„Wall Is Over“ - Lennon-Mauer in Prag wurde weiß übertüncht

Foto: ČTK

Mit Graffitis bunt bemalt - so kannte man die John-Lennon-Mauer in Prag. Doch in der Nacht auf Montag hat eine Street-Art-Gruppe dieses Stück Prager Geschichte weiß übermalt. Die Meinungen sind nun gespalten: Ist das Vandalismus oder die Chance für etwas Neues?

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In der Mitte der Mauer war ein Portrait von John Lennon, daneben stand „All We Are Saying“. Das „Give Peace A Chance“ durfte man sich hinzudenken. Dieses Aussehen erhielt die Fläche erst nach der Ermordung des Beatle-Musikers im Dezember 1980. Aber schon vorher war die Mauer auf der Prager Kleinseite ein Ort des Protests gegen das kommunistische Regime gewesen. In den 1970er Jahren hieß sie Zeď nářků – die Klagemauer. Dann kamen die Graffitis, und nach der Wende wurde sie immer bunter, Schicht um Schicht. Denn malen konnte, wer wollte. Auch viele Touristen verewigten sich dort.

Seit der Nacht auf Montag, dem 25. Jahrestag seit Beginn der Samtenen Revolution, ist die Mauer weiß übertüncht. Dort steht nun „Wall Is Over“, also die Mauer ist vorbei – in Anspielung auf den Lennon-Song „Happy Christmas – War Is Over“.

Zu der Tat bekannt hat sich mittlerweile eine Street-Art-Gruppe, sie nennt sich Pražská služba, der Name ist von der Prager Müllabfuhr geborgt. Nikola Ivanov gehört dieser Studenten-Gruppe an:

„Alle Mitglieder der Gruppe sind kurz vor der Samtenen Revolution oder unmittelbar danach geboren. Dieser Akt ist der Kommentar unserer Generation zum Fall der Berliner Mauer und zum Fall des Eisernen Vorhangs. Zugleich ist es immer noch ein Verweis auf John Lennon und seine Ideale.“

Ivanov und seine drei Mitstreiter verweisen zudem darauf, dass die Mauer vom kommunistischen Regime mehrfach übermalt wurde. Aber nicht nur das:

„Wenn jemand dort etwas hinschreibt und ein anderer das übermalt, dann läuft das auf Dasselbe hinaus. Wir haben nicht den bleibenden Wert des Ortes zerstört.“

Der Besitzer der Mauer sieht das anders: Der Malteser Ritterorden erstattete in einer ersten Reaktion sogar Strafanzeige gegen Unbekannt:

„Die Mauer gehört zur Prager Kulturszene, und wir verurteilen diese Tat“, so Michal Peterka, Sprecher des Ordens.

Doch die Täter outeten sich darauf und erklärten ihr Vorgehen. Deswegen hat der Orden die Anzeige mittlerweile wieder zurückgenommen.

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Unangenehm überrascht zeigte man sich aber auch bei der Leitung des ersten Prager Stadtbezirks. Veronika Blažková ist Sprecherin des Rathauses:

„Obwohl der erste Bezirk ansonsten gegen Sprayer ankämpft, respektieren wir in diesem Fall die Geschichte der Mauer. Das Übertünchen hat uns nicht gefallen.“

Enttäuscht sind nun viele: die Besucher Prags, aber auch Menschen, die zum bunten Design beigetragen hatten. Kateřina Sedláková von der Stiftung Prague Freedom Foundation kam am Dienstag mit einem Kollegen und einem Rucksack voller Spraydosen an den Ort des Geschehens:

„Wir wollen eine Nachricht an die protestierenden Studenten in Hongkong schreiben. Wir hatten schon einige Nachrichten auf die Mauer in ihrem ursprünglichen Zustand geschrieben. Die sind nun unter der weißen Farbe verschwunden, deswegen erneuern wir sie.“

Und so könnte in der nächsten Zeit einfach eine neue Bemalung entstehen. Vielleicht findet sich ja auch ein Künstler, der wieder ein Portrait von John Lennon erschafft.

Autor: Till Janzer
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