Initiator Kalousek: Deklaration und Gedenkmarsch sind allen Brünner Kriegsopfern gewidmet

Brünner Todesmarsch (Foto: Archiv Post Bellum)

In diesem Jahr blickt die Welt unter anderem auf das Jahr 1945 und das Ende des Zweiten Weltkriegs zurück. Zum 70. Jahrestag wurde weltweit der über 60 Millionen Kriegstoten gedacht. 1945 ist aber auch das Jahr, in dem es noch Wochen und Monate nach Kriegsende zu Racheakten und Gewalttaten kam, bei denen Tausende Menschen starben. Dazu gehört der sogenannte Brünner Todesmarsch, der am 30. Mai 1945 begann und dem zirka 2000 Menschen zum Opfer fielen. Die Stadt Brno / Brünn hat am Dienstag erstmals öffentlich ihr Bedauern für dieses schmerzliche Ereignis ausgedrückt. Der Stadtrat hat dazu eine Deklaration zur Versöhnung und einer gemeinsamen Zukunft verabschiedet. Radio Prag hat mit dem Initiator der Deklaration gesprochen.

Brünner Todesmarsch  (Foto: Archiv Post Bellum)
Der parteilose Petr Kalousek ist Mitglied im Stadtrat des Brünner Stadtteils Mitte und gelangte als Kandidat der Bürgergruppierung Žít Brno in die Kommunalpolitik. Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes startete Kalousek eine beispiellose Initiative zum Gedenken an die Opfer des Krieges in und um Brünn:

„Aus Anlass des Jahrestages habe ich in Brünn das Projekt ´Das Jahr der Versöhnung´ initiiert, das unter der Schirmherrschaft des Stadtrats steht. Mit diesem Projekt soll an sämtliche Ereignisse in der Stadt im Zeitraum von 1939 bis 1945 erinnert werden. Darüber hinaus soll das Andenken an sämtliche Opfer aus dieser Zeit in Ehren gehalten werden. Und ein Teil dieser Opfer war eben die deutschsprachige Bevölkerung der Stadt, die Ende Mai 1945 aus Brünn zwangsausgesiedelt wurde.“

Petr Kalousek  (Foto: Archiv Žít Brno)
Petr Kalousek erklärte auch, warum es ihm so wichtig sei, dass dieser Schritt in Richtung Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen noch in diesen Tagen vollzogen wird:

„Meiner Meinung nach haben wir jetzt die einmalige und vielleicht auch schon letzte Gelegenheit, mit den noch lebenden Zeitzeugen dieser Epoche zusammenzutreffen. Deshalb erachte ich es als logisch und sinnvoll, sich dieser Frage zu widmen.“

Kalousek hat sich nicht nur dieser Frage gestellt, sondern auch mit dafür gesorgt, dass die Stadt Brünn einen großen Schritt in Richtung Aufarbeitung ihrer jüngeren Stadtgeschichte getan hat. Am Dienstag verabschiedete der Brünner Stadtrat nämlich eine Deklaration für Versöhnung und eine gemeinsame Zukunft. In dieser Deklaration nimmt die Stadt auch Stellung zu dem unseligen Kapitel vom Mai 1945. Exklusiv für Radio Prag sagte Petr Kalousek:

Brünner Todesmarsch  (Foto: Archiv Post Bellum)
„Die Stadt Brünn bereut aufrichtig die Geschehnisse vom 30. Mai 1945 und den nachfolgenden Tagen, als tausende Menschen aufgrund des angewendeten Kollektivschuldprinzips oder aufgrund ihrer sprachlichen Zugehörigkeit zum Verlassen der Stadt gezwungen wurden. Wir äußern ebenfalls den Wunsch, dass sämtliches früheres Unrecht vergeben werden kann und dass wir uns – von der Vergangenheit nicht mehr belastet und in gegenseitiger Zusammenarbeit – zu einer gemeinsamen Zukunft wenden.“



Michal Hašek  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der „Deklaration für Versöhnung und eine gemeinsame Zukunft“ haben am Dienstag 34 der insgesamt 55 Brünner Stadträte zugestimmt, darunter alle sechs der Gruppierung Žít Brno. Die Bürgerdemokraten (ODS) und die Sozialdemokraten (ČSSD) blieben der Abstimmung fern, die vier Stadträte aus den Reihen der Kommunisten (KSČM) votierten dagegen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Deklaration von einigen Sozialdemokraten und Kommunisten auch bereits attackiert wurde. Der sozialdemokratische Kreishauptmann von Südmähren, Michal Hašek, sagte, dass Politiker die Vergangenheit nicht bewerten sollten. Kalousek hielt dem entgegen, dass die Befürworter der Deklaration die Vergangenheit nicht bewerten, sondern an sie erinnern und in einer geeigneten Form darauf reagieren. Und Kalousek reagierte auch auf eine Aussage des Sozialdemokraten Zdeněk Škromach:

Zdeněk Škromach  (Foto: Archiv ČSSD)
„Wenn sich jemand in dem Sinne äußert, dass die Initiatoren der Deklaration Kollaborateure seien und aus der Stadt hinausgeprügelt werden sollten, wie es Zdeněk Škromach getan hat, dann sollten sich die Bürger selbst eine eigene Meinung dazu bilden. Auch vor dem Hintergrund, dass Škromach überall kundtut, bei der nächsten Präsidentschaftswahl kandidieren zu wollen.“

Kalousek und seine Mitstreiter gehen ihren Weg indes unbeirrt fort. Deshalb werden sie am 30. Mai einen Gedenkmarsch von Pohořelice / Pöhrlitz nach Brünn veranstalten, an dem auch Zeitzeugen des Brünner Todesmarsches sowie die Botschafter und Gäste aus Deutschland und Österreich teilnehmen werden. Doch jeder, der dabei sein möchte, ist willkommen, betont Kalousek:

„Ich möchte alle am 30. Mai nach Brünn einladen, wo wir einen Gedenkmarsch durchführen werden. Dazu sind alle herzlichst eingeladen.“