Tschechen sollen in einem Referendum über Haushaltsdisziplin entscheiden
Einmal in ihrer Geschichte hat die Tschechische Republik eine Volksabstimmung erlebt. Im Jahr 2003 haben die Bürger in einem Referendum ihr „ja“ zum EU-Beitritt des Landes gegeben. Nun scheint es, dass man zum zweiten Mal eine Entscheidung den Bürgern in einem Referendum überlassen wird, und zwar über den Beitritt zu einer EU-Haushaltsunion.
Die Tschechen sollen in einem Referendum über den Beitritt Tschechiens zum Vertrag über die Haushaltsdisziplin entscheiden. Dies hat die tschechische Regierung auf ihrer Sitzung am Mittwoch beschlossen. Durchgesetzt wurde das Referendum durch die Minister von der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) und der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten (VV). Die Top-09-Partei war entschieden dagegen. In der Regierungskoalition ist somit ein neuer Streit entfacht worden. Warum die Top-09-Partei das Referendum ablehnt, begründet Finanzminister und Vizeparteichef Miroslav Kalousek.
„Es gibt zwei sachliche Gründe. Erstens ist es die Kontinuität der Außenpolitik. Ich will nicht leugnen, dass in der EU neue Institutionen auf Zentralebene entstehen und dass es zur gewissen Übertragung der Kompetenzen kommt. Das war aber auch bei der Schließung des Lissabon-Vertrags der Fall, und die Kompetenzübertragung war noch massiver. Trotzdem hat die Tschechische Republik den Lissabon-Vertrag nicht durch ein Referendum ratifizieren lassen.“Außerdem sei es nötig, so Kalousek, dass die Politiker die Verantwortung tragen, die sie nach den Wahlen übernommen haben. Anders sieht die Demokratische Bürgerpartei ODS die Problematik. Ihr stellvertretender Parteichef und Verteidigungsminister Alexandr Vondra sagte:
„Der Text des Vertrags steht noch nicht zur Verfügung. Es scheint aber, dass er dazu führen wird, dass die Bedingungen für das Funktionieren der Eurozone grundlegend verändert werden. Die Bürger haben im Referendum über den EU-Beitritt entschieden, bei dem gewisse Bedingungen festgelegt wurden. Wenn diese Bedingungen nun grundlegend verändert werden, ist es unserer Meinung nach nur fair, dass die Bürger darüber noch einmal entscheiden dürfen.“Die Staaten, die den Vertrag über die Haushaltsdisziplin unterzeichnen, verpflichten sich unter anderem dazu, dass ihre Staatsschulden 60 Prozent und das Jahresdefizit 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Diese Haushaltsregel soll im Grundgesetz des jeweiligen Staates verankert werden. Im Falle, dass sie nicht erfüllt wird, gerät der Staat unter Druck und es drohen Sanktionen von Seiten der EU. Die Problematik ist sehr kompliziert, weshalb es schwierig ist, die Frage für eine Volksabstimmung zu formulieren. Dies bestätigte gegenüber dem Tschechischen Rundfunk der Politologe von der Fakultät der sozialen Studien der Masaryk-Universität in Brünn, Stanislav Balík:
„Ich habe persönlich große Zweifel daran, dass es gelingt, die Frage so zu formulieren, dass sie erstens einen größeren Teil der Wähler fesselt. Und zweitens, dass man die Frage wirklich versteht und weiß, worüber man abstimmt.“Die Entscheidung über die eventuelle Ausschreibung eines Referendums liegt nun am Parlament. Die Top-09-Partei hat bereits angekündigt, auch dort dagegen zu stimmen. Gegen das Referendum spricht sich auch die sozialdemokratische Partei (ČSSD) aus. Um ihr Vorhaben durchzusetzen, müssten sich also die beiden Regierungsparteien, ODS und VV, mit den Kommunisten verbünden.
Premier Nečas verwies nach der Kabinettssitzung am Mittwoch allerdings auch darauf, dass die Regierung für die Behandlung und Unterzeichnung des Vertrags über die Haushaltsdisziplin eine Bevollmächtigung vom Staatsoberhaupt brauche. Präsident Klaus könnte den ganzen Prozess so gleich am Anfang blockieren, da er sich zu dieser Zentralisierungsmaßnahme ablehnend stellt. Er hat bereits früher angekündigt, „in seiner verbleibenden Amtszeit als Präsident nie einen solchen Vertrag zu unterzeichnen“.