, in dem sich früher ein Uhrenmechanismus befand. Wir haben uns entschlossen, den Raum als Salon von Graf Ernst Chotek zu gestalten. Tatsächlich wohnte er jedoch in der heutigen Wohnung des Kastellans. Mit Ernst, der 1927 starb, erlosch die Chotek-Linie von Veltrusy. Bereits 1921, als klar war, dass mit Ernst diese Linie aussterben wird, wurde Karel, genannt ‚Kari‘ Chotek aus der Chotek-Linie von Velké Březno mit seiner Frau Livia, geboren Majláth, nach Veltrusy eingeladen. Sie wohnten tatsächlich in den Räumen, die den Besuchern gezeigt werden: sie hatten einen Speisesaal, ein Schlafzimmer und weitere Zimmer.“ Die ungarische Gräfin Livia brachte damals viele Möbel mit nach Böhmen. Als diese mit der Bahn über die Slowakei nach Prag transportiert wurden, wurden sie über 100.000 Kronen versichert. Livia war eine hoch gebildete Dame. Sie spielte Klavier, konnte sehr gut singen und sprach mehrere Sprachen. In der Schlossgärtnerei züchtete sie Blumen, vor allem Gladiolen. Das Ehepaar freute sich, als in den 1930er Jahren neue Gladiolensorten nach ihnen benannt wurden: eine gelbe Gladiole bekam den Namen Karl Graf Chotek, eine violette Gladiole hieß Livia Gräfin Chotek.Livia Chotek stammte aus der heutigen Slowakei. Der Hauptsitz ihrer Familie war in Zavar bei Trnava, von ihrer Großmutter erbte Livia zudem ein Palais in Budapest. Die Dauerausstellung zeigt das Hochzeitsfoto von Karel und Livia Chotek sowie Bilder aus der Region, in der Livia ihre Kindheit verbrachte. Alle diese Bilder brachte sie mit nach Veltrusy. Jedes Jahr im Frühling reiste das Ehepaar nach Italien – nach San Remo und nach Rom. Von dort stammen weitere Bilder, die im Schloss zu sehen sind, erzählt Petra Načeradská:
„Wir zeigen außerdem das Arbeitszimmer von Kari Chotek. Er wurde Kari genannt, um Verwechslungen mit seinem Vater, Großvater oder Urgroßvater auszuschließen. Der Urgroßvater war Karel Chotek, der Oberstburggraf von Böhmen. Er hatte große Verdienste um die Modernisierung der Infrastruktur in Prag und war das berühmteste Mitglied der Chotek-Linie aus Velké Březno. Dort ließ er ein Schloss bauen. Auf einem der Bilder in diesem Zimmer ist das Schloss nach dem Umbau im Neorenaissance-Stil zu sehen. Den Umbau initiierte Karis Vater. Auf den Fotografien ist Kari als Kind zu sehen. Er hatte zwei Schwestern: Die eine starb im Kindesalter, die andere – Adelheid oder Ada – gründete in Velké Březno eine Ordensgemeinschaft, die sich um Bedürftige, vor allem um Kinder kümmerte.“Karel und Livia hatten keine Kinder. Kari leitete schon während des Ersten Weltkriegs einen Jugendverein. Seine Arbeit mit den Kindern setzte er auch in Veltrusy fort. Viele Kinder aus Nordböhmen lud er zu Erholungsaufenthalten in das Schloss ein.
Im nordwestlichen Schlossflügel befanden sich früher vor allem Gästezimmer. Die Expertin:„Wir wissen verhältnismäßig genau, wer seit 1864 nach Veltrusy zu Besuch kam, denn ist ein Besucherbuch erhalten geblieben. Zur Zeit von Ernst Chotek waren viele seiner Freunde hier zu Besuch, mit denen er auf Jagd ging. Es waren hauptsächlich die Familien Waldstein, Lobkowicz und Thun-Hohenstein aus der italienischen Castelfondo-Linie. Die jüngere Schwester von Ernst Chotek, Caroline – genannt Lini – heiratete einen Thun-Hohenstein-Castelfondo. Carolines Kinder waren für Ernst fast wie eigene Kinder. Die Neffen waren oft zu Besuch in Veltrusy. Der älteste von ihnen erbte das Schloss Kačina. Auf einem Gemälde von Emmerich Chotek ist eben dieses Schloss abgebildet.“
Fast alle Choteks waren künstlerisch begabt und haben gemalt. Auch von Ernst Chotek sind mehrere Bilder erhalten geblieben, wenn er sich auch mit der Malerei nicht so intensiv wie sein älterer Bruder Emmerich beschäftigte. Auf den Graphiken sind viele Orte aus dem Schlosspark von Veltrusy zu sehen. Die Graphiken schuf wiederum Louise Chotek.1942 wurde das Schloss von den Nationalsozialisten konfisziert. Die Choteks zogen sich nach Velké Březno zurück. Im Schloss Veltrusy wurden Mädchen des Reichsarbeitsdienstes untergebracht.
„Nach dem Krieg im Jahre 1945 wurde der gesamte Besitz der Choteks einschließlich Velké Březno beschlagnahmt. Kari und Livia wurden vertrieben und starben in einem Seniorenheim in Deutschland. Im letzten Raum der Dauerausstellung können sich die Besucher hinsetzen, in den Familienalben der Choteks blättern und sich Repliken wichtiger Personaldokumente ansehen.“
Schloss Veltrusy ist von April bis Oktober geöffnet. Im April ist es nur am Wochenende zugänglich. Vom Mai bis Oktober ist es täglich außer montags geöffnet. Durch den Schlosspark führt der internationale Radweg zwischen Prag und Dresden.