RWE-Manager: Nationale Energiepolitiken stehen grundlegender Energieversorgung im Weg

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Durch deutschen Ökostrom, der auf dem Weg von den Windrädern im Norden nach Süddeutschland auch durch das tschechische Netz geleitet wird, war es in jüngerer Vergangenheit wiederholt zu einer Netz-Überlastung in Tschechien gekommen. Politiker in Tschechien malten deshalb auch schon einmal die Gefahr eines Black-outs an die Wand. Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte aber bei ihrem jüngsten Prag-Besuch, dass Deutschland dem Nachbarland bei der Stärkung seines Hochspannungsnetzes helfen werde. Mit E.ON und RWE sind zwei starke deutsche Energiekonzerne zudem schon länger auf dem tschechischen Markt. Und auf einer Konferenz in Prag wurde auch darüber debattiert, worin die eigentlichen Probleme in der europäischen Energieversorgung der Gegenwart liegen.

Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechichsen Rundfunks - Radio Prag
Die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Dräger-Stiftung hatten am Montag in Zusammenarbeit mit dem tschechischen Regierungsamt und der Deutschen Botschaft Prag zu einem Deutsch-Tschechischen Dialog geladen. Bei dieser Konferenz wurden auch wirtschaftlichen Fragen erörtert, darunter das Thema der vierten Gesprächsrunde: Perspektiven der europäischen Wirtschaft in Krisenzeiten – Chancen für Deutschland und Tschechien. Einer der Redner, energie z obnovitelnych zdroju der Vorstandsvorsitzende der RWE-Gruppe für Mittel- und Osteuropa, Martin Herrmann, schilderte zunächst die gegenwärtige Situation am europäischen Energiemarkt:

Martin Herrmann  (Foto: Archiv RWE)
„Wir sehen dort ein Konglomerat von nationalen Energiepolitiken, die nicht so recht zusammenzupassen scheinen. Die Bestrebungen Europas, Märkte zu regulieren und hinterher einen gemeinsamen Markt zu schaffen, lassen sich bei vielen nationalen Energiepolitiken natürlich relativ schwer realisieren.“

Weil es also an einer europaweiten Konzeption beziehungsweise an einer gemeinsamen Sprache in der europäischen Energieversorgung fehlt, steckten die internationalen Energiekonzerne immer wieder in einem Dilemma, sagte Herrmann:

„Wenn man keine gemeinsame Sprache dabei hat, tun wir uns schwer, darüber zu entscheiden, in welchem Land wir denn in welchen Energieträger investieren wollen. Wenn wir eine Entscheidung getroffen haben, in was wir investieren wollen, müssen wir uns im Rückblick fragen, ob es denn auch die richtige Entscheidung war. Das sind ganz elementare Fragestellungen, vor denen wir stehen.“

Foto: Europäische Kommission
Selbst in den beiden Nachbarstaaten Deutschland und Tschechien werden sein RWE-Konzern und die Konkurrenz vor unterschiedliche Herausforderungen gestellt, betonte Herrmann:

„In Deutschland heißt es ´Raus aus der Kernenergie´, Tschechien hingegen ist eines der europäischen Länder, die nun ganz massiv auf Kernenergie setzen. Wenn man sich die verschiedenen Überlegungen zur Energiekonzeption des tschechischen Staates anschaut, sieht man, dass die Kernenergie dort eine ganz dominierende Rolle spielt.“

Martin Herrmann benannte aber noch ein weiteres Problem, vor dem die Energiebranche derzeit steht:



Gaskraftwerk
„Es bereitet uns Sorge, dass der Markt und unsere Industrie immer stärker reguliert werden. Die Regulierungsintensität ist so groß, dass Sie, wenn Sie eine Investition vertreten müssen, die 30 oder mehr Jahre durchträgt, kaum noch eine fundierte Investitionsentscheidung treffen können, weil die Schlagzahl der Regulierungseingriffe immer größer wird. Ein Kraftwerk, das einmal steht, aber soll möglichst uneingeschränkt und ständig Energie erzeugen.“

Diese und weitere Hürden hätten dann auch dazu geführt, dass RWE die Überlegung, in Tschechien ein umweltfreundliches Gaskraftwerk zu bauen, vorerst auf Eis gelegt hat. Zu den Gründen dieser Entscheidung sagte Herrmann:

„Wir haben zwei Dinge in dem ganzen Prozess festgestellt: Erstens, es ist unglaublich schwierig, große Investitionen strategischer Art in Tschechien zu realisieren. Wir hätten überall bauen sollen, nur nicht an der Stelle, an der wir es gerne getan hätten. Das war neben einem großen Umspannwerk, weil wir natürlich auch verschiedene Anforderungen haben: Wir brauchen Gas, wir brauchen Strom zum Abtransportieren, wir brauchen Wasser für die Kühlung. Es gibt dafür nicht so viele Standorte im Land, wo man das machen kann. Das haben wir also nicht lösen können.

Wir hätten es aber auch dann nicht gebaut, wenn wir das legislative oder genehmigungsrechtliche Problem gelöst bekommen hätten, weil der Business Case nicht mehr aufgeht. Er geht deswegen nicht mehr auf, weil die Wahrscheinlichkeit, dass man mit einem Kraftwerk genügend Volllaststunden erzielt, aufgrund der Vielzahl von zugebauten erneuerbaren Energien immer weiter nach unten geht. Wenn Sie im Extremfall ein Gaskraftwerk haben, das nur zehn oder hundert Stunden im Jahr läuft, dann müssten Sie in diesen Stunden so viel verdienen, um die gesamten Kosten des Kraftwerks zu bezahlen. Das funktioniert natürlich nicht.“

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Mit anderen Worten: Die unterschiedlichen Prioritäten, die in der Energiepolitik der einzelnen EU-Länder gesetzt werden, führen zwangsläufig auch dazu, dass sich einige Arten der Energiegewinnung mithin im Wege stehen. Oder aber die unterschiedlichen Energiesysteme beschwören zum Teil auch kuriose Situationen herauf, wie die eingangs bereits erwähnten Stromspitzen in Tschechien. Martin Herrmann schilderte es an einem Beispiel:

„Auf der einen Seite gibt es unglaublich viel Windstrom, der in Deutschland erzeugt wird und seine Abnehmer sucht. Wenn wir unheimlich viel Wind haben, dann stehen da tausende von Wind erzeugte Megawatt in Deutschland, und der Strom schwappt quasi über die Grenze nach Tschechien hinein. Das tschechische System ist auf derartige Spitzen eigentlich nicht ausgerichtet. Der Strom transitiert so durch Tschechien bis nach Österreich hinein, wo man sich freut. Denn bei viel Wind sind in Deutschland die Strompreise sehr niedrig, manchmal sogar negativ, so dass man noch Geld bezahlt bekommt, wenn man Strom abnimmt. Hat man in Österreich zudem ein Pumpspeicherkraftwerk, dann nutzt man den Strom und pumpt das Wasser hoch in den Pumpspeicher und wartet darauf, dass in Deutschland irgendwann mal kein Wind weht. Dann sind die Preise nämlich hoch. Man öffnet folglich die Schleusen, die Generatoren erzeugen Strom, und den Strom verkauft man dann für extrem hohe Preise wieder nach Deutschland. Also den Strom, den man vorher geschenkt bekommen hat oder für den man vielleicht sogar noch Geld erhalten hat. Tschechien hat im Grunde nichts davon, weil es als Transitland quasi ´missbraucht´ wird. Das sind sehr simpel formuliert die Zustände, die wir haben.“

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Um diesen Zustand zum Positiven zu ändern, müssen folglich länderübergreifende Lösungen gefunden werden, bemerkte Herrmann:

„Die Bilateralität hilft uns hier auch nicht weiter. Nur auf deutsch-tschechische Beziehungen zu schauen, ist nicht die Lösung. Wir brauchen den großen Wurf in Europa, wenn man die Energiewende schaffen will. Wenn man erneuerbaren Energien einen größeren Raum geben will, dann muss man hier etwas tun, was verlässlich ist. Man darf die Rahmenparameter nicht permanent ändern, nur dann werden wir auch die Investitionen sehen, die so nötig sind, um eine Energiesicherheit und eine wirklich saubere Energieversorgung sicherstellen zu können.“

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Die meisten Länder in Europa setzen aber weiterhin auf eine gesicherte Energieversorgung im eigenen Land, wohl auch deshalb, weil das Vertrauen in eine stabile und kostengünstige Energiezufuhr aus dem Ausland immer noch nicht vorhanden ist. Gegenüber Radio Prag äußerte Herrmann, was seiner Meinung nach dagegen zu tun sei:

„Ich denke, die wesentliche Voraussetzung ist, dass man die Zusammenschaltung zwischen den einzelnen Ländern verstärkt. Es gibt immer noch Engpässe, insbesondere auf der Stromseite zwischen den einzelnen Ländern. Wenn sie fast physisch unbeschränkt Strom in die eine oder andere Richtung transportieren können, dann ist der Standort eines einzelnen Kraftwerks nicht mehr so entscheidend. Wenn sie Engpässe haben, dann ist das natürlich ein Thema, das man lösen muss.“

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Der Vorstandsvorsitzende der RWE-Gruppe für Mittel- und Osteuropa vergaß in diesem Zusammenhang jedoch nicht darauf zu verweisen, wie ein extremer Engpass schon einmal erfolgreich gelöst wurde, und zwar vor gut drei Jahren:

„Bei der Gaskrise im Jahr 2009 haben wir zum ersten Mal gesehen, dass die wichtige Leitung durch die Ukraine komplett geschlossen war. Die Slowakei hat aus dieser Richtung gar keine Mengen mehr bekommen und wir mussten zum ersten Mal sicherstellen, dass Gas aus dem Westen in den Osten durch Tschechien in die Slowakei transportiert wird. Wir haben damals Mengen genommen, die zum Teil über Deutschland nach Tschechien gekommen sind, und wir haben auf große Gasspeicher und Vorräte zurückgegriffen, die wir im Land vorhalten.“

Martin Herrmann glaubt andererseits aber, dass sich derartige Krisen in Zukunft nicht wiederholen werden, weil jedes Lieferland Interesse daran habe, seine Produkte abzusetzen und sicher von A nach B zu bringen.