„Wir zeigen Originale“ – Regisseur Gantschacher zur Ausstellung über Viktor Ullmann

Foto: Martina Schneibergová

Viktor Ullmann (1898-1944) gehört zu den bedeutendsten Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In Prag wurde am vergangenen Mittwoch eine Ausstellung mit dem Titel „Viktor Ullmann. Zeuge und Opfer der Apokalypse. 1914-1944“ eröffnet. Das Thema ist das Schicksal und das Leben des Komponisten. Beschrieben wird vor allem der Einfluss seiner Erlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg auf sein bekanntestes Werk, die Oper „Der Kaiser von Atlantis“, die er im Ghetto Terezín / Theresienstadt schrieb. In Tschechien wurde das Stück zum ersten Mal 1993 aufgeführt, und zwar vom österreichischen Regisseur Herbert Gantschacher und dem Ensembles Arbos. Gantschacher hat auch die Ausstellung über Viktor Ullmann zusammengestellt. Im Folgenden ein Interview mit dem Theaterregisseur.

Viktor Ullmann
Herr Gantschacher, seit wann befassen Sie sich mit Viktor Ullmann?

„Zum ersten Mal habe ich seine Musik, die er im KZ schrieb, 1987 gehört. 1993 begann ich dann mit der konkreten Arbeit an den Musiktheaterwerken von Ullmann. Wir haben die drei Überlebenden Karel Berman, Paul Kling und Herbert Thomas Mandl, die mit Ullmann in Theresienstadt zusammengearbeitet haben, ganz konkret miteinbezogen.“

Haben Sie während ihrer Recherchen über Viktor Ullmann etwas Neues entdeckt?

„Es gab eine unerforschte Zeit im Leben von Viktor Ullmann: von 1916 bis 1918, das war sein Kriegsdienst. Diese Zeit habe ich recherchiert und bin auf Dinge gestoßen, die im Libretto der Oper ‚Der Kaiser von Atlantis‘ enthalten sind. Alle Figuren aus Ullmans Oper haben ihre biographischen Grundzüge im Ersten Weltkrieg. Das beginnt bei der Gestalt des Kaisers und hört beim Tod auf. Dieser Kaiser symbolisiert Franz Josef und Karl I. zugleich, und der Tod einen abgedankten Soldaten. Über den Lautsprecher, den man im Original bei Ullmann nicht sieht, sondern nur hört, wurde immer phantasiert, er sei ein Phantasiekonstrukt, aber es ist ein Kopfhörer. Wir unterschätzen immer den Ersten Weltkrieg, aber der war in der Kommunikation höchst modern. Ullmann war ja Artilleriebeobachter. Die Kommunikation zwischen einem Kommando und dem Artilleriebeobachter geschah mittels Telefon oder Radio, also mittels Funkverkehr, mittels Lautsprecher.“

Herbert Gantschacher  (Foto: Martina Schneibergová)
Wie haben Sie die Ausstellung zusammengestellt? Unterscheidet sich die tschechische Fassung von der Ausstellung, die zuvor in Österreich zu sehen war?

„Es ist ein anderes Ausstellungsprinzip. Wir haben hier die Möglichkeit, sehr viele Originale zu zeigen. Alles, was wir im Original haben, zeigen wir auch als solches. Was wir nicht im Original haben, zeigen wir in Kopien oder als Fotos aus den Archiven. Die Präsentation ist anders, sie musste den Räumlichkeiten angepasst werden.“

Unter den Exponaten ist ein Originalgegenstand, den Ihnen einst der tschechische Opernsänger Karel Berman geschenkt hat. Worum handelt es es?

Foto: Martina Schneibergová
„1993 hat mir Karel Berman sein Rollenbuch des ‚Kaisers von Atlantis‘ geschenkt, weil er den Eindruck hatte, dass wir uns mit dem Thema ernsthaft beschäftigen. Er hat einen wesentlichen Anstoß dazu gegeben, dass wir heute in der Lage sind, wieder das Ullmannsche Original der Oper zu spielen.“

Waren Sie mit Karel Berman, der im August 1995 gestorben ist, weiter in Kontakt?

„Ich habe ihn dreimal getroffen: zum ersten Mal 1993. Da hat er sich vorgestellt: ‚Ich bin der Tod, und ich habe überlebt.‘ Und er hat gelacht, denn er hatte unglaublichen Humor. Denn er hatte in Theresienstadt die Rolle des Todes in Ullmanns Oper geprobt. Bei unseren zweiten Treffen haben wir uns gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Ingo Schulz das Rollenbuch angeschaut und es analysiert. Zum dritten Mal trafen wir zusammen, als wir am 23. Mai 1995 die Oper ‚Kaiser von Atlantis‘ zum ersten Mal in Theresienstadt gespielt haben. Da haben wir sehr viel geplaudert.“

Foto: Martina Schneibergová
Im Rahmen der Ausstellung gibt es nächste Woche ein Ullmann-Festival, bei dem einige Ihrer Inszenierungen zu sehen sein werden. Wie wird der „Kaiser von Atlantis“ als Puppentheater aufgeführt?

„Alle diese neuen Recherchen, die wir zu dieser Oper gemacht haben, haben wir in unsere Neuinszenierung fürs Puppentheater eingebaut. Denn wir können mit Puppen Dinge machen, die wir mit Menschen nicht tun können.“


Clam-Gallas-Palais  (Foto: Archiv von Radio Prag)
Während des Ullmann-Festivals wird unter anderem ein Dokumentarfilm gezeigt über die erste Aufführung von Ullmanns Oper „Der Kaiser von Atlantis oder die Todverweigerung“ in Theresienstadt im Mai 1995. Das Festival geht mit einer Inszenierung dieser Oper als Puppentheater zu Ende. An den Festivalvorstellungen nimmt das Ensemble „ARBOS Gesellschaft für Musik und Theater aus Klagenfurt“ teil. Die Ausstellung „Viktor Ullmann. Zeuge und Opfer der Apokalypse. 1914-1944“ ist im Clam-Gallas-Palais in der Prager Altstadt bis 30. Mai zu sehen.