Filmregisseur Jan Švankmajer: Retrospektive und Erstaufführung in Deutschland – das Tschechische Zentrum in München

Švankmajers Film „Otesánek“

Mehr als 30 Filme, sowohl Kurz- als auch Spielfilme, hat der tschechische surrealistische Regisseur Jan Švankmajer gedreht. Das Gesamtwerk des 1934 geborenen Leinwandkünstlers wird im März im Tschechischen Zentrum in München gezeigt. Gekrönt wird die Reihe mit der deutschen Erstaufführung von Švankmajers neuestem Film „Das Leben überleben: Theorie und Praxis“. Was das Tschechische Zentrum in München noch zu bieten hat, dazu nun mehr in unserer Sendereihe Aviso: CZ-Kultur grenzlos.

Wir haben in der Sendereihe Aviso „Kultur grenzenlos“ bisher die Metropolen Berlin und Wien besucht und in den dortigen Tschechischen Zentren nachgefragt, was sie zurzeit zu bieten haben. In der heutigen Ausgabe wenden wir uns München zu. Wir sprechen mit der Leiterin des dortigen Tschechischen Zentrums, Zuzana Jürgens. Zunächst zu München selbst: Das Hauptanliegen der Tschechischen Zentren ist die Präsentation der tschechischen Kultur im Ausland. München ist aber eine Stadt, in der mehrere Institutionen ihren Sitz haben, die sich im tschechisch-deutschen Austausch in Kultur, Wissenschaft und in anderen Bereichen engagieren. Welche Rolle spielt diese Tatsache im Programm des Tschechischen Zentrums in München?

Zuzana Jürgens  (Foto: Jitka Mládková)
„Für uns ist es eigentlich sehr günstig, wir arbeiten mit diesen Institutionen zusammen, sei es der Adalbert-Stifter-Verein, mit dem wir vor allem kulturelle Veranstaltungen anbieten, wie Lesungen gerade im deutsch-tschechischen Bereich. Oder sei es das Collegium Carolinum, das eine wissenschaftliche Institution ist. Wir bearbeiten gemeinsam Themen, die wissenschaftliche, geschichtliche Schwerpunkte haben, aber jeweils mit einem popularisierenden Effekt.“

Kann man sagen, dass das tschechisch-deutsche Verhältnis, der tschechisch-deutsche Kulturaustausch im Programm Ihres Zentrums eine größere Rolle spielt als zum Beispiel in Berlin oder in anderen Städten?

„Ich würde sagen, es ist in der Tat so, dass das deutsch-tschechische Verhältnis bei uns eine größere Rolle als in Berlin spielt. Das ist auch natürlich. Berlin liegt nicht so nah an Prag, in Berlin sind zum Beispiel die deutsch-polnischen Beziehungen viel präsenter als die deutsch-tschechischen. Das ist der Unterschied zu Bayern. Wobei ich sagen muss, dass wir uns gezielt bemühen, nicht nur dieses Thema zu bearbeiten. Wir sind eine Institution, die die gesamte tschechische Kultur und Geschichte präsentieren sollte, und das ist in der Tat unsere Aufgabe. Wir nutzen manchmal die Tatsache, dass es gerade hier in München viele Leute gibt, die sich sehr für das Tschechische interessieren und bringen ihnen einfach noch mehr aus Tschechien als nur das Deutsch-Tschechische.“

Švankmajers neuester Film „Das Leben überleben: Theorie und Praxis“
Wenn wir uns nun das Programm für die kommenden Frühjahrswochen anschauen – was würden Sie da empfehlen?

„Wir haben für die kommenden zwei Monate zwei Sachen vorbereitet, auf die ich mich besonders freue und die ich auch für wichtig halte. Die eine ist eine komplette Retrospektive der Filme von Jan Švankmajer, die wir in Zusammenarbeit mit dem Münchner Film-Museum vorbereitet haben. Es werden alle Filme Švankmajers gezeigt. Die Reihe hat am vergangenen Freitag angefangen und läuft bis zum 23. März. Ganz am Ende wird der neueste Film von Švankmajer in deutscher Premiere gezeigt.“

Aus dem Film „Alice“ von Jan Švankmajer
Ist der tschechische Filmemacher Jan Švankmajer dem deutschen Publikum bekannt?

„Er ist auf jeden Fall bekannt, natürlich eher bei den Fachleuten oder bei den Kennern. Es gibt nicht so oft die Gelegenheit, seine Filme in Deutschland zu sehen. Aber eben bei uns im Zentrum hat man schon an dem ersten Abend gesehen, dass er bekannt ist. Im Kino waren fünfzig, sechzig Leute, was bei einem experimentellen Trickfilm relativ viel ist. Und sie kamen eben, weil sie das, was sie bisher von Švankmajer gesehen haben, sehr schätzen. Also man kann sagen, Jan Švankmajer ist nicht in der breiten Öffentlichkeit, aber in der Fachöffentlichkeit bekannt und wird auch sehr geschätzt.“

Und das zweite Thema, das Sie erwähnen wollten?

„Das ist im April an der Reihe, und es ist eben ein Thema, das wir gemeinsam mit dem Collegium Carolinum vorbereiten. Am 1. Mai 2011 sind sechzig Jahre vergangen seit der Aufnahme des Sendebetriebs von `Radio Freies Europa`, das bis Mitte der 90er Jahre in München ansässig war. Wir haben dieses Jubiläum als Gelegenheit genommen, uns das Radio und seine Geschichte und seine verschiedenen Tätigkeiten anzuschauen. Wir veranstalten dazu eine internationale Konferenz, machen ein Konzert zu Ehren von Karel Kryl, haben eine Ausstellung zu diesem Thema, einen Filmabend… Es ist eine Serie von Veranstaltungen, die aus diversen Blickpunkten und in verschiedenen Formaten an dieses großartige Radio und an die Leistungen, die es gebracht hat, erinnern sollen.“

Das ist also auch ein Thema speziell für München, weil dort der Sender einst den Sitz hatte. Wir können uns diesem Thema bei unserem nächsten Gespräch in sechs Wochen näher widmen. Jetzt noch eine Frage: Gibt es gewisse Schwerpunkte, die das Programm im ganzen Jahr 2011 prägen, oder Veranstaltungsreihen, die sich durch das ganze Jahr hindurch ziehen?

„Das eher nicht, aber wir bemühen uns, etwa alle zwei Monate einen Schwerpunkt zu setzen. Jetzt haben wir zum Beispiel diese Švankmajer-Reihe, dann kommt Radio Freies Europa, danach werden wir uns eben den deutsch-tschechischen Beziehungen widmen, und zwar in der Ausstellung `Tragische Orte der Erinnerung`, die der Verein Antikomplex vorbereitet hat. Und dazu kommen immer Begleitveranstaltungen. Dann ist es die Ausstellung `Europäisches Memory` für Kinder, aber auch für Erwachsene, die sich der Europäischen Union aus tschechischer Sicht annähert. Also wir setzten für einen gewissen Zeitraum, meistens für zwei Monate, immer einen besonderen Schwerpunkt mit einigen Begleitveranstaltungen.“