Adelsgeschlecht der Pernstein: erst steinreich, dann in die Schuldenfalle getappt
Das tschechische Kulturministerium und das Staatliche Denkmalschutzamt haben im vergangenen Jahr ein Pilotprojekt angestoßen: Landesweit und auch im Ausland wurde das böhmische Adelsgeschlecht der Rosenberger vorgestellt. An das so genannte Rosenberger Jahr knüpft nun das Jahr der Pernštejn oder – auf Deutsch – der Pernstein an. Die Herren von Pernstein sollen im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit noch reicher als ihre Kollegen aus Rosenberg gewesen sein. Besonders ihre Bauten erinnern noch heute an sie, doch es gab in der Familie auch schwarze Schafe, die alles verprasst haben. Nun soll das ganze Jahr über an vielen Orten im Land an das aus Mähren stammende Adelsgeschlecht erinnert werden – Grund genug für ein Porträt der Pernsteins.
„Der Köhler verbrachte die meiste Zeit des Tages außerhalb seiner Hütte. Während seiner Abwesenheit gewöhnte sich ein Auerochse an, täglich die Hütte zu besuchen und das Brot des Köhlers zu essen. Věňava lauerte dem Ochsen eines Tages auf. Als der Auerochse erschien, witterte er zwar den Mann, doch Věňava war schneller und trieb dem Ochsen einen Ring durch die Nüstern. Der Köhler zog das Tier an dem Ring bis nach Brünn, wo gerade der König weilte. Der König wunderte sich über Věňavas Kraft und fragte ihn, was er sich als Belohnung für seine Tapferkeit wünsche. Věňava antwortete, er wünsche sich Freiheit und ein Stück Erde.“
So soll aus dem unfreien Köhler der Edelmann von Pernstein geworden sein, behauptet die Sage. Fakt ist, dass die Herren von Pernstein einen Auerochsen in ihrem Wappen trugen. Doch über die tatsächliche Herkunft des Adelsgeschlechts ist nicht viel bekannt. Als erster Besitzer der Burg wurde im Jahr 1208 in einer Urkunde des Bischofs von Olomouc / Olmütz ein gewisser Stephan von Medlov / Mödlau, Sohn des Gothart, erwähnt. Der Namenszusatz „von Pernstein“ tauchte jedoch erst knapp 80 Jahre später auf.Die Blütezeit der Adelsfamilie beginnt indes an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. Sie ist verbunden mit Wilhelm II. von Pernstein. Es ist die Zeit der böhmisch-österreichischen Auseinandersetzungen, und Wilhelm steht zunächst auf der Seite des neu gewählten Königs Vladislav II. von Böhmen und Ungarn. Er ist damit Gegner des Gegenkönigs Matthias Corvinus. Doch dann wird sein Bruder gefangengenommen. Dazu Petr Svoboda, stellvertretender Leiter und Hauptkastellan beim Nationalen Denkmalschutzamt:
„Nachdem Zdeněk von Sternberg, ein Verbündeter von Matthias Corvinus, Wilhelms Bruder gefangengenommen hatte, blieb diesem nichts anderes übrig, als die Seite zu wechseln. Am Hof von Corvinus in Budapest kam Wilhelm von Pernstein wohl zu großem Reichtum, allerdings wissen wir nicht wie. Als es 1479 zum Frieden kam, arbeitete Wilhelm wieder am Hof von Vladislav. Nun lieh er dem König eine große Summe Geld und erhielt dafür umfangreiche Ländereien. Das heißt, mit Wilhelm wuchs der Pernsteinsche Besitz bedeutend an.“Neben Besitzungen in Mähren kamen auch Ländereien in Ostböhmen hinzu. In der Gegend um Pardubice betrieben die Pernsteins vor allem Fischerei, und das vielleicht noch intensiver als die Herren von Rosenberg, wie manche Quellen behaupten. Zumindest galt die Familie aus Mähren bald noch reicher als das Adelsgeschlecht aus Südböhmen. Am Königshof bescherte ihnen das hohe Ämter. Das Vermächtnis des Reichtums der Herren von Pernstein ist sogar noch heute zu besichtigen. Dazu Duňa Panenková, Hauptkuratorin einer Ausstellung über die Pernšteins, die ab Mai in Prag gezeigt wird:
„Die Pernsteins haben sich durch ihre hervorragende Bautätigkeit in die tschechischen Geschichtsbücher eingetragen. Die Burg Pernstein hat eine vorbildliche märchenhafte Architektur. Pardubice ist wiederum ein bedeutendes Beispiel für die baulich-urbane Verbindung einer Stadt mit dem Sitz eines Renaissance-Fürsten. Und dann natürlich Litomyšl, ein Architektentraum, weil das Schloss praktisch auf der grünen Wiese erbaut wurde.“Vratislav von Pernstein ließ das Schloss Litomyšl / Leitomischl in den Jahren 1568 bis 1581 erbauen. Entworfen wurde es von italienischen Baumeistern im Renaissance-Stil. Vratislav, der lange Jahre am Kaiserhof in Wien das Amt des Oberstkanzlers von Böhmen versah, hat sich aber noch um Weiteres verdient gemacht, ergänzt Petr Svoboda:
„Als junger Mann war Vratislav mit dem späteren Kaiser Maximilian II. auf Kavaliersreise unter anderem in Spanien unterwegs. Danach war er als Diplomat in kaiserlichen Diensten und nahm in dieser Funktion zum Beispiel in London an der Hochzeit des spanischen Königs Philip II. mit Marie von England teil. In Spanien lernte er aber seine Frau kennen, und die brachte die spanische Kultur nach Böhmen. Der damalige Palast der Pernsteins galt deswegen als angesehener spanischer Salon. Auf diese Weise kam aber auch das Prager Jesulein in die heutige tschechische Hauptstadt, was vielleicht nur wenige wissen.“Der ganze Luxus kostete indes viel Geld, über das die Herren von Pernstein immer weniger verfügten. Während Wilhelm II. für seine Leihgeschäfte an den König noch Gegenleistungen erhalten hatte, mussten sich die folgenden Generationen mit Schuldscheinen zufriedengeben. Der König ließ anschreiben, und die Herren von Pernstein liehen sich deswegen ihrerseits Geld, sagt Petr Svoboda. Sie tappten sozusagen in die Schuldenfalle. Vratislav von Pernstein und seine Brüder waren viel zu unerfahren, um ihre Ländereien beieinanderzuhalten. Zum schwarzen Schaf der Familie avancierte Vratislavs Bruder Jaroslav:
„Er verschuldete sich so sehr, dass er nach Italien fliehen musste, das in viele kleine Stadtstaaten aufgeteilt und deswegen unübersichtlich war. 1560 starb er in Italien und ließ seine Gläubiger auf ihren Forderungen sitzen.“Der Niedergang des Adelsgeschlechts hatte begonnen, die Schuldenspirale beendete die Blütezeit. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Der Dreißigjährige Krieg beendete nämlich die Existenz der Pernsteins im Mannesstamme. Oder zumindest die letzten Hoffnungen darauf. Denn Vratislav Eusebius von Pernstein, Enkel des Spanien-begeisterten Vratislav, war schon 37 Jahre alt, als er unverheiratet starb. Er wurde im norddeutschen Tangermünde bei einer Erkundungstour für die Truppen des Feldherrn Tilly tödlich verwundet und hinterließ keine Erben.
In der weiblichen Linie kam es früher bereits zu einer Verbindung mit einem anderen Adelsgeschlecht: den Rosenbergern. Am 11. Januar 1587 heiratete Polyxena von Pernstein den verwitweten Magnaten Wilhelm von Rosenberg. 425 Jahre sind seit der Hochzeit vergangen. Am 11. Januar 2012 haben deswegen das tschechische Kulturministerium sowie Historiker und Kunsthistoriker das Jahr der Herren von Pernstein eröffnet. Duňa Panenková:„Dieses Datum haben wir für die symbolische Übergabe des Stabes vom Rosenberger Jahr zum Pernstein-Jahr erkoren. Dahinter steht ein Programm für die nächsten zehn Jahre. Das Nationale Denkmalschutzamt will ab jetzt jedes Jahr eines der böhmischen, mährischen und schlesischen Adelsgeschlechter vorstellen, die das Land im Laufe von Tausend Jahren beherrscht und verwaltet haben.“
Die Ehe von Polyxena von Pernstein und Wilhelm von Rosenberg blieb im Übrigen kinderlos, bis der Mann 1592 verstarb. Polyxena ging aber eine neue Ehe ein, übertrug den verbliebenen Reichtum auf die neue Familie – und wurde damit zur Stammmutter eines weiteren bedeutenden Adelsgeschlechts der tschechischen Geschichte: der Lobkowicz’.