„Wir müssen uns öffnen für neue Diskussionen“ – zum 20. Brünner Symposium
Bereits 1991 entstanden die damaligen Iglauer Gespräche. Initiatoren waren die Ackermann-Gemeinde, also der Zusammenschluss sudetendeutscher Katholiken, und die Společnost Bernarda Bolzana, also die Bernard-Bolzano-Stiftung. In den ersten Jahren ging es heiß her vor allem in den Diskussionen über die gemeinsame tschechisch-deutsche Geschichte. Seitdem hat sich dies gewandelt. Die Deutsch-tschechische Erklärung von 1997 und die Gründung des Zukunftsfonds öffneten den Weg für eine bessere Verständigung. Und die rein tschechisch-deutsche Veranstaltung wurde erweiterte sich um einen europäischen Blickwinkel. Am vergangenen Wochenende fand dieser „Dialog in der Mitte Europas“ zum 20. Mal statt, die Konferenz ist mittlerweile nach Brünn umgezogen.
Herr Kastler, das Brünner Symposium, früher Iglauer Symposium oder Iglauer Gespräche, findet ja zum 20. Mal statt. Der Beginn lag noch deutlich vor der Deutsch-tschechischen Erklärung. Was macht diese Veranstaltung unter den vielen weiteren, zum Teil später entstandenen im tschechisch-deutschen Raum Ihre Meinung nach so besonders?
„Zum einen, dass wir von Anfang an ohne Scheuklappen, organisiert von einer tschechischen und einer deutschen Organisation, von der Bernard-Bolzano-Stiftung und von der Ackermann-Gemeinde, miteinander ins Gespräch kamen. Es gab hitzigste Diskussionen, ich war ja als junger Student damals das erste Mal in Iglau noch dabei. Jetzt bin ich das Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde. Und ich stelle fest, das ist der zweite wichtige Punkt: Es hat sich gelohnt, dass man ohne Scheuklappen diskutiert hat. Dann kam die Deklaration, und die Zeiten haben sich natürlich auch geändert, Tschechien ist Mitglied der EU und wir arbeiten gemeinsam gut zusammen. Das sieht man jetzt heute: Die Themenstellungen und die Diskussionen sind durchaus anders. Natürlich wird auch weiter über die Vergangenheit diskutiert, und wie man gewisse Dinge abarbeitet, aber die Kernfragen zeigen die Veränderung. Wie kennen wir unseren Nachbarn? Wie arbeiten wir in Europa zusammen? Wo führt es uns hin, und wo können wir auch gemeinsam in diesem Europa zusammen wirken? Das Besondere ist, dass wir jetzt in die Zukunft schauen, wie wir gemeinsam diese gestalten wollen.“Glauben Sie, dass das genügend Diskussionsstoff und vielleicht auch Zündstoff bietet für weitere Veranstaltungen, oder wo sehen Sie eine Möglichkeit, dieses Symposium weiter am Laufen zu halten und zu bereichern?„Mir ist ganz klar und ich sehe das auch diesmal, beim 20. Jubiläum: Wir müssen uns einfach auch öffnen für neue Diskussionen. Wir müssen überlegen, wie wir unsere Veranstaltungsreihe weiter attraktiv machen, das ist ganz klar. Wir sind hier in Brünn, in einer Universitätsstadt. Wir haben, Gott sei dank, auch junge Beteiligte hier. Auch wenn sie noch nicht so aktiv aus ihrer Rolle herauskommen, noch nicht so in der Diskussion drin sind. Da ist die Frage, wie wir sie mit einem anderen Podium oder mit einer anderen Zusammenstellung, wie wir hier miteinander diskutieren, also mit einer anderen Gestaltung auch einbinden können. Da sehe ich schon die Notwendigkeit uns ein bisschen zu überlegen, wie wir in Zukunft da weitermachen.“
War die Hereinnahme des Essay-Wettbewerbs ins Programm, also die Präsentation der Essays, der erste Versuch, in diese Richtung zu gehen?„Absolut. Hinter dem Essay-Wettbewerb, den ich mit meinem Kollegen Jan Březina ausgerufen habe, stand natürlich die Überlegung, wie können wir mit einer neuen Idee auch versuchen andere Leute, die vielleicht mit unserer Veranstaltung oder mit unseren beiden Organisationen nichts zu tun haben, mit einbinden. Und ich glaube, das ist ganz gut gelungen. Die jungen Leute haben, wie ich finde, schöne Essays geschrieben. Ich habe mich in einigen mich selbst wiedergefunden in meiner Anfangszeit und ersten Erlebnissen. Und ich fand es spannend, wie sie reagieren. Sie sind auch für das Wochenende eingeladen. Ich hoffe, dass dies ein Baustein ist, wie wir hier zukünftig offen sind für neue Fragen und für neue Gesichter.“
Mehr zu der Konferenz sowie Gespräche mit einigen Konferenzteilnehmern, so unter anderem Jiří Gruša, hören Sie am kommenden Samstag in unserer Sendereihe „Kapitel aus der tschechischen Geschichte“.