Vater der Neuen Welle und Salieri des tschechischen Films: Otakar Vávra ist 100
Einer der bedeutendsten tschechischen Filmregisseure feiert am Montag seinen 100. Geburtstag: Otakar Vávra. Als Autodidakt begann Vávra in den 1930er Jahren, Filme zu drehen, und hatte sehr schnell Erfolg. Seitdem hat er rund 80 Drehbücher geschrieben, von denen er 50 als Filme realisierte.
Tatsächlich sind die Filme von Otakar Vávra unter anderem durch gigantische Massenszenen mit tausenden von Statisten gekennzeichnet. Er war ohne Zweifel ein außerordentlicher Regisseur – wenigstens was einige seiner Filme betrifft. Auf der anderen Seite wurde er aber auch als Klassiker tschechischer Anpassungsfähigkeit, Genius der Durchschnittlichkeit, Mann für jedes Wetter oder Salieri des tschechischen Films bezeichnet. Vávra hat nämlich acht politische Umstürze erlebt und war während aller Regime künstlerisch tätig – in der Kriegszeit, aber auch im Kommunismus. Er ist also einer der wenigen Künstler, die fast die gesamte Geschichte des tschechischen Films mitgestaltet haben. Und er erhielt während jedes Regimes eine Staatsauszeichnung.
Vávra begann in seinen jungen Jahren zunächst mit einem Architekturstudium, doch schon bald verfiel er dem Film. In den 1930er und 1940er Jahren arbeitete er mit den größten tschechischen Kinostars zusammen wie zum Beispiel Oldřich Nový, Lída Baarová, Adina Mandlová oder Nataša Gollová.In seinem Werk finden sich sowohl klassische Filme und historische Sagen, als auch tendenziöse Kriegsfilme. Zu Vávras meist geschätzten Filmen gehören zwei Streifen aus den 1960er Jahren: „Romanze für Flügelhorn“ und das Drama „Die Hexenjagd“.
„Mir lag das Dramatische oder Ernste einfach näher. Ich habe nur eine Komödie gedreht – Das Mädchen im blauen Kleid. Die Themen habe ich immer selbst gefunden, vor allem in der tschechischen Literatur. Ernste Geschichten waren es dabei, die mich interessiert haben.“Zusammen mit anderen Regisseuren gründete Vávra in den 50er Jahren die erste tschechische Filmakademie, die Famu. Dort war er bis vor kurzem auch immer noch als Professor tätig. Zu seinen Studenten zählten zum Bespiel die Oscar-Regisseure Miloš Forman und Jiří Menzel, die bekannte tschechische Regisseurin Věra Chytilová oder auch der Slowake Juraj Jakubisko. Vávra wird daher auch als Vater der so genannten Tschechoslowakischen Neuen Welle bezeichnet, die in den sechziger Jahren hierzulande im Film für eine Revolution sorgte. Einer seiner Studenten, Jiří Menzel, schätzt vor allem Vávras legendäre Zielstrebigkeit, seinen Fleiß und die sorgfältige Vorbereitung auf die Dreharbeiten:
„Schon seine ersten Filme waren sehr kultiviert und zugleich auch bei den Kinobesuchern erfolgreich. Er gelangte sofort und mit nicht einmal 30 Jahren an die Spitze des tschechischen Films, weil er im Gegensatz zu anderen, die nur intuitiv arbeiteten, schon eigentlich alles konnte.“Zu seinem Jubiläum hat ihm seine Lebensgefährtin, die 40 Jahre jüngere Regisseurin Jitka Němcová, ein passendes Geschenk gemacht: den Dokumentarfilm „Einen Hunderter hat man nur einmal im Leben“. Der Streifen wurde am Vorabend von Vávras Geburtstag im Tschechischen Fernsehen gesendet.
Trotz der vielen Widersprüche in seinem Leben ist Otakar Vávra die letzte lebende Legende des tschechischen Vorkriegsfilms.