Regierung beschließt einheitliche Mehrwertsteuer – Kritik von Opposition und Ökonomen

Die tschechische Regierung hat eine Reform der Mehrwertsteuer verabschiedet. Ab dem Jahr 2013 soll dabei ein einheitlicher Mehrwertsteuersatz von 17,5 Prozent gelten. Die Zusammenführung des unteren und des oberen Steuersatzes erfolgt schrittweise. So wird im kommenden Jahr erst einmal die untere Mehrwertsteuer von 10 auf 14 Prozent angehoben. Der obere Wert bleibt aber noch ein Jahr lang bei 20 Prozent. Während die Regierung am Mittwoch dies einstimmig entschied, sind Wirtschaftsfachleute gespaltener Meinung. Klare Ablehnung äußerten die Opposition und die Gewerkschaften.

Es wird vieles teurer in Tschechien, wenn die Regierung ihre Reform der Mehrwertsteuer auch im Parlament durchsetzen kann: Lebensmittel, Medikamente, Bücher und der öffentliche Personennahverkehr zum Beispiel. Denn Ausnahmen vom Einheitssteuersatz soll es nicht geben. Damit werde aber Tschechien selbst zu einer Ausnahme, kritisiert die Opposition:

„Kein Land der Europäischen Union, außer Dänemark, hat einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz. Aber in Dänemark sind Medikamente und weitere Waren mit sozialem Effekt ausgenommen, sie werden gar nicht besteuert“, so Sozialdemokratenchef Bohuslav Sobotka.

Miroslav Kalousek  (Foto: ČTK)
Finanzminister Miroslav Kalousek verspricht sich von dem Einheitssatz weniger Steuerflucht, eine einfache Handhabung und vor allem Mehreinnahmen:

„Mit dieser Änderung sollen Reserven für die Rentenreform angelegt werden“, präzisierte Kalousek am Mittwoch nach der Regierungssitzung.

Denn das Kabinett will, dass die Arbeitnehmer in Zukunft von ihren Abgaben an die gesetzliche Rentenversicherung einen Teil für die private Alterssicherung abzweigen. Die geringeren staatlichen Einnahmen sollen eben über die Mehrwertsteuer kompensiert werden. Dabei denkt Kalousek auch an einen sozialen Ausgleich: Familien mit Kindern sollen Steuererleichterungen erhalten und die Renten entsprechend angepasst werden.

Libor Dušek
Die Rechnung bezahlen aber letztlich sozial schwache Familien, befürchten Opposition und Gewerkschaften – und das auch, weil die Regierung weitere Einschnitte plane. Die Sozialdemokraten wollen deswegen im Abgeordnetenhaus und im Senat, wo sie die Mehrheit haben, gegen die Steuerreform stimmen. Die Gewerkschaften erwägen Protestaktionen.

Glaubt man den Berechnungen von Wirtschaftsexperten, dann dürfte der einheitliche Mehrwertsteuersatz die Haushalte monatlich um rund 200 Kronen mehr belasten. Das sind knapp 8,50 Euro. Doch beziehe sich dies auf das Jahr 2013, betont Libor Dušek vom Prager Wirtschaftsforschungsinstitut CERGE EI:

„Schlimmer ist der kurzfristige Effekt, wenn im kommenden Jahr der obere Satz von 20 Prozent noch bestehen bleibt. Dann erhöht sich die Belastung um 400 bis 500 Kronen, und das dürften die ärmsten Haushalte durchaus spüren.“

Viel mehr aber noch als die kurzfristige Schieflage, beunruhigen den Experten die grundsätzlichen Fehler im System. So werde in Tschechien bisher der Konsum nur vergleichsweise gering besteuert, die Arbeitskraft sei durch Kranken- und Sozialversicherung dagegen unmäßig hoch belastet. Die Mehrwertsteuer anzuheben sei deswegen zwar richtig, sagt Libor Dušek. Sie reiche aber nicht aus:

„Eine Reihe von Wirtschaftsfachleuten, unter ihnen die an unserem Institut und der Nationale Wirtschaftsrat der Regierung, hat empfohlen, nicht nur die Mehrwertsteuer zu vereinheitlichen und erhöhen, sondern zugleich auch die Sozialversicherungssätze zu senken und damit die Besteuerung der Arbeit. Das ist aber in den Regierungsplänen überhaupt nicht zu finden.“

Über die Beschlüsse der Regierung werden demnächst schon die beiden Kammern des Parlaments beraten.