K. J. Erben, Europa und Nationalsozialismus sowie Kunst der Roma: Schwerpunkte des Jahres 2012 in München
Der tschechische Dichter des 19. Jahrhunderts Karel Jaromír Erben, eine historische Reihe „Europa und Nationalsozialismus“ sowie zeitgenössische Kunst der Roma in Europa: Das sind drei Schwerpunkte im Programm des Tschechischen Zentrums in München im kommenden Jahr. Mehr erfahren Sie aus dem Gespräch mit der Leiterin des Zentrums, Zuzana Jürgens.
„Es steht zwar Weihnachten bevor, also eine ruhige Zeit, die man am besten mit der Familie oder mit etwas Erholung verbringt. Aber natürlich planen wir schon voraus. Gerne weise ich auf ein paar Programmpunkte hin, auf die ich mich besonders freue. Vielleicht fangen wir gleich mit dem Januar an. In das Programm starten wir mit einem Karel-Jaromír-Erben-Schwerpunkt. Dieser tschechische romantische Dichter und Historiker hätte im Jahr 2011 seinen 200. Geburtstag gefeiert. Zu diesem Anlass ist zum ersten Mal eine deutsch-tschechische Ausgabe seines Buches ´Kytice´ (Der Blumenstrauß) erschienen. Die Illustrationen stammen von der Künstlerin Rut Kohn. Wir werden Illustrationen von ihr im Zentrum zeigen, aber nicht nur die für Karel Jaromír Erben, sondern auch die für Franz Kafka und Jan A. Comenius.“
Werden noch weitere Veranstaltungen Erben gewidmet sein? Sein 200. Geburtstag ist ja ein guter Anlass…
„Wir nutzen diese Gelegenheit um im Rahmen unserer regelmäßigen Filmvorführungen F. A. Brabec´ Film ´Kytice´ zu zeigen. Das ist meiner Meinung nach ein sehr poetischer und farbiger Film. Er wurde zwar schon im Jahr 2000 gedreht, nichtsdestotrotz passt er sehr gut in diesen Rahmen. Außerdem werden wir zusammen mit dem Adalbert-Stifter-Verein aus ´Kytice´ eine deutsch-tschechische Lesung machen. Es gibt dann natürlich auch eine Einführung zum Leben und Werk von Karel Jaromír Erben.“
Wir sollten vielleicht darauf hinweisen, dass die Textsammlung „Kytice“ eines der wichtigsten Werke tschechischsprachiger Literatur des 19. Jahrhunderts ist und zum Kanon der tschechischen Literatur gehört. Wie Sie schon gesagt haben, gibt es auch die Möglichkeit, die Gedichte auf Deutsch zu lesen.
„Genau, das ist sehr wichtig. Die Poesie des 19. Jahrhunderts ist wegen fehlender Übersetzungen in Deutschland eher weniger bekannt. Dabei kennt Karel Jaromír Erbens Balladen aus der Kytice in Tschechien jedes Schulkind, und sie sind auch wirklich beeindruckende Werke, die durchaus vergleichbar sind mit der damaligen Literatur in anderen Teilen Europas.“
Das wäre also der Bereich Literatur. Was planen sie in anderen Bereichen? Vielleicht gibt es aber auch historische Themen?
„Ich würde in diesem Zusammenhang gerne eine Reihe ansprechen, die im März anfängt und bis Ende Juni läuft. Das ist eine eher historische Reihe mit dem Titel ´Europa und Nationalsozialismus´. In diesem Frühjahr ist Tschechien beziehungsweise die Tschechoslowakei der Schwerpunkt. Es finden insgesamt fünf Vorträge von deutschen und tschechischen Historikern statt. Darin geht es um die Anfänge des Protektorats Böhmen und Mähren und die Vorgeschichte in den 30er Jahren, bis hin zur Nachkriegszeit mit der Erinnerungskultur und dem Opfergedenken in Tschechien, aber auch in Deutschland. Die Reihe wird dann mit einer Vorführung des Films ´Der weite Weg´ von Alfred Radok aus dem Jahre 1947 abgeschlossen. Der Film hat eine ganz moderne und vermutlich für viele überraschende Art und Weise, den Holocaust zu reflektieren und darzustellen.“Das ist also eine längere Reihe, die sich durch das ganze Jahr oder zumindest über mehrere Monate ziehen wird…
„Genau, es beginnt im März und die letzte Veranstaltung ist erst Ende Juni. Die Vorträge finden im Gasteig in München, im Vortragsaal der Bibliothek statt. Diese Veranstaltung ist ebenfalls in Kooperation entstanden, nämlich mit den offenen Akademien der Münchner Volkshochschule.“
Gibt es noch etwas im Programm für das nächste Jahr, was sie besonders hervorheben möchten?
„Sie kommen mir entgegen! Es gibt in der Tat noch eine solche Veranstaltung, die auch über einen größeren Zeitraum geht und auf die ich mich wirklich freue, weil wir sie auch schon lange vorbereiten. Es ist ein großes Kooperationsprojekt zur zeitgenössischen Kunst der Roma in Europa mit dem Titel ´Stimmen der Roma´, das hier in München entsteht. Am 19. April beginnt das Projekt und findet ebenfalls im Gasteig statt. Dazu wird es eine öffentliche Diskussion geben mit Teilnehmern aus mehreren europäischen Ländern. Es werden Ausstellungen stattfinden, Filmvorführungen, Konzerte und Lesungen. Unser Ziel ist es, die aktuelle Kunst vorzustellen, also was innerhalb der Romakultur stattfindet - und das ist nicht wenig. Die Roma haben zwar kein eigenes Land, aber sind die größte Minderheit Europas. Wir hoffen natürlich, dass bei den Veranstaltungen deutlich wird, dass Zusammenhänge bestehen und dass gerade ein Aufbruch stattfindet. Um noch einmal kurz auf Karel Jaromír Erben zurückzukommen: In Tschechien spricht man über seine Zeit von der nationalen Wiedergeburt. Ich würde vielleicht wagen, diesen Begriff der Wiedergeburt auch auf die aktuelle Situation der Roma anzuwenden.“Das ist also ein Ausblick auf die Höhepunkte ihres Programms des kommenden Jahres. Kehren wir aber nun noch kurz zur aktuellen Situation zurück. Zum Zeitpunkt unseres Gespräches herrscht in Tschechien gerade Staatstrauer. Am vergangenen Sonntag ist der ehemalige tschechische Präsident Václav Havel gestorben. In München hatte man die Möglichkeit, sich am Generalkonsulat der Tschechischen Republik in ein Kondolenzbuch einzutragen. Wie hat das Tschechische Zentrum darauf reagiert? Haben sie eine Veranstaltung vorbereitet, mit der sie vielleicht des verstorbenen Präsidenten gedenken?
„Es ist nicht lange her, da haben wir die Veranstaltungen zu seinem 75. Geburtstag geplant und durchgeführt. Nun müssen wir gemeinsam mit den Kollegen der anderen Tschechischen Zentren der Welt die Frage stellen: Wie gedenkt man an Václav Havel? In den ersten Monaten des nächsten Jahres werden wir auf jeden Fall an Václav Havel erinnern. Ich würde gerne eine szenische Lesung aus seinen Kurzdramen veranstalten. Außerdem wird es wahrscheinlich zusammen mit dem Collegium Carolinum einen Vortrag geben, der die Ähnlichkeiten von Václav Havel und Tomáš Garrigue Masaryk herausarbeitet. Außerdem soll gezeigt werden, in welcher Art und Weise beide in der Öffentlichkeit aufgenommen werden. Man kann ganz offensichtliche, aber auch versteckte Parallelen finden. Das sind die zwei Veranstaltungen, die ich im Moment plane. Das genaue Datum werden wir spätestens Anfang kommenden Jahres bekanntgeben.“