Daniels Welt, Koza und Aferim: Filme mit tschechischer Beteiligung auf der Berlinale

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Noch bis zum Sonntag laufen die Internationalen Filmfestspiele von Berlin. Über 400 Filme aus 72 Ländern gibt es zu sehen, und auch Tschechien hat drei Beiträge ins Nachbarland geschickt.

Im Wettbewerb der Berlinale ist Tschechien in diesem Jahr nur indirekt vertreten. Der als „Balkanwestern“ beworbene Schwarz-Weiß-Film Aferim! geht für Rumänien an den Start und wurde von Bulgarien und Tschechien koproduziert. Auf einer Odyssee durch ein folkloristisches 19. Jahrhundert wird einem Europa nachgespürt, in der Minderheiten keine Besonderheit, sondern der Normalfall waren. Für Co-Produzent Jiří Konečný geht es bei der Berlinale vor allem darum, Aufmerksamkeit für die heimischen Filme zu gewinnen:

„Berlin ist ein riesiger Markt, genau wie die Filmfestspiele in Cannes. Und wenn man dorthin reist, könnte man wirklich fast Depressionen bekommen, weil die Konkurrenz der Filme so groß ist. Man muss sich ständig in irgendeiner Weise positionieren.“

Boxer-Drama „Koza“
Neben dem Wettbewerbsbeitrag Aferim versucht dies Konečný in diesem Jahr mit dem Boxer-Drama „Koza“. Es läuft in der Sektion „Forum“, inszeniert hat es der slowakische Dokumentarfilmer Ivan Ostrochovský, der zum ersten Mal einen Spielfilm vorlegt. Koza ist eine Mischung aus Fiktion und Realität, sagt Produzent Konečný.

„In dem Film spielen zwei echte Boxer, die sich derzeit tatsächlich in schwierigen Lebenssituationen befinden. Zum einen der Hauptdarsteller Peter Baláž, der bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 geboxt hat. Und dann ist da sein Trainer, Ján Franek, der bei den Olympischen Spielen 1980 eine Medaille geholt hat.“

Boxer-Drama „Koza“
Die guten Zeiten sind lange her. Peter Baláž, genannt „die Ziege“, muss heute Schrott sammeln, um seine Familie durchzubringen. Als seine Frau erneut schwanger wird, müssen dringend 400 Euro für die Abtreibung her. Die „Ziege“ steigt also erneut in den Ring. Ein Helden-Epos á la Rocky ist das nicht. Peter Baláž kämpft ums nackte Überleben, wenn er als Trainingseinheit mit einem Autoreifen im Schlepptau durch eine triste Slowakei voller Dreck und Schneematsch läuft.

Dokumentarfilm „Danielův svět“  (Foto: DOKrevue)
Die größten Emotionen unter den tschechischen Beiträgen ruft wohl der Dokumentarfilm „Danielův svět“ (Daniels Welt) hervor.

„Ich heiße Daniel. Ich bin 25 Jahre alt und studiere Literatur. Ich hatte noch nie eine Freundin oder einen Freund. Doch ich kann mich nicht beschweren, dass es in meinem Leben keine Liebe gäbe. Ich habe immer sehr viel Zeit in meinen Fantasien verbracht. Ich bin ein homosexueller Pädophiler und in einen kleinen Jungen verliebt.“



Veronika Lišková  (Foto: Archiv des Instituts des Dokumentarfilms)
Der Film wirbt mit dem Slogan „Testen sie ihre Toleranz“ und lässt Daniel über seine Zukunft reflektieren – mit einer Neigung, die er niemals ausleben kann. Regie geführt hat Veronika Lišková. Zu Beginn sei es nicht einfach gewesen, sagt sie. Doch gerade mit dem Mittel des Dokumentarfilms könne man sich einem derart komplexen Thema annähern. Der Film läuft in der Sektion „Panorama Dokument“, die sich in diesem Jahr insbesondere dem Thema Pädophilie auseinandersetzt. Erste Reaktionen von Journalisten auf Daniels Welt waren positiv. Dem Berlinale-Publikum wird Veronika Lišková ihren Film in dieser Woche noch zweimal präsentieren.


Wer sich in Berlin aufhält und schnell entschlossen ist, hat die Chance, die Filme mit tschechischer Beteiligung auf dem Festival zu sehen. Nach Stand von Mittwochmittag gibt es für alle drei Filme noch Restkarten. Mehr Informationen unter www.berlinale.de/de/programm.

Autor: Annette Kraus
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