Gießkannenprinzip und Bürokratie: Die tschechische Wissenschaft hat große Mängel

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Erschreckend ineffizient geht es in der tschechischen Wissenschaft zu. Diesen Schluss zieht eine internationale Studie, die in Großbritannien angefertigt wurde. Das Bildungsministerium hat die Ergebnisse der Studie diese Woche vorgestellt. Und seitdem wird heiß diskutiert, was sich ändern muss. Nach Änderungen rufen aber die Wissenschaftler selbst schon lange.

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Die Verfasser der Studie haben kein Blatt vor den Mund genommen. Ihre Botschaft bringt der tschechische Wissenschaftsökonom Daniel Münich auf den Punkt:

„Die Vorwürfe sind sehr grundsätzlich. In der Studie wird sogar gesagt, dass sich fast nirgendwo auf der Welt ein ähnlich absurdes System finden lässt.“

Gleich dreifach kämpft die tschechische Wissenschaft mit massiven Problemen: in der Art wie sie geleitet, wie sie bewertet und wie sie finanziert wird. Die Art der Bewertung bildet dabei den Schlüssel für die Finanzierung. Vorgegangen wird einfach, aber ohne Verstand: So werden Punkte vergeben für die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen, der Patente und dafür, wie häufig ein Wissenschaftler in der Fachliteratur - aber nur der tschechischen - zitiert wird. Diese Herangehensweise sei viel zu mechanisch, kritisiert Münich. Zudem verleite sie die Wissenschaftler zum Betrug:

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„Das Problem ist, dass Zeitschriften gegründet werden, in denen sich bestimmte Gruppen von Wissenschaftlern gegenseitig zitieren. Es gibt auch noch Schlimmeres. So werden Bücher auf mehrere Bände aufgeteilt, um auf eine höhere Zahl an Veröffentlichungen zu kommen. Im Prinzip wird alles Mögliche als Fachliteratur ausgegeben, um eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen.“

Erfunden wurde diese Art der Bewertung vom Regierungsrat für Forschung, Entwicklung und Innovation im Jahr 2004. Ziel war es. die Beamten zu entlasten. Denn der Regierungsrat sollte sich eigentlich zwar um eine Strategie für die Forschungspolitik kümmern, muss aber selbst auch die Gelder verteilen. Eine Funktion, die andernorts die Ministerien innehaben.

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Das gesamte System bemängeln die tschechischen Wissenschaftler selbst schon seit langem. Im Endeffekt würden nicht die Besten unter ihnen und die zukunftsträchtigen Disziplinen unterstützt, sondern das Gießkannenprinzip herrsche vor.

Einen anderen Weg beschreitet indes die Akademie der Wissenschaften. Als einzige wissenschaftliche Institution im Lande, wie Ihr Leiter Jiří Drahoš betont. Ganz ähnlich sollte auch ein mögliches neues System funktionieren, meint er:

Jiří Drahoš
„Es ist eine Bewertung, die Gutachten ausländischer Fachleute kombiniert mit dem Umfang und der Qualität der wissenschaftlichen Arbeiten. Nicht also das berühmt-berüchtigte Gießkannenprinzip, sondern es werden Expertenurteile eingebracht. So wird das in allen zivilisierten Ländern gemacht.“

Der heutige Regierungsrat sieht das ebenso. Im Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks unterschrieb die stellvertretende Ratsvorsitzende Miroslava Kopicová praktisch alles, was die Studie fordert. Prinzipiell solle genauer unterschieden werden bei der Beurteilung wissenschaftlicher Arbeit:

Miroslava Kopicová
„Es geht darum, fachspezifisch zu beurteilen. Ein Beispiel: Während die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung wohl nur dann anerkannt würden, wenn sie in angesehenen Publikationen wie dem Web of Science veröffentlicht werden, würden für die Gesellschaftswissenschaften Bücher als Veröffentlichungsform anerkannt“, so Kopicová.

Aus dem Bildungsministerium heißt es, dass an einem neuen System bereits gearbeitet werde.