Politologe Schuster: Es ist gut, wenn Deutschland und Tschechien über strittige Fragen reden
Am Dienstag wird die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem kurzen Arbeitsbesuch in Prag eintreffen. Auf ihrem Programm wird neben Unterredungen mit Premier Petr Nečas und Präsident Václav Klaus auch eine Diskussion mit tschechischen Studenten über die Zukunft der Europäischen Union auf dem Programm stehen. Aber auch die unterschiedlichen Haltungen beider Länder zur Energiepolitik werden zur Sprache kommen. Der Besuch der Kanzlerin, die vor vier Jahren das letzte Mal die Tschechische Republik besuchte, wird darüber hinaus aber wohl auch die Gelegenheit für eine Bilanz der deutsch-tschechischen Beziehungen bieten. Schließlich kann man in diesem Jahr sowohl auf den zwanzigsten Jahrestag der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags als auch auf die Unterzeichnung der Deutsch-Tschechischen Erklärung aus dem Jahr 1997 zurückblicken. Über die Themen von Merkels Prag-Besuch hat Lothar Martin mit dem Politologen und Radio-Prag-Mitarbeiter Robert Schuster gesprochen.
„Ja, in der Tat, Tschechien ist aus Sicht der deutschen Bundesregierung kein einfacher Partner, was bemerkenswert ist, wenn man sich anschaut, wie stark Tschechien und Deutschland wirtschaftlich miteinander verflochten sind. Außerdem gibt es zwischen Tschechen und Deutschen keine wesentlichen mentalen Unterschiede. Man darf allerdings nicht vergessen, dass beide Themen, sowohl der europäische Fiskalpakt als auch die Energiepolitik Themen mit einem offenen Ende sind. Tschechien hat in seiner Energiepolitik beziehungsweise in den Strategiepapieren, die bislang bekannt wurden, einen sehr ehrgeizigen Plan vorgestellt. Laut diesen Papieren sollen bis 2050 mehr als 80 Prozent des gesamten Stroms, der in Tschechien erzeugt wird, in Atomkraftwerken produziert werden. Da kommt natürlich die Frage auf, ob so ein ehrgeiziger Plan auch wirklich durchführbar ist. Die zweite Problematik stellt sich bezüglich des Fiskalpakts. Die jetzige tschechische Regierung erklärt, so lange sie im Amt ist, werde sie den Fiskalpakt nicht unterzeichnen. Dadurch könnte es natürlich bei den nächsten Wahlen zu einer Regierungsänderung kommen, da bereits schon jetzt einige Parteien in Tschechien, wie zum Beispiel die Sozialdemokraten, den Beitritt Tschechiens zum Fiskalpakt klar unterstützen.“
Ist es zu erwarten, dass es bei den beiden strittigen Fragen doch irgendwie zu einer Annäherung kommen könnte?„Zu einer Annäherung wird es sicher nicht kommen, denn dazu ist die tschechische Position zu eindeutig, ich würde fast schon sagen, sie ist zu verfahren. Das ist allerdings meine persönliche Meinung. Wichtig ist, dass in diesem Kontext überhaupt über die strittigen Themen gesprochen wird. Dass nicht so getan wird, als gäbe es nur eitel Sonnenschein zwischen Prag und Berlin. Und dass man sagt: Gut, es gibt unterschiedliche Meinungen, wir akzeptieren diese und werden darüber sprechen, wir versuchen aber dennoch irgendwie einen Faden zu finden. Deutschland weiß natürlich, dass das tschechische Nein zum Fiskalpakt nicht gleichbedeutend ist wie seinerzeit der Widerstand des tschechischen Präsidenten bezüglich des Lissabon-Vertrags. Damals stand aufgrund dieser fehlenden Unterschrift von Präsident Václav Klaus der ganze Vertrag lange Zeit auf der Kippe. Der Fiskalpakt aber muss nicht von allen Mitgliedsländern der Europäischen Union unterzeichnet werden. Er kann auch mit einer relativen Mehrheit in Kraft treten. Somit ist dieses ganze Projekt nicht gefährdet. Auf der anderen Seite hat Angela Merkel schon im Vorfeld ihres Besuchs die Sparmaßnahmen und die Anstrengungen der tschechischen Regierung gewürdigt. Das Vorhaben der tschechischen Regierung, den Haushalt zu sanieren, verläuft praktisch in die gleiche Richtung wie die des europäischen Fiskalpakts. Dank dieser Schuldenbremse wird demnach gut gewirtschaftet, was die Tschechen ohnehin schon tun.“
Wie ist es generell um die Beziehungen beider Länder bestellt?„Sicherlich sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien heute weitaus entspannter als vor zehn- oder fünfzehn Jahren. Es ist aber fraglich, ob das der Verdienst der Politiker ist, die immer wieder betonen, wie gut es um diese Beziehungen bestellt ist. Es läuft vieles geräuschlos ab. Es ist in den vergangenen 20 Jahren ein sehr dichtes Netz an verschiedenen Initiativen und Partnerschaften geknüpft wurden. Und wichtig ist, dass dieses Netz eine Basis für die deutsch-tschechischen Beziehungen bietet, die auch deshalb nicht so leicht von Politikern beider Länder thematisiert werden können. Es gab Zeiten in Tschechien, in denen zum Beispiel jeder Wahlkampf mit antideutschen Tönen bestritten wurde. Wahlkämpfe, bei denen gewisse politische Parteien sowie Politiker versucht haben, Stimmen gut zu machen und Wähler zu mobilisieren. Das würde es meiner Meinung nach heutzutage in dieser brachialen Form nicht mehr geben. Das ist schon mal ein sehr positiver Aspekt. Wie sich das alles jedoch weiterentwickeln wird, ist auch eine Frage der Zeit. Es hängt viel davon ab, wie sich der Studentenaustausch zwischen den beiden Ländern entwickelt. Das ist auch eines der Themen, das Kanzlerin Angela Merkel in Prag gemäß der Ankündigungen im Vorfeld thematisieren wird. Ein stärkerer Jugendaustausch und ähnliches, das sind natürlich wichtige Zukunftsfragen.“