Angriff in Libyen: Tscheche vermutlich vom IS verschleppt
Nach einem Angriff von IS-Kämpfern auf ein libysches Ölfeld werden neun Menschen vermisst, darunter auch ein Tscheche. Nachdem der Verdacht im Laufe des vergangenen Freitag zur Gewissheit wurde, hat Tschechiens Außenminister Lubomír Zaorálek (Sozialdemokraten) am Wochenende einen Krisenstab einberufen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden die ausländischen Angestellten einer internationalen Ölfirma von Milizen des Islamischen Staates verschleppt.
Eine Sprecherin des Außenministeriums teilte mit, dass die Familie des Tschechen informiert sei und psychologisch betreut werde. Weil sich unter den Vermissten auch ein Österreicher befindet, arbeitet Tschechien eng mit dem Nachbarland zusammen. Lubomír Zaorálek:
„Die österreichische Seite hat uns sehr bereitwillig einen Platz in ihrem Krisenstab angeboten. Und auch weil wir die Zusammenarbeit ohnehin gewohnt sind, stehen wir nun selbstverständlich in ständigem Kontakt. Ich habe am Samstag bereits mehrmals mit dem österreichischen Außenminister telefoniert. Das heißt, wann immer sich etwas Neues ergibt, werden wir uns gegenseitig informieren.“
Aus Sicherheitsgründen hat Tschechien im vergangenen Sommer seinen Botschafter aus Libyen abgezogen. Seit 2011 tobt in dem nordafrikanischen Land ein Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Milizen. Während sich zwei Regierungen um die Oberhoheit streiten, nutzen dies radikale Islamisten zur Erweiterung ihres Machtbereichs. Tschechien hat nun zwei Diplomaten nach Nordafrika entsandt. Ihre Aufgabe ist es, Informationen zum Verbleib der vermissten Ausländer zu sammeln.„Wir haben sehr viele Informationen, die uns mit hoher Wahrscheinlichkeit bestätigen, dass es sich um einen Anschlag des sogenannten Islamischen Staates handelt. Er passierte in einer Region, die zwar offiziell von der anerkannten Regierung in Tobruk kontrolliert wird, die jedoch dieser Gefahr des IS ausgesetzt ist. Dort gibt es leider immer wieder solche Anschläge.“
Laut Angaben von Militärs aus Tobruk kamen die Angreifer vermutlich aus der Stadt Sirte, die seit Februar in den Händen von libyschen IS-Kämpfern ist. Nach der Attacke konnte die libysche Armee die Anlage wieder unter ihre Kontrolle bringen. Über das weitere Vorgehen wie auch über die Identität des verschwundenen Tschechen hielt sich Zaorálek aus Sicherheitsgründen bedeckt. Das Gespräch im Tschechischen Rundfunk nutzte er für eine Reisewarnung an seine Mitbürger:„Ich denke, dass es zu riskant ist, in diesen Regionen zu arbeiten, und das hat sich leider in diesem Fall bestätigt. Natürlich ist es die freie Entscheidung jedes Einzelnen, für eine Firma zu arbeiten oder nach Libyen zu reisen. Das können wir nicht verhindern. Doch ich appelliere an die tschechischen Bürger, sich von Regionen wie Libyen, Irak und Syrien fernzuhalten. Derzeit ist es meiner Meinung nach zu gefährlich, dort zu arbeiten.“Am Montag informierte Zaorálek das tschechische Regierungskabinett über den Stand der Dinge. Dabei blieb er weiterhin vorsichtig: Es sei „sehr wahrscheinlich, jedoch nicht 100prozentig sicher“, dass sich der vermisste Tscheche in den Händen des IS befinde. Das österreichische Außenministerium bezeichnete diese Informationen am Montag hingegen bereits als gesichert.