Prozessbeginn gegen MUS-Manager: Fünf Tschechen auf Schweizer Anklagebank
In Bellinzona im Tessin hat am Montag ein Prozess begonnen, der auch und besonders in Tschechien mit großem Interesse verfolgt wird. Es ist der Prozess wegen möglicher Korruption bei der Privatisierung des tschechischen Kohlekonzerns MUS (Mostecká uhelná společnost). Das Unternehmen heißt heute Czech Coal. Vor dem Gericht müssen sich sechs ehemalige Manager des Konzerns verantworten. Ein siebter Manager, der in den Fall verwickelt ist, ist vor kurzem verstorben. Im Zusammenhang mit dem Justizfall hat die schweizerische Bundesanwaltschaft 660 Millionen Franken konfisziert, die auf rund hundert Konten in der Schweiz deponiert waren.
„Ich werde mich persönlich verteidigen. Ich denke, dass in Tschechien eine solche Anklage keinen Erfolg haben würde. Ich bin auch froh, dass der Generalstaatsanwalt der Schweizer Eidgenossenschaft eingeräumt hat, dass es für ihn ein sehr schwieriger Fall ist.“
Der Prozess ist das Ergebnis von sechs Jahren Arbeit. Die Schweizer Ermittler haben ein kompliziertes Geflecht von rund 60 Firmen in der Schweiz, Liechtenstein, auf Zypern und auf der britischen Insel Man untersucht. In diese Unternehmen, an denen die Angeklagten beteiligt waren, flossen angeblich auch Gelder, die auf die Privatisierung des MUS-Konzerns zurückgehen.An dem tschechischen Kohleunternehmen war nach der so genannten Coupon-Privatisierung der tschechische Staat noch beteiligt. 1999 verkaufte er seinen Anteil für umgerechnet 26 Millionen Euro. Laut tschechischen Ermittlern soll dies nicht annähernd dem wahren Wert entsprochen haben, der lag wohl beim Sechsfachen. Zudem sollen die Manager die Aktien des Konzerns mit Geldern aus dem Unternehmen gekauft haben. Den Aktienverkauf vollzog seinerzeit die Regierung von Premier Miloš Zeman, dem heutigen Präsidenten des Landes. Zeman hat danach mehrfach bestritten, von den unlauteren Praktiken der Käufer und ihrer Hintermänner gewusst zu haben. Nach Information des Tschechischen Fernsehens (ČT) wurde der Staatspräsident zu diesem Fall am 20. Februar drei Stunden lang von der Polizei vernommen.
Beim Prozess in Bellinzona ist die tschechische Seite nun gleich doppelt vertreten – durch die fünf ehemaligen MUS-Manager auf der Anklagebank und in der Rolle des Beobachters. Diese Rolle nehmen Vertreter des Finanzministeriums wahr, informiert der Sprecher des Ressorts, Ondřej Jakob:„Wir werden das sehr genau verfolgen, und wir haben auch unsere Anwälte vor Ort. Die Tschechische Republik ist in der Anklageschrift als geschädigte Seite aufgeführt.“
Tschechien hätte jedoch ohne Weiteres auch als Nebenkläger im Prozess auftreten können. Im Sommer 2011 war genau das der tschechischen Justizbehörde von ihren Schweizer Kollegen angeboten worden. Weder die Staatsanwaltschaft noch das Finanzministerium in Prag reagierten jedoch rechtzeitig auf dieses Angebot. Als die Eidgenossen schließlich im Herbst vergangenen Jahres mitteilten, dass die Frist verstrichen sei, versuchte die tschechische Seite mittels einer Berufung quasi durch die Hintertür noch in die Rolle des Nebenklägers zu schlüpfen. Vergebens. Die verpasste Möglichkeit wurde deshalb auch vom Verein „Öffentlichkeit gegen Korruption“ scharf kritisiert. Anwältin Hana Marvanová ist Mitglied der Vereinigung:
„Warum hat die Tschechische Republik nicht fristgemäß reagiert und sich rechtzeitig als Geschädigter zu dem Strafverfahren in der Schweiz gemeldet, das schon vordem begonnen hatte? Und weshalb haben die Obere Staatsanwaltschaft und das Finanzministerium ihre Pflichten vernachlässigt?“Auf diese Fragen gab es noch keine Antwort. Der Verein aber hat dazu bereits vor einem Jahr Strafanzeige erstattet.