Politologe Schuster: „Abkehr von der direkten Präsidentenwahl unwahrscheinlich“
Die Vorbereitungen auf die historisch erste Direktwahl des tschechischen Präsidenten haben in der vergangenen Woche einen herben Rückschlag erlitten. Das Innenministerium gab am Freitag bekannt, dass drei Kandidaten - Jana Bobošíková, Tomio Okamura und Vladimír Dlouhý - nicht die für eine Kandidatur erforderlichen 50.000 Unterschriften erreicht haben. Das Ministerium hatte zuvor die Unterstützungsunterschriften für die einzelnen Kandidaten überprüft und mit dem Einwohnermelderegister abgeglichen. Dort, wo die Zahl der für ungültig erklärten Unterschriften drei Prozent überschritt, wurden weitere Stichproben unternommen. Anhand dieser Ergebnisse wurde bei den drei besagten Kandidaten die Zahl der Unterschriften nach unten korrigiert, so dass sie unter die 50.000-Marke fielen. Ist nun die ganze Präsidentenwahl gefährdet? Dazu ein Interview mit unserem Mitarbeiter, dem Politikwissenschaftler Robert Schuster.
„Im Grunde geht es um eine reich rechnerische Angelegenheit. Das heißt, das Innenministerium hat die Unterstützungserklärung für alle Kandidaten, die Unterschriften gesammelt haben, überprüft. Es hat dabei Stichproben zur Hilfe genommen. Die Kritik der nun abgelehnten Kandidaten richtet sich nun dagegen, dass die Fehler in den Stichproben nicht auf einen arithmetischen Durchschnitt hochgerechnet, sondern addiert wurden. Die Ex-Europaparlamentarierin Jana Bobošíková hatte 56.000 Unterschriften eingereicht, ihr wurden nur 45.000 Unterschriften anerkannt. Der Unternehmer Tomio Okamura hatte sogar fast 62.000 Unterschriften, und nach Abzug der fehlerhaften Unterschriften liegt er bei 35.000. Der frühere Industrieminister Vladimír Dlouhý war ursprünglich bei knapp 60.000 Unterschriften und liegt nun bei knapp 40.000. Das sind schon ziemliche hohe Abzüge. Es muss sich nun zeigen, ob das Oberste Verwaltungsgericht der Kritik der abgelehnten Kandidaten Recht gibt. Da geht es um die Methodik, die Fehler der Stichproben zusammenzuzählen und komplett von der Gesamtzahl abzuziehen und nicht einen Durchschnittswert für die Fehler zu ermitteln.“
Hätte man dem Problem nicht irgendwie vorbeugen können?„Man darf nicht vergessen, dass das gesamte Gesetzespaket über die Direktwahl des tschechischen Staatspräsidenten fast in letzter Sekunde verabschiedet wurde. Gerade das Gesetz über die Durchführung der Wahl wurde erst im Sommer durchgewinkt – also nur wenige Wochen vor dem Stichtag zur Einreichung der Bewerbungsunterlagen für die Kandidaturen. Einige Kandidaten haben zu diesem Zeitpunkt schon längst Wahlkampf geführt, obwohl sie noch nicht wussten, zu welchen Bedingungen die Wahl stattfinden wird. Das Problem war oder ist, dass man sehr lange brauchte, um die Kompetenzen des Präsidenten zu regeln. Es ging um die Frage, ob das zukünftige direkt gewählte Staatsoberhaupt dieselben Kompetenzen behalten darf wie der jetzige, der durch beide Kammern des Parlaments bestimmt wird. In der Diskussion fielen Argumente sowohl für weniger, als auch sogar für mehr Kompetenzen. Dabei blockierten sich Regierung und Opposition gegenseitig. Die Regierungsparteien, die die Gesetzesvorlage einbrachten, brauchten die Stimmen der Opposition für die entsprechende Verfassungsänderung. Das Prozedere, das bei der ganzen Geschichte wichtig ist, wurde dann aber mit sehr heißer Nadel gestrickt.“
Können sich die Kritiker der Direktwahl des Staatsoberhaupts nun in ihren Vorbehalten bestätigt fühlen? Wie wahrscheinlich ist es, dass bei nächster Gelegenheit wieder zur alten Wahl des Präsidenten durch das Parlament zurückgekehrt wird?„Zu den größten Kritikern des Wahlverfahrens zählt auch der Präsident des tschechischen Verfassungsgerichts, Pavel Rychetský. Er hat gerade den unglaublichen Zeitdruck für die Kandidaten und die Behörden kritisiert, aber nicht die Direktwahl als solche. Die Kandidaten mussten innerhalb weniger Wochen die benötigte Mindestzahl von 50.000 Unterschriften tschechischer Bürger sammeln. Die Behörden hatten dann nur rund einen Monat Zeit, um die Richtigkeit der Unterschriften zu überprüfen. Es wäre logischer gewesen, dabei jede einzelne Unterschriften zu überprüfen, dann hätte es keine Schwierigkeiten mit der Bewertung der Fehler gegeben. Es wurde das Stichprobenmodell gewählt, das hat sich nun nicht als die beste Variante erwiesen und stellt die Legitimität des gesamten Wahlverfahrens in Frage. Ich denke aber nicht, dass es deswegen zu einer Änderung des Wahlmodus kommen wird, auch wenn jetzt einige Politiker meinen, man hätte beim alten Verfahren bleiben sollen. Man muss nur an die Schwierigkeiten zurückdenken, die die Wahl in den Jahren 2003 und 2008 begleitet haben. Damals blockierten sich beide Parlamentskammern über mehrere Tage, weil sie auch über prozedurale Fragen gestritten haben. Mir scheint, dass das Prozedere, das bei der Anrechnung der Unterschriften erneut zum Stein des Anstoßes geworden ist, der eigentliche Schwachpunkt des gesamten Wahlmodus ist.“