Kampf gegen Korruption: In Tschechien tritt Whistleblowergesetz in Kraft
Firmen und Ämter in Tschechien müssen seit Dienstag strengere Antikorruptionsregeln einhalten. Für Whistleblower – also Menschen, die unlautere Praktiken des Arbeitgebers melden – gilt nun ein besserer Schutz vor Kündigung oder anderen Vergeltungsmaßnahmen.
Nach Angaben des tschechischen Justizministeriums ist jeder zweite Mensch im Land schon einmal auf unlautere Praktiken seines Arbeitgebers gestoßen. Dabei kann es sich um die Umgehung von Vorschriften handeln, um Verstöße gegen das Arbeitsgesetz oder auch Korruption und Unterschlagung von Finanzen. Die meisten Menschen behalten die Beobachtungen für sich. Nicht aber Ondřej Závodský. Er wurde 2005 zu einem der wenigen bekannten Whistleblower in Tschechien. Als Leiter der Dienststelle des Innenministeriums machte er wiederholt auf verdächtige Vertragsabschlüsse aufmerksam. Weder der Minister noch die Polizei gingen dem jedoch nach, stattdessen verlor Závodský seinen Posten.
Hätte es damals schon ein Gesetz wie das jetzige gegeben, wäre sein Fall ganz anders ausgegangen, sagte Závodský in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Die Instrumente, die das neue Gesetz einführt, sind sehr eindeutig. So etwa das Verbot von Vergeltungsmaßnahmen auf arbeitsrechtlicher Ebene, wie ein Rauswurf oder eine Versetzung. Ich muss aber auch sagen, dass es ohne die mediale Darstellung mehrerer Beispiele von Whistleblowern nicht zu dem Gesetz gekommen wäre.“
Am Dienstag sind in Tschechien also Regelungen in Kraft getreten, die Whistleblower nicht nur vor einer Kündigung oder auch Schikane am Arbeitsplatz schützen sollen. Firmen und Verwaltungsorgane müssen vor allem ein internes System zur Verfügung stellen, über das Mitarbeiter unlautere Praktiken oder Korruption melden können. Dies müsse in jeglicher Form, also schriftlich, mündlich, direkt oder indirekt, ermöglicht werden, erläutert der stellvertretende Justizminister Antonín Stanislav (Bürgerdemokraten):
„Der Schutz besteht aus einer Reihe strenger Verbote von Vergeltungsmaßnahmen und der Bewahrung von Vertraulichkeit bei allen Angaben über die Identität des Anzeigenden sowie bei weiteren Informationen, die die Meldung enthält.“
Anonymität ist allerdings nicht garantiert. Ob eine Firma, deren Mitarbeiter intern einen Gesetzesverstoß oder Korruptionsverdacht mitteilt, diese Meldung auch weiterhin anonym behandelt, liegt in ihrem Ermessen. Immerhin sei die Firmen- oder Verwaltungsleitung nun aber verpflichtet, einem solchen Report nachzugehen, betont der Anwalt Věnek Bonuš von der NGO Rekonstrukce státu (Rekonstruktion des Staates). Mit der Einrichtung eines internen Meldesystems einschließlich eines verantwortlichen Mitarbeiters hängt allerdings auch ein Kritikpunkt zusammen, den Bonuš vorbringt:
„Das Gesetz baut auf jenem Menschen auf, der im Gesetz Vertrauensperson genannt wird. Wenn diese Person schlecht ausgewählt wird, sie die Funktion gar nicht ausüben oder sogar sabotieren will, dann wird das Gesetz in großen Teilen nicht umsetzbar sein.“
Habe ein Whistleblower kein Vertrauen zu dem Zuständigen, könne er sich aber auch an das Justizministerium wenden, räumt Bonuš ein. Ondřej Závodský benennt zudem noch weitere Regelungen, die in Tschechien zum Schutz von Whistleblowern über das neue Gesetz hinaus ausstehen:
„Sie brauchen häufig einen Personenschutz. Sie müssen spüren, dass der Staat tatsächlich auf ihrer Seite steht und dass sie oder ihre Angehörigen nicht bedroht sind. Nötig ist auch ein medialer Schutz. Wenn über jemanden in entwürdigender Weise berichtet wird, weil er etwas gemeldet hat, dann muss klar sein, dass dies eine Schmutzkampagne ist.“
Die am Dienstag eingeführten Regelungen gelten für Gemeinden ab 10.000 Einwohnern, für fast die gesamte Staatsverwaltung sowie für alle Firmen ab 50 Mitarbeitern – wobei Unternehmen mit 50 bis 249 Angestellten noch bis Anfang Dezember Zeit haben, die Gesetzesvorgaben umzusetzen. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission könnte Tschechien durch geschützte Hinweise von Whistleblowern allein im Bereich der öffentlichen Ausschreibungen jährlich sieben Milliarden Kronen (290 Millionen Euro) sparen, die ansonsten etwa als Schmiergelder versumpfen.