Koalition der Konflikte: Regierung streitet weiter wegen Vondra
Dass in Regierungen, die aus mehreren Parteien bestehen, oft gestritten wird, gehört zum politischen Alltag. Dass aber amtierende Minister von Vertretern des Regierungslagers öffentlich zum Rücktritt aufgefordert werden, kommt selten vor. So vergangene Woche in Tschechien geschehen. Damit wurde gleichzeitig ein neues Kapitel in der Causa Promopro eröffnet, in die Verteidigungsminister Alexandr Vondra verwickelt ist.
Auch wenn sich während des vergangenen Wochenendes die Gemüter zu beruhigen schienen, war die Anspannung im Regierungslager am Sonntag auch im Fernsehen zu spüren. So wandte sich der ODS-Fraktionsvorsitzende Tluchoř fast flehendlich an den neben ihm sitzenden Petr Gazdík:
„Ich möchte unseren Koalitionspartner bitten, dass er seine Angriffe auf uns einstellt. Wir sind die Hauptkraft dieser Regierung, und ich würde es begrüßen, wenn uns und unserem Regierungschef, der eine große Verantwortung für das Land trägt, der nötige Respekt entgegen gebracht würde.“
Dem entgegnete TOP-09-Fraktionschef Gazdík:
„Wir wollen nicht die Regierung zu Fall bringen, aber wir können nicht jemandem vertrauen, der uns am Mittwochabend bei einem Treffen der Koalition etwas verspricht, dann aber etwas völlig anderes macht. Wir unterstützen weiterhin diese Koalition, haben allerdings kein Vertrauen in Alexandr Vondra.“Für die Opposition ist der anhaltende Streit im Regierungsbündnis natürlich eine Steilvorlage. In den Umfragen profitiert sie schon seit langem von den Konflikten im Regierungslager. Die Kommunisten sammeln im Parlament bereits eifrig Unterschriften, um eine Sondersitzung mit anschließender Vertrauensabstimmung abzuhalten. Sie bräuchten dafür allerdings noch die Unterstützung der Sozialdemokraten. Die lassen allerdings ihre Strategie noch offen, wollen aber die Kritik der kleinen Koalitionsparteien nutzen:
„Wenn auch Vertreter der Koalition Minister Vondra zum Rücktritt aufgefordert haben, dann werden wir den Druck erhöhen. Ich will nicht ausschließen, dass wir eine weitere Sondersitzung des Parlaments einberufen werden, um zu sehen, ob die kleineren Regierungsparteien ihren Standpunkt nicht geändert haben und ob sie weiterhin eine Meinung vertreten, die den Sozialdemokraten sehr nahe kommt.“Die Koalition stolpert also von Krise zu Krise. Wie ernst ist der jüngste Konflikt? Petr Nováček vom Inlandsprogramm des Tschechischen Rundfunks mit einer Einschätzung:
„Das ist ein weiterer Konflikt innerhalb der Regierungskoalition und zwar ein relativ ernster, den die Regierungsparteien werden lösen müssen. Andernfalls werden sie nicht die Kraft haben, die geplanten Reformen anzupacken. Der Verteidigungsminister ist nicht nur ein wichtiges Regierungsmitglied, sondern auch ein führender Vertreter und Vizechef der Demokratischen Bürgerpartei. Und man darf nicht vergessen, dass Premier und ODS-Chef Nečas schon auf zwei seiner Stellvertreter verzichten musste – auf Pavel Drobil, der als Umweltminister wegen einer Affäre in seinem Ministerium zurücktreten musste, und auf den etwas weniger bekannten Pavel Blažek. Würde nun auch Vondra seinen Hut nehmen, wäre das für die Partei ein heftiger Schlag.“ Für Premier Nečas ist die Sache umso prekärer, als er im Rahmen seines Versuchs die Strukturen seiner Partei zu erneuern und ihre alten Verbindungen zu dubiosen Geschäftsleuten zu kappen, gerade auf Alexander Vondra gesetzt hat. Es war übrigens Vondra, der kurz vor dem Parteitag der Bürgerdemokraten, auf dem Petr Nečas zum Vorsitzenden gewählt wurde, ein parteiinternes Treffen mit so genannten unbelasteten ODS-Politikern organisierte, um deren Rückhalt für die Wahl von Nečas zu sichern.Wie wahrscheinlich ist es, dass die gegenwärtige Regierung unter diesen Voraussetzungen die gesamte Legislaturperiode im Amt bleiben wird? Dazu noch einmal Petr Nováček vom Inlandsprogramm des Tschechischen Rundfunks:
„Es wird immer schwieriger diese Frage positiv zu beantworten. Es scheint sogar, dass die beiden kleineren Regierungsparteien - TOP 09 und die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten – sich gegenseitig aushelfen, wenn es um die Angriffe gegen die ODS geht. Die Bürgerdemokraten sind nicht mehr die führende Kraft im Regierungsbündnis, und die beiden kleineren Partner geben das auch ziemlich deutlich zu erkennen. Man darf nicht vergessen, dass die Parteien TOP 09 und die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten zusammen über mehr Abgeordnete verfügen als die Bürgerdemokraten. Ein Teil der ODS zeichnet sich in diesem Zusammenhang schon seit längerem durch paranoide Züge aus: Er sieht das Vorgehen der Koalitionspartner als Teil einer Verschwörung, die dazu dienen soll, die Position der Bürgerdemokraten zu untergraben.“