Mehr als nur Wissenstransfer: Die Internationale Antikorruptionsakademie
Nicht nur in Tschechien ist der Kampf gegen Korruption ein regelmäßiges Wahlkampfthema. Ebenso regelmäßig füllen zwischen den Wahlen diverse Korruptionsfälle die Zeitungsspalten. Die Bekämpfung der Korruption braucht jedoch einen langen Atem. Der Blick auf das nächste Wahlergebnis oder die Schlagzeile von morgen reicht nicht aus, und nationale Perspektiven müssen durch internationale Zusammenarbeit ergänzt werden. Das entsprechende Know-how kann man neuerdings an der Internationalen Antikorruptionsakademie im österreichischen Laxenburg erwerben. Tschechien ist Gründungsmitglied.
„Es gibt ja das Diktum, wonach Antikorruptionsdienststellen und ihre Mitarbeiter immer dann Probleme bekommen, wenn sie erfolgreich werden, nämlich in den eigenen, sprich nationalen Reihen. Darum ist es sehr wichtig, dass die Korruptionsbekämpfer sehen, dass sie nicht allein sind. Es ist eine wachsende internationale Community, die hier entsteht, und zwar nicht nur im theoretischen Bereich, sondern auch im praktischen.“
Gegründet wurde die IACA als internationale Organisation, mittlerweile hat sie knapp 60 Staaten als Mitglieder gewonnen. Die Tschechische Republik war von Anfang an dabei.„Tschechien war einer der ersten Staaten, die bei dieser Initiative mitgemacht haben. Uns freut es, dass Tschechien hier mit dabei ist. Über die politische Ebene hinaus sind wir auch auf der fachlichen Ebene mit einigen Dienststellen verbunden. Die Akademie beherbergt auch das Sekretariat für das europäische Kontaktstellennetzwerk bzw. das europäische Netzwerk der Antikorruptionsdienststellen. Auch über dieses EPAC-Netzwerk (European Partners Against Corruption, Anm.) haben wir also Kontakt nach Tschechien. Und wir werden hoffentlich auch in den Programmen, die wir hier entwickeln, in den Seminaren und Lehrgängen sowie den akademischen Programmen, Teilnehmer aus der Tschechischen Republik haben.“
Ein Blick auf die Karte an der Wand zeigt, dass die IACA relativ viele Mitglieder in Lateinamerika hat, in Asien und auch in Afrika. Auch viele EU-Staaten sind bereits beigetreten, die meisten davon gehören zu den neueren Mitgliedsländern der Europäischen Union. Martin Kreutner sieht dafür zwei Gründe:„In der Korruptionsdiskussion gibt es das Phänomen, dass Korruption immer nur die Anderen betrifft: Ich bin nicht korrupt, aber Sie sind korrupt. Wenn wir beide nicht korrupt sind, dann sind es die Leute draußen auf der Straße. Aber noch viel lieber ist es uns, wenn es irgendjemand ganz weit weg ist. Außerdem hat man hat insbesondere bei Staaten, die in so genannten Transformationsprozessen bzw. im Aufbruch sind, das Gefühl, dass hier etwas in Bewegung ist. Dass sie erkennen, dass Korruption wirklich ein Problem darstellt, und dass sie wirklich etwas ändern wollen.“
Die wohl bekannteste Organisation im Bereich der Korruptionsbekämpfung ist Transparency International. Der Direktor ihrer tschechischen Filiale, David Ondráčka, bewertet die Entstehung der IACA klar positiv. Und er ist froh, dass auch Tschechien mit von der Partie ist. Internationale Zusammenarbeit und der Austausch von Erfahrungen seien im Kampf gegen Korruption unverzichtbar, bestätigt auch Ondráčka. Die Rolle von Korruption in Transformationsgesellschaften nimmt er jedoch eher kritisch wahr. Nicht zuletzt im Hinblick auf seine Heimat Tschechien:„In den letzten 20 Jahren haben wir ein postkommunistisches Syndrom erlebt. Die Transformation verlief ziemlich wild, die Dinge liefen oft unvorbereitet und unreguliert, und oft war es schwer, zu seinem Recht zu kommen. Ein großer Teil der Öffentlichkeit hat daher das Gefühl, dass einige Leute zu unrecht sehr reich geworden sind.“Die Goldgräberstimmung der frühen Nachwendezeit ist vorbei. Viele junge Menschen, fürchtet Ondráčka, hätten aber gerade deshalb das Gefühl, noch schnell etwas nachholen zu müssen. Sie wollen auch für sich ein Stück vom mittlerweile kleiner gewordenen Kuchen abschneiden. Dennoch hätte sich in den letzten Jahren vieles zum Positiven verändert, und Ondráčka ist weiter optimistisch:
„Ich bin überzeugt, dass junge Menschen, die andere Erfahrungen gemacht und eine andere Ausbildung genossen haben als frühere Generationen, insgesamt auch anspruchsvollere Erwartungen an den Staat und die Dinge des öffentlichen Lebens haben werden.“Wirklich messen lässt sich das Ausmaß von Korruption in einem Staat natürlich nicht. Aber es gibt Anhaltspunkte. Zum Beispiel den so genannten Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perception Index, kurz CPI). Dabei wird erfasst, wie die Menschen im eigenen Land die Ausbreitung von Korruption wahrnehmen. 2011 lag Tschechien von 183 bewerteten Staaten auf Platz 57 – gemeinsam mit Namibia und Saudi-Arabien. Für David Ondráčka kein Ergebnis, mit dem man zufrieden sein kann:
„Wir sollten uns vor allem mit unseren Nachbarn und anderen Ländern der EU vergleichen, und hier liegen wir im letzten Drittel. Die Situation ist also nicht gut. Der Index bildet zwar nur die Wahrnehmung der Korruption ab, ist also gewissermaßen subjektiv und muss daher vorsichtig interpretiert werden. Dennoch glaube ich, dass er ein recht plastisches Bild des Staus quo gibt.“Martin Kreutner von der Antikorruptionsakademie in Laxenburg sieht das ähnlich:
„Man darf den CPI, also den Korruptionswahrnehmungsindex, der jährlich von Transparency International herausgegeben wird, nicht zum allein selig machenden Parameter hochstilisieren. Wenn Sie sich den CPI aber in Summe anschauen, dann werden Sie sehen, dass er im Großen und Ganzen die Erfahrungen wiedergibt, die man macht, wenn man in die entsprechenden Länder fährt.“
Ein Problembewusstsein ist in Tschechien sicher vorhanden, wie nicht nur die Mitgliedschaft bei der IACA beweist. Auch die täglichen Diskussionen auf der politischen Bühne zeigen, dass das Thema nicht einfach wegzuleugnen ist, dass die Menschen sich mehr und mehr dafür interessieren. In der globalisierten Welt ist außerdem auch die Korruption grenzüberschreitend geworden. Politik und Forschung sind also gut beraten, sich nicht auf nationale Nabelschau zu beschränken.Die Internationale Antikorruptionsakademie bietet dieses Jahr zum ersten Mal ein Masterstudium an. Zum Programm gehören unter anderem internationale Gesetzgebung, Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften sowie Vermittlung von Know-how aus der Praxis. Das Studium richtet sich an Menschen, die bereits einen akademischen Abschluss und einschlägige Berufserfahrung haben. Nach 18 Monaten gibt es dann einen Abschluss als Master in Anti Corruption Studies.
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