Tschechien unterstützt deutschen Standpunkt bei Lösung von Bankenkrisen
Die EU steht weiter unter Druck, das Projekt der Eurozone vielleicht schon am Scheideweg. Auf dem zweiten EU-Gipfel binnen vier Tagen soll am Mittwoch in Brüssel der große Befreiungsschlag im Kampf gegen die Schuldenkrise gelingen. Die Tschechische Republik, die kein Euro-Land ist, will dazu beitragen, dass sich endlich mehr bewegt bei der Bewältigung der Krise. Dazu hat die Regierung ziemlich klare Standpunkte, die Premier Petr Nečas und Finanzminister Miroslav Kalousek am Dienstag in Prag erläutert haben.
„Ganz sicher sind wir nicht in der Position derer, die der Eurozone raten könnten, wie sie vorzugehen hat. Sehr augenfällig ist aber, dass eine größere Koordinierung der Fiskal- und Wirtschaftspolitik jetzt auf der Tagesordnung steht. Die Koordinierung muss vor allem auf eine Erhöhung der Fiskaldisziplin zielen und auch festlegen, wie diese Disziplin einzufordern ist. Es hat sich ganz eindeutig gezeigt, dass dies notwendig ist.“
Aufgrund dieser Sichtweise formulierte Nečas auch die tschechische Position für den erneuten EU-Gipfel:„Wir sind überzeugt, dass es notwendig ist, auch den privaten Sektor in die Lösung der staatlichen Schuldenkrise einzubinden. Und was die Tschechische Republik auf jeden Fall unterstützt, ist eine verstärkte Fiskaldisziplin in der Eurozone.“
Dem EU-Währungsgebiet, also der Eurozone, gehören jedoch nur 17 der insgesamt 27 Länder an. Daher werden Fragen, wie die Eurozone zukünftig aussehen wird und welchen Weg die Euro-Länder einschlagen werden, beim EU-Gipfel selbst sicher nicht die Hauptrolle spielen, glaubt Finanzminister Kalousek.
„Das Hauptthema des Gipfels wird sein, nach welchem Mechanismus Banken, deren Bilanzen nicht in bestem Zustand sind, erneut kapitalisiert werden. Es wird also darum gehen, in welcher Weise diese Banken neues Kapital erhalten, um das Vertrauen auf dem Markt zurückzugewinnen.“
Und auch zu diesem Thema habe Tschechien eine klare Position, sagt Premier Nečas:„Ich will es ganz offen sagen: In dieser Hinsicht pflichten wir dem deutschen Standpunkt bei. Das heißt, die Banken, die in Schwierigkeiten stecken, müssen sich zunächst Kapital auf dem Markt suchen, zum Beispiel bei privaten Investoren. Erst wenn sie damit keinen Erfolg haben, können sie die Hilfe der jeweiligen nationalen Regierung in Anspruch nehmen. Und erst in letzter Instanz können sie darauf hoffen, mit europäischen Finanzmitteln versorgt zu werden.“
Da Tschechien eine offene und sehr exportorientierte Wirtschaft habe, sei die Stabilität und Funktionsfähigkeit der Eurozone von nationalem Interesse, zog Nečas noch einmal ein Fazit zur hiesigen Erwartungshaltung für den EU-Gipfel. Mit dem Gipfel allein aber sind die Schuldenkrise sowie andere fiskalische und wirtschaftspolitische Aufgaben nicht zu lösen, weiß man in Tschechien. Deshalb hat sich der Wirtschaftsrat auch explizit damit befasst, in welchen Bereichen das Land noch zulegen muss und welche Hausaufgaben damit verknüpft sind. Die entsprechende Analyse hat Ratsmitglied Vladimír Dlouhý am Dienstag verkündet. Zunächst aber räumte der Wirtschaftsexperte mit dem Vorurteil auf, dass die gegenwärtige Krise vor allem durch die finanzielle Schieflage in Griechenland ausgelöst worden sei. Ihre Ursachen lägen tiefer und zeitlich schon weit vor dem Jahr 2008, betonte Dlouhý:„Es handelt sich um eine Haushalts- und Schuldenkrise, die erzeugt wurde durch die hohen Ansprüche auf der Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte, und zwar in Zusammenhang mit den Strukturen der europäischen Ökonomien und der sozialen Modelle in Europa. Das hat zusammen mit der Bankenkrise dazu geführt, dass die unhaltbaren Defizite und nachfolgend die Schulden immer deutlicher sichtbar wurden. Und das ist nun die Situation, deren Zeugen wir heute sind.“Die EU stehe folglich vor einer Reihe schwieriger Aufgaben, um die Krise zu lösen, sagte Dlouhý. Neben einer Auflistung dieser Aufgaben gab Dlouhý aber auch mehrere Empfehlungen an die tschechische Regierung weiter. Und zwar darüber, welche Dinge sie in nächster Zeit anpacken sollte, um die Anfälligkeit der tschechischen Wirtschaft gegenüber äußeren Schockeinflüssen zu minimieren. Dazu gehörten entsprechende Haushaltsmaßnahmen, eine größere Flexibilität des Arbeitsmarktes, die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und die Vertiefung der Reformen, die man gerade umsetzen wolle. Eine Sache allerdings sei zurzeit nicht notwendig, bemerkte Dlouhý:
„Wir sind der Meinung, dass man sich gegenwärtig nicht explizit mit einer Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der europäischen Währungsunion befassen muss.“
Mit anderen Worten: Die Einführung des Euro in Tschechien ist (vorerst) auch weiterhin kein Thema. Demgegenüber hob Dlouhý hervor:
„Wir konstatieren eindeutig, dass von allen Szenarien über die weitere Entwicklung der europäischen Währungsunion es für Tschechien der schlimmste Fall wäre, wenn die Eurozone zerfallen und es danach zu einer tiefen Rezession kommen würde.“
In diesem Zusammenhang stimme Tschechien einer weiteren Integration der Europäischen Union zu, insbesondere in Bezug darauf, eine schnelle und kurzfristige Zentralisierung der Fiskalpolitik herbeizuführen. Entgegen allen bisherigen Vorbehalten, seine eigenen eingeschlossen, könne man sich in Tschechien nun auch mit der schrittweisen Zentralisierung der EU-Politik anfreunden, sagte Dlouhý und begründete das auch:„Ich bin der Meinung, das ist der Preis, den wir in der gegebenen Lage zahlen müssen. Und zwar deshalb, weil die katastrophale Variante einer weiteren Rezession in Tschechien der wesentlich schlechtere Fall wäre.“
Die Haushalts- und Schuldenkrise hat also in Tschechien auch die Sichtweise zu einigen institutionellen Veränderungen in der Europäischen Union ein klein wenig verändert. Wirtschaftsexperte Dlouhý knüpft daran aber ebenso etwas Hoffnung:„Man darf darauf hoffen, dass die Integration nicht mehr auf dieselbe Weise vorangehen wird, sondern auch für neue Ideen und Gedankenrichtungen offen sein wird. Ich bin der Meinung, dass die Tschechische Republik letztlich ein fester Bestandteil der Europäischen Union ist und immer sein wird. Daher ist es in unserem Interesse, die Prozesse zur Lösung der Krise zu unterstützen.“
Dlouhýs Worte sind wohl so zu deuten, dass nun auch viele der Europakritiker aus Tschechien tatkräftig mit anpacken werden, um die EU nach der Krise auf ein festeres Fundament zu stellen. So unter anderem mit klaren fiskalischen Regelungen, die strikt einzuhalten sind und bei Verstößen auch sanktioniert werden. Dann würde Europa auch gestärkt aus der Krise herausgehen, glaubt Dlouhý.