Nationalbibliothek digitalisiert mit Google historische Bücher
Die Cosmas-Chronik aus dem 12. Jahrhundert, die Schriften von Kirchenreformator Jan Hus sowie Werke vom namhaften Pädagogen Johann Amos Comenius. Diese bekannten historischen Bände sowie weitere rund 30.000 Bücher stehen auf Google Books frei zur Verfügung. Dies ist das Resultat der Zusammenarbeit der Tschechischen Nationalbibliothek mit der Firma Google bei der Digitalisierung der Bücherfonds.
Die Nationalbibliothek gilt als die Zentralbibliothek der Tschechischen Republik. Sie ist zudem die größte und eine der ältesten öffentlichen Bibliotheken hierzulande. Ihre Sammlungen sind von internationaler Bedeutung. Den Sitz hat die Bibliothek im ehemaligen Jesuitenkolleg Clementinum. Ihre Buchsammlung umfasst rund 6,5 Millionen Bände. Um möglichst vielen Menschen weltweit die wertvollen alten Bücher zugänglich zu machen, arbeitet die Nationalbibliothek bei der Digitalisierung der Exemplare mit der Firma Google zusammen. Generaldirektor der Nationalbibliothek ist Tomáš Böhm:
„Wir wurden 2008 von der Firma Google angesprochen, ob wir nicht Interesse haben, am Projekt der Digitalisierung zusammenzuarbeiten. Die Firma wollte eine Liste unserer alten Drucke haben. 2011 unterzeichneten wir den Vertrag über die Zusammenarbeit. Die Kosten für die Vorbereitungsarbeiten trägt unsere Bibliothek, die anderen Kosten übernimmt Firma Google. Die Vorbereitungen haben verhältnismäßig lange gedauert. Mit der Digitalisierung wurde zu Jahresbeginn begonnen.“
Bislang wurden etwa 30.000 Bücher digitalisiert, die auf dem Portal Google Books zur Verfügung stehen, erzählt Adolf Knoll. Er ist Sekretär der Nationalbibliothek für Wissenschaft, Forschung und internationale Beziehungen. Knoll war dabei, als die EU-Kommission vor etwa zehn Jahren zu dem Schluss kam, dass die Digitalisierung des europäischen Kulturerbes nicht so schnell voranschreitet, wie es wünschenswert wäre. Es gab Beratungen darüber, wie die Digitalisierung beschleunigt werden könnte. Die EU konnte die Mitgliedsländer dabei jedoch nicht finanziell unterstützen. Die einzelnen Länder verfügten mit Ausnahme von Frankreich und Spanien nicht über ausreichend Mittel, um die historischen Bücher zu digitalisieren und sie möglichst vielen Interessenten zugänglich zu machen. Adolf Knoll:„Von Anfang an nahm auch ein Vertreter der Firma Google an den Debatten teil. Es entstand die Idee, dass man sich sowohl an den Privatsektor als auch an die Bibliotheken wenden soll, um gemeinsam die Digitalisierung zu finanzieren. In Tschechien waren zu der Zeit zwei Projekte im Gang: Es wurden alte Handschriften und besonders wertvolle alte Drucke digitalisiert. Im Rahmen des anderen Projekts wurden Periodika und Monographien des 19. Jahrhunderts digitalisiert. Was damals aber fehlte, war eine schnelle Massendigitalisierung.“
Die Nationalbibliothek begrüßte daher Knoll zufolge das Interesse der Firma Google, mit den Bibliotheken zusammenzuarbeiten. In Europa fing Google an mit der Bodleain Library in Oxford, der Bayerischen Staatsbibliothek in München, der Universitätsbibliothek in Madrid und der Katalanischen Nationalbibliothek zu kooperieren, sagt Adolf Knoll:„Wir bemühten uns auch um eine Zusammenarbeit. Aber die Situation sah so aus, dass die Firma Google selbst die Bibliotheken angesprochen hat. Sie suchte Institutionen aus, um mit der Digitalisierung deren Sammlungen für das europäische Kulturerbe zu erfassen. Eine der Bedingungen aber war, dass nur urheberrechtsfreie Bestände der Bibliotheken digitalisiert werden. Als Grenzwert gilt daher ungefähr das Jahr 1870.“
2010 schloss die Firma Google Verträge über die Digitalisierung mit drei europäischen Zentralbibliotheken – mit der Österreichischen, der Niederländischen und der Tschechischen Nationalbibliothek. 2011 kam die Britische Bibliothek hinzu.
„Damit hat es aber geendet, weitere Bibliotheken wurden nicht angesprochen. Wir hatten das große Glück, dass wir in das Projekt aufgenommen wurden. Dafür haben wir vor allem Drucke und Bücher aus dem 17. und 18. Jahrhundert ausgesucht, die in keinem anderen Digitalisierungsprogramm miteinbezogen sind. Hinzu kommen noch mehrere ältere Bände aus der Slawischen Bibliothek.“Insgesamt sollen binnen einiger Jahre etwa 140.000 Bände digitalisiert werden. Aller sechs Wochen kommt ein „Google-LKW“ nach Prag, der die bereits digitalisierten Bände zurückbringt und weitere 2.500 bis 7.000 Bücher im Clementinum abholt und sie unter strengen Sicherheitsmaßnahmen in die Digitalisierungszentren der Firma transportiert.
Die Mitarbeiter der Nationalbibliothek mussten die Bücher auf die Digitalisierung zuerst vorbereiten. Alle Bände wurden mit einem Strichcode versehen und elektronisch katalogisiert. Bevor die Bücher der Firma Google übergeben werden, werden sie noch von Restauratoren untersucht. Auf der Galerie des Barocksaals arbeiten zurzeit gleich mehrere Restauratoren. Sie tragen Schutzhandschuhe und oft auch einen Mundschutz, wenn sie mit den alten Drucken umgehen. Eine der Restauratorinnen ist Jana Dřevikovská:
„Zurzeit sind nicht alle Bücher in den Regalen, weil mehrere gerade katalogisiert werden. Die Restauratoren, die hier arbeiten, putzen zuerst mechanisch jedes Buch. Dann untersuchen sie es und führen eventuell eine kleine Reparatur durch. Die Bücher müssen stabil sein, es darf nichts aus ihnen rausfallen. Seit 2011 haben wir insgesamt rund 115.000 Bänder auf die Digitalisierung vorbereitet.“Die Restauratoren tragen zudem in ein Formular ein, in welchem Zustand sich das historische Buch befindet. Das Buch wird gemessen, da für jedes Buch eine Schutzhülle hergestellt wird, in der es transportiert wird. Die Bände werden nach dem Grad ihrer Beschädigung sortiert. Bevor sie ins Regal zurückgestellt werden, werden sie mit einem kleinen Stück farbiges Papier versehen. Die Restauratorin:
„Nach der Farbe des Zettels erkennen wir, ob und wie stark das Buch beschädigt ist. Die Bände mit einem gelben Zettel werden hier nur ambulant repariert. Ein roter Zettel bedeutet indes, dass das Buch nicht gescannt werden kann, weil man es beispielsweise nicht öffnen kann. Mit grünen oder blauen Zetteln sind Bände versehen, die vielleicht nicht sofort, aber später in einem Atelier restauriert werden müssen.“
Wenn alle Regale im Barocksaal voll sind, umfassen sie rund 27.500 Bücher. Diese wurden im 18. Jahrhundert nach ihren Fachbereichen sortiert, erklärt die Leiterin der historischen Bücherfonds und der Musikfonds, Miroslava Hejnová.„Der erste hiesige Bibliothekar Karel Rafael Ungar hat die Bücher in insgesamt 54 unterschiedliche Fächer sortiert. Später wurden die Bände aber nach der Formatgröße in die Regale gestellt. Ganz oben gibt es die kleineren Formate, unten die größeren.“
Das Digitalisierungsprojekt ermöglicht es, der Öffentlichkeit eine Menge von Dokumenten für relativ niedrige Kosten zugänglich zu machen. Der Nationalbibliothek kostet das Projekt jährlich rund vier Millionen Kronen (148.000 Euro).