Eine Razzia, ein Rausschmiss und der Machtkampf in Prag
Am Freitagmorgen hat die Antikorruptionseinheit der tschechischen Polizei die Büros der Prager Verkehrsbetriebe durchsucht. Bisher gibt es keine offizielle Mitteilung von der Staatsanwaltschaft, warum die Polizei ermittelt. Doch die Hinweise sind überdeutlich: In derselben Woche hatte der neue Direktor der Verkehrsbetriebe, Vladimír Lich, Strafanzeige gegen frühere Mitarbeiter des Unternehmens erstattet. Es geht um überteuerte Verträge. Im Hintergrund stehen aber politische Auseinandersetzungen, in die auch der Prager Oberbürgermeister einbezogen ist.
Es ist nur eines von mehreren Beispielen, bei denen Vladimír Lich auf verdächtige Geschäfte gestoßen ist. Weitere sind zum Beispiel die Aufträge für die Bereitstellung von SMS-Fahrkarten oder für den Druck von Papierfahrkarten. David Ondračka leitet das tschechische Büro der Antikorruptionsagentur Transparency International:
„Im Fall der Prager Verkehrsbetriebe handelt es sich nicht um kleine Manipulationen an öffentlichen Aufträgen, sondern um organisierte Kriminalität. Ermittelt wird in Fällen, bei denen Hunderte Millionen oder sogar Milliarden Kronen abgezweigt wurden.“
Polizei und Staatsanwaltschaft schweigen bisher über die Hintergründe ihres Vorgehens. Bisher wollen sie auch nicht bestätigen, dass die Anzeige von Lich gegen die ehemalige Führung der Verkehrsbetriebe die Ermittlungen in Gang gesetzt hat.Tatsache aber ist, dass der Aufsichtsrat der Verkehrsbetriebe Lich am Mittwoch abberufen hat. Initiiert hat dies der Vorstandsvorsitzende der Betriebe, der bürgerdemokratische Politiker David Vodrážka:
„Der Aufsichtsrat hat die Abberufung von Lich gebilligt, weil er unserer Meinung nach Fehler im Management begangen hat. Zehn der zwölf Aufsichtsratsmitglieder stimmten für die Abberufung.“
Vodrážka ist schon lange Mitglied der Bürgerdemokraten in Prag. Er gehört damit den so genannten alten, manche sagen: korrupten Strukturen an, die Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda eigentlich beseitigen will. Svoboda ist selbst auch Bürgerdemokrat und hatte Lich als Direktor der Verkehrsbetriebe installiert. Er verteidigt ihn:
„Nach der Analyse aller Unterlagen zu der Sache weiß ich, dass Lich keineswegs als Manager versagt hat. Dies ist also nicht der wahre Grund für die Abberufung von Herrn Lich.“Svoboda hält vor allem eine Auseinandersetzung zwischen Vladimír Lich und dem Aufsichtsrat für den Grund der Abberufung. Der Oberbürgermeister hat daher die Verkehrsbetriebe aufgefordert, eine Generalvollversammlung einzuberufen. Lich geht in seiner Analyse aber noch einen Schritt weiter: Er hält seine Abberufung für einen Angriff auf den Oberbürgermeister. Es scheint, als habe sich in der tschechischen Hauptstadt der Machtkampf verschärft.