Finanzministerium will der „grauen Wirtschaft“ den Riegel vorschieben
Nach nur neunmonatiger Amtszeit rühmt sich Tschechiens Finanzminister Andrej Babiš bereits damit, dass das Haushaltsdefizit in diesem Jahr geringer ausfallen werde als es der parlamentarische Beschluss vorschreibt. Als einen wesentlichen Grund dafür nennt der Minister, dass es dem Ressort unter seiner Führung weitaus besser gelungen sei, die fälligen Steuern einzutreiben als unter manchem seiner Vorgänger. Babiš will deswegen auf dem eingeschlagenen Kurs fortfahren und plant für das Jahr 2016 bereits den nächsten Coup: die Einführung der elektronischen Erfassung aller Umsätze von Gewerbetreibenden und Mittelständlern. Damit will das Finanzministerium der sogenannten grauen Wirtschaft einen Riegel vorschieben.
Gewerbetreibende bestätigen, dass diese Art der Abrechnung weit verbreitet ist. So zum Beispiel der Malermeister Jan Zima:
„Die Kunden, die in bar bezahlen, sind zumeist ältere Leute, die kein Internetbanking haben. Sie wollen die Auftragskosten möglichst schnell begleichen.“
Um diese Praxis zu unterbinden, will das Finanzministerium nun in gut einem Jahr die elektronische Erfassung der Umsätze einführen. Dann sollen Handwerker oder Dienstleister die Rechnung für einen erledigten Auftrag nicht mehr erst am Abend nach getaner Arbeit erstellen, sondern noch direkt vor Ort mit Hilfe eines Tablets, das einen Drucker hat und dessen Software mit dem Ministerium vernetzt ist. Die Handhabe der neuen Technik wird für beide Seiten Neuland sein, deshalb soll ihrer Einführung auch eine entsprechende Testphase vorangehen, erklärt Simona Hornochová:
„Gegenwärtig bereiten wir die Ausschreibung für das elektronische System vor. Verglichen mit Kroatien, wo man von der Auftragsvergabe bis zur Einführung des Systems ein halbes Jahr brauchte, haben wir also noch genügend Zeit. Die werden wir indes brauchen, denn in Tschechien wird dieser Prozess schon allein wegen der administrativen Hürden hierzulande etwas länger dauern. Dennoch glaube ich, dass wir noch ausreichend Zeit haben werden, um das System mit einer gewissen Vorlaufzeit zu testen.“Hornochová verweist darauf, dass Kroatien bereits gute Erfahrungen mit der elektronischen Umsatzerfassung gemacht hat. Dies sei letztlich für ihr Ressort der entscheidende Impuls gewesen, es dem jüngsten EU-Mitgliedsland gleichzutun. Laut Aussage des kroatischen Finanzministers Boris Lalovac sind nach der Einführung des Systems die seinem Ministerium gemeldeten Umsätze um rund 50 Prozent gestiegen. Im Bereich Gastronomie lag die Zunahme sogar bei 100 Prozent, ergänzte Lalovac. Wohl auch aus diesem Grund will das Prager Finanzministerium die Einführung der elektronischen Umsatzerfassung gestaffelt vornehmen: für die Bereiche Gastronomie und Hotelwesen ab 1. Januar 2016, für alle Klein-und Großhändler ab 1. April 2016 und für alle übrigen Gewerbetreibende ab 1. Juli 2016. Die Umstellung von der handschriftlichen auf die elektronische Rechnungsführung sei allerdings eine umfangreiche Aufgabe, bemerkt Hornochová:
„Wir haben keine genauen Zahlen über die Gewerbetreibenden und Mittelständler, die der Umstellung auf das elektronische System unterliegen. Doch unsere Nachfrage bei den Verbänden der kleinen und mittelständischen Unternehmen, beim Statistikamt und bei anderen Institutionen hat ergeben, dass allein im Bereich der Gastronomie und des Hotelwesens mehrere Zehntausend Betriebe die Abrechnung umstellen müssen.“
Das aber würde gerade in der Gastronomie das Aus für viele Kneipen und Restaurants bedeuten, sagen Insider. Eine nicht genannte Quelle verriet dabei im Tschechischen Fernsehen, dass ohne die Vorzüge der grauen Wirtschaft etliche Lokalinhaber keine Einkommen hätten. Zdeněk Juračka ist Vizepräsident des Einzelhandelsverbandes. Er und weitere Vertreter des Unternehmertums halten die vom Finanzministerium initiierte Umstellung auf das elektronische Abrechnungssystem jedoch für den richtigen Weg, und das nicht nur wegen der besseren Steuereintreibung:„Für uns ist es noch wichtiger, dass damit für alle Unternehmer das gleiche Geschäftsumfeld geschaffen wird. Gegenwärtig ist es doch leider vielfach so, dass etliche Unternehmer im Kleinhandel und in den Kneipen bankrottgehen, weil sie ehrlich ihre Steuern abführen und ihren Verpflichtungen nachkommen. Stattdessen überleben jene, die auf Kosten des Staates und auf unser aller Kosten leben.“
Als Gegenleistung für die Einführung der elektronischen Umsatzerfassung stellt das Finanzministerium in Aussicht, die Mehrwertsteuer für die Gastro-Branche von 21 auf 15 Prozent zu senken. Dies wäre ein guter Kompromiss, der ebenfalls in die richtige Richtung ziele, lobt Einzelhandelschef Juračka.