Kirchenrestitution als Wahlkampfthema
In die Regionalwahlen vor vier Jahren zogen die tschechischen Sozialdemokraten mit dem Versprechen, die kurz zuvor von der bürgerlichen Regierung eingeführten Gebühren im Gesundheitswesen in Höhe von 30 Kronen aufzuheben. In der Folge erreichten sie ihr historisch bestes Wahlergebnis. Nun versuchen sie ihr Resultat von damals mit einem ähnlich emotional beladenen Thema zu wiederholen: der geplanten Rückgabe des Kircheneigentums.
Die so genannte Restitution des Kircheneigentums ist äußerst umstritten. Während die regierenden bürgerlichen Parteien darin einen Akt der historischen Wiedergutmachung sehen, laufen die linksgerichteten Parteien dagegen Sturm. Die Sozialdemokraten wollen nun mit diesem Thema die Wähler vor den bevorstehenden Wahlen zu ihren Gunsten mobilisieren - wohl wissend, dass eine klare Mehrheit der tschechischen Gesellschaft die Restitution ablehnt. Die sozialdemokratische Wahlkampagne hat die insgesamt 17 Kirchen und Glaubensgemeinschaften, die an den Verhandlungen mit der Regierung beteiligt waren, zu einer ungewohnt scharfen Reaktion veranlasst. Es war von versuchter Spaltung der Gesellschaft die Rede oder von antikirchlicher Hetze, wie sie früher von den Kommunisten betrieben wurde. Joel Ruml ist der Vorsitzende des Ökumenischen Kirchenrats, der die protestantischen Kirchen Tschechiens vereint. Gegenüber dem Tschechischen Rundfunk sagte er:
„Die Gläubigen dieses Landes sind in einer gewissen Weise zu Geiseln einer politischen Auseinandersetzung geworden. Als diese Plakate auftauchten, sind wir zum Schluss gekommen, dass wir nicht diejenigen sein dürfen, die sich alles gefallen lassen. Wir haben vielmehr die Notwendigkeit gesehen uns zu äußern, wenn dieses Thema zweckentfremdet und in die Politik hineingezogen wird.“
In der Vergangenheit gab es schon mehrere Versuche, das Problem der Kirchenrestitution zu lösen. Sie scheiterten allerdings immer am mangelnden politischen Willen. Dabei geht es nicht nur um ideologisch motivierte Fragen, ob die Kirchen hierzulande „reich“ oder „arm“ sein sollen. Damit verbunden sind vielmehr auch praktische Probleme, mit denen viele tschechische Kommunen zu kämpfen haben: Falls sich auf ihrem Gebiet Eigentum befindet, das früher im Besitz der Kirchen war, ist dieses per Gesetz blockiert. Die Kommunen können diese Liegenschaften nicht in ihre Flächennutzungsplanung einbeziehen und können dort zum Beispiel auch keine Infrastrukturprojekte verwirklichen.
Bei der nun kritisierten Vorlage geht es aber auch noch um etwas anderes, wie der Sekretär der Föderation der jüdischen Gemeinden in Tschechien, Tomáš Kraus, im Gespräch mit dem Tschechischen Rundfunk erläutert hat:„Wenn man die Restitutionssumme, die auf den ersten Blick riesig erscheint, auf einen Zeitraum von 30 Jahren verteilt, dann sieht die Sache schon anders aus. Vor allem sollte man nicht vergessen, dass nach dieser Zeitspanne es zu einer Trennung zwischen Staat und Kirchen kommen soll.“
Das bedeutet auch, dass danach der Staat nicht mehr regelmäßig für den Unterhalt von Pfarrern und Weiteres aufkommen muss.
Die Sozialdemokraten ihrerseits lehnen die Kritik der Kirchen und der Glaubensgemeinschaften ab. Aus ihrer Sicht sollen die Plakate eine gesellschaftliche Debatte in Gang setzen, die in Tschechien bislang gefehlt habe. Ebenso lehnen sie den Vorwurf ab, sie würden einer Entschädigung für das von den Kommunisten konfiszierte Kircheneigentum im Wege stehen. Dazu der Vorsitzende der tschechischen Sozialdemokraten, Bohuslav Sobotka:
„Die Restitution ist ein rein politisches Abkommen zwischen den Regierungsparteien und den Kirchen, und angesichts der Größe der Summe, die dafür aus dem Staatshaushalt bereitgestellt werden soll, ist das sicherlich ein Thema, bei dem eine öffentliche Debatte völlig legitim ist. Das Ganze ist sehr zweifelhaft, weil es sich auf keinen breiteren gesellschaftlichen Konsens berufen kann, ebenso wenig wie auf eine Einigung zwischen Regierung und Opposition. Die Sozialdemokraten versuchen, auf die Risiken aufmerksam zu machen, die damit zusammenhängen.“
Am meisten beanstandet wird von der Opposition, dass für jenes Eigentum, das der Staat nicht mehr physisch zurückgeben kann, eine Entschädigung in der Höhe von 59 Milliarden Kronen (2,4 Milliarden Euro) gezahlt werden soll. Das bezeichnen die Sozialdemokraten als Geschenk an die Kirchen, weil anhand des beschlossen Verteilungsschlüssels auch jene Glaubensgemeinschaften profitieren sollen, die in der Vergangenheit kein Eigentum besaßen und somit auch nichts zurückerstattet bekommen sollten - weder in der Gestalt von konkreten Gütern, noch in Form von Ausgleichszahlungen. Was wäre die Alternative aus der Sicht der tschechischen Sozialdemokraten?„Wir glauben nicht, dass es möglich ist, die Kirchen vom Staat völlig zu trennen. Die Kirchen wirken nämlich oft in Bereichen wie dem Schul- oder Gesundheitswesen, wo sie auch weiterhin vom Staat einen gewissen Teil der Mittel erhalten werden. Wir schlagen daher die Schaffung eines öffentlich-rechtlichen Fonds vor, der von den Kirchen praktisch verwaltet würde. Aus seinen Erträgen könnten die Kirchen ihre gemeinnützigen Tätigkeiten finanzieren. Unseres Erachtens wäre so etwas angemessener, als den Kirchen die besagte große Summe auszubezahlen“, sagt Bohuslav Sobotka. Von den Kirchen wie von den Regierungsparteien wird dieser Gegenvorschlag abgelehnt. Sie kritisieren vor allem den Umstand, dass dieser Fonds vom Staat eingerichtet und beaufsichtigt würde. Damit würde der Staat weiterhin die Kontrolle über die Tätigkeit der Glaubensgemeinschaften behalten und könnte – im Extremfall – versuchen, ihre Tätigkeit zu beeinflussen. Kirche und Staat wären dann praktisch nicht getrennt.Der Kommentator Jiří Leschtina von der Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny findet jedoch noch einen weiteren Grund, warum er das sozialdemokratische Gegenmodell zur Finanzierung der Kirchen ablehnen würde:
„Es ist, denke ich, kein wirklich seriöser Vorschlag. Die Linken hatten historisch gesehen nie ein Verhältnis zu den Kirchen. Die Sozialdemokraten schlagen zwar vor, dass die Kirchen einen Fonds verwalten könnten, aus dem sie ihre gemeinnützigen Tätigkeiten finanzieren, aber die Errichtung und Leitung des Fonds wäre Aufgabe des Staates. Wie schlecht der Staat solche Fonds leitet, wissen wir spätestens seit der Privatisierung in den frühen 1990er Jahren. Und auch die aktuellen Beispiele über undurchsichtige Machenschaften beim Liegenschaftsfonds oder jenem für den Ausbau von Verkehrsinfrastruktur sprechen Bände. Das Problem der Fonds ist, dass immer wieder staatliche Gelder zweckentfremdet wurden. Deshalb sehe ich darin einen gefährlichen Vorschlag.“