Tschechisches Weihnachtsgebäck: Die schönste Versuchung in der Fastenzeit
Mhm, riechen Sie es auch? Irgendwer im Haus bäckt. Vielleicht haben auch Sie gerade Ihre Küche in eine Weihnachtsbäckerei verwandelt. Und während Sie gerade den Teig ausrollen, Sterne und Monde ausstechen oder die letzte Fuhre Plätzchen im Ofen brutzelt, erfahren Sie nun in unserem Kultursalon von Iris Riedel, wie es die Tschechen mit dem Backen vor Weihnachten halten.
Natürlich müssen wir sie vor Weihnachten kosten. Und was nicht gegessen wird, kommt in die Kühltruhe. - Vor Weihnachten schmeckt es am besten. - Wir versuchen die Plätzchen erst am Heiligen Abend zu essen. Mein Vater und ich fasten bis zum Abend, gegen fünf gibt es dann Essen – wenn die ersten drei Sterne am Himmel erscheinen – und dann gibt es Suppe, Karpfen, Salat und zum Dessert natürlich Plätzchen.
Buchzitat: „Aber inzwischen brannten die Kerzen herunter und sie mussten sie löschen, sie bliesen in die Flammen mit aller Kraft bis keine einzige mehr brannte. Dann setzten sie sich an den Tisch, knackten Nüsse, knabberten Plätzchen, schälten Äpfel und gossen Blei. Und dann war es auch schon Mitternacht. Sie hörten Trompeten und Glocken. Der Kasper, Hurvínek und Spejbl nahmen ihre Laternen und gingen durch die Schneewehen zur Mitternachtsmesse.“
Plätzchen sind zwar das erste, an das man denkt, wenn von Weihnachtsgebäck die Rede ist, aber sie sind nicht als erste dran. Noch im November werden die Perníčky, die tschechischen Pfefferkuchen gebacken und in Büchsen oder Tongefäße gepackt, damit sie bis Weihnachten gut durchgezogen sind.Gedicht: „Přijel pan pernikář, / přijel, holky, k nám. / Pojďte, pojďte nakupovat / hochům marcipán.“ Der Lebkuchenmann ist zu uns gekommen. Kommt, kommt, ihr Mädchen, den Burschen Marzipan zu kaufen.
Wer schon einmal auf einem tschechischen Weihnachtsmarkt war, dem sind bestimmt die Stände mit dekorierten Pfefferkuchen aufgefallen. Jeder für sich ist ein kleines Kunstwerk, durch zierliche Striche aus weißem Zuckerguss werden die Schweinchen, Nikoläuse und Blumenkörbchen erst sichtbar, die in dem jeweiligen Pfefferkuchen stecken. Zum Essen aber sind sie viel zu schade, sie zieren den tschechischen Weihnachtsbaum.Buchzitat: „In meiner Heimatstadt Kostelec an der Moldau fand der Weihnachtsbaum erst in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts Verbreitung. Und zwar dadurch, dass die Familie Schwarzenberg auf ihrem Schloss armen Kindern Weihnachtsgebäck und Kerzen vom Weihnachtbaum, einer riesigen Tanne, gaben. Zu Hause haben wir damit dann unseren eigenen, kleinen Baum geschmückt.“
Der Weihnachtsbaum vertrieb Stück für Stück die traditionelle Krippe aus der Weihnachtsstube. Jung wie der stachelige Wächter der Weihnachtsstube ist auch das Plätzchenbacken. Letzteres kam erst Ende des 19. Jahrhunderts in Tschechien auf. Die Hausfrau war angehalten, entweder 7 oder 13 Sorten zu backen, was wohl mit der mystischen Bedeutung der Zahlen zusammenhängt. Zuerst gab es das feine Gebäck nur bei wohlhabenden Familien in der Stadt, später buk man auch auf dem Land einfache Plätzchenvarianten. Aber auch schon vor dem 19. Jahrhundert wurde für Weihnachten gebacken. Aus dem 14. Jahrhundert ist die Schrift eines Benediktiners erhalten, in dem er fünf Bräuche zur Weihnachtszeit beschreibt.Buchzitat: „Der vierte Brauch ist der, dass die Leute am Vorabend der Geburt des Herrn weißes Brot zu sich nehmen, Vánočka oder Kuchen. Ältere legen dann aus gutem Glauben ein Tuch auf den Tisch, darauf das Brot und daneben ein Messer und erlaubten damit dem Gesinde, sich nach Belieben davon abzuschneiden und auch den Armen zu geben. Aber leider versucht auch hier der Teufel die Sinne zu verwirren. Wie ich gehört habe, legen einige Christen das Brot nicht zur Ehre und zur Erinnerung an Christi Kindheit auf den Tisch, sondern damit die Götzen kämen und davon äßen.“
Hier spricht der Mönch die heidnischen Weihnachtsbräuche an, die zu dieser Zeit in den Menschen noch fest verwurzelt waren und in Konkurrenz zum relativ jungen Christentum standen. Vánočka, das Weihnachtsbrot, ist süßes Brot und in Tschechien das ganze Jahr über beliebt. Aber zu Weihnachten versuchen sich viele selbst an dieser hohen Kunst der tschechischen Küche. Der Leib wird aus neun Teigstriemen geflochten, die unteren vier symbolisieren die vier Elemente, die mittleren stehen für den menschlichen Verstand, das Gefühl und den Willen, die oberen Streifen verbandeln Liebe und Macht.
Lied: Vánoce, Vánoce přicházejí, / zpívejme přátelé, /po roce Vánoce, Vánoce přicházejí, /šťastné a veselé. / Naše teta péče léta /na Vánoce vánočku, /nereptáme, aspoň máme, / něco pro kočku. Weihnachten kommt, singen wir, Freunde, Weihnachten kommt, voller Glück und Freude. Unsere Tante bäckt schon ewig für Weihnachten Vánočka, wir fragen nicht nach, aber wenigstens haben wir etwas, um die Katze zu füttern. Vielleicht waren sie schon einmal zur Weihnachtszeit in den USA und haben dort „Moravian cookies“, also Mährische Plätzchen, angeboten bekommen. Diese beweisen, dass auch das Backen von Lebkuchen eine althergekommene tschechische Tradition ist. Denn die „Moravian Cookies“ sind mit den Böhmischen Brüdern nach Amerika gekommen. In Tschechien wurden die evangelischen Christen in der Zeit der Gegenreformation verfolgt und verstreuten sich so über den Erdball. Mährische Lebkuchen zeugen von den großen Seereisen, die unternommen wurden, um neue Handeslrouten zu erschließen. Die Entdecker brachten nicht nur Karten mit weniger weißen Flecken nach Europa, sondern auch exotische Gewürze. Ingwer, Zimt und Zuckerrübensirup verleihen den mährischen Lebkuchen ihren typischen Geschmack. Sie werden papierdünn ausgerollt und tragen deshalb auch den Namen „dünnste Kekse der Welt“. Nicht alle Mitglieder der Böhmischen Brüder machten sich gleich auf eine so weite Reise. Einige fanden Zuflucht im sächsischen Erzgebirge. Auch dort führte die Brüdergemeinde einen weihnachtlichen Brauch ein: den Herrnhuter Stern, dessen zahlreiche Zacken in alle Richtungen des Universums zeigen sollen. Genauso wie den Stern gibt es auch die Lebkuchen heute noch, und nicht nur in den USA. In Tschechien heißen sie „zázvorky“, Ingwerplätzchen. In der Passage „U Nováků“ unweit vom Prager Wenzelsplatz gehen jedem bei einem unschuldigen Schaufensterbummel die Augen über. Créme- und Schokoladentörtchen verziert mit Früchten und Glasur stehen in Reih und Glied, wobei die Reihen kein Ende nehmen. Das ist die französische Konditorei von Nadine und Jean-François Musso. Aber die beiden bieten nicht nur französische Leckerbissen an, wie die Besitzerin stolz präsentiert.„Es ist ganz normal, den Kunden, auch dieses traditionelle Gebäck anzubieten. Es ist so berühmt und wir verfeinern die traditionellen Rezepte dann noch ein bisschen. Hier sehen Sie Vanillehörnchen, die wir noch mit Schokolade überziehen. Und hier sind die Kuchen aus den Förmchen und die Linzer Kekse.“
Die Konditorei hat ein volles Bestellbuch, alles Kunden, die auf traditionelles Weihnachtsgebäck Wert legen, aber selbst keine Zeit haben, es herzustellen. Manchmal bringen die Kunden die Rezepte ihrer Verwandten, nach denen dann gebacken werden soll. Aber auch die Mussos können zu Weihnachten die verstaubten Backbücher ihrer Ahnen hervorziehen.„Wir haben eine französische und eine tschechische Vorgeschichte. Einer unserer Großväter stammt aus Tschechien und war auch Konditor. Und deshalb haben wir auch die alten Rezepte. Wir backen 18 verschiedene Sorten, das ist eine ganz schöne Herausforderung“, sagt Frau Musso.
Schade, dass gemeinsam mit den Rezepten nicht auch die Symbolik und das Wissen über die Ursprünge in die Neuzeit hinübergerettet wurden. Die moderne Hausfrau, oder auch der moderne Hausmann, gehen auf in ihrer Rolle als Herrscher über Nudelholz und Backschüssel, sie sind ständig auf der Jagd nach neuen Varianten, sei es in Zeitschriften oder im Internet. Die werden dann mit den Kollegen auf Erfolg oder Misserfolg ausgewertet. Aber auch das hat Tradition, wie Ladislav Dvorský im Buch „Weihnachten in der tschechischen Kultur“ anmerkt:„Das Interesse an der gastronomischen und Konsumproblematik entspringt zwar einer Überbewertung der materiellen Seite von Weihnachten, aber machen wir uns nichts vor: Lebensmittel, ihre Verwendung und Verarbeitung, das ist ein Konversationsthema so alt wie die Konversation selbst. Es macht Konflikte vergessen, eint und verbindet. … Der Mensch ist das, was er atmet, aber noch mehr, was er isst.“
Tschechische Pfefferkuchen
250 g Zucker
4 Eier
50 g Butter
1 TL Honig
2 TL Natron
2 TL Lebkuchengewürz
2 EL Kakao
vermengen, ausstechen und backen.
Für den Guss: 1 Eigelb, 170 g Puderzucker, Zitronensaft verrühren und die Pfefferkuchen fein verzieren.
Mährische Lebkuchen ( Moravian Cookies)
6 EL Margarine oder Butter
6 EL Pflanzenfett
2 Tassen Zuckerrübensirup (Melasse)
in einem Topf vermischen, aufwärmen bis der Zucker zerlassen ist.
1 EL Natron in
¼ Tasse kochendes Wasser auflösen und in die Sirupmasse geben.
6 Tassen Mehl
1 EL gemahlene Nelken
2 EL gemahlener Ingwer
1 EL gemahlener Zimt vermischen und zugeben. Das ganze zu einem Teig kneten und in den Kühlschrank legen. Am zweiten Tag Teig hauchdünn ausrollen, Formen ausstechen, bei 135°C ca. 10 Minuten backen. Auf dem Blech abkühlen lassen und dann in Schachteln verstauen zum Durchziehen.
Linzer Küchlein
120 g Puderzucker vermengen,
1 Ei zugeben.
500 g Mehl
1 Pck. Vanillezucker
geriebene Zitronenschale von einer Zitrone daraufgeben und vermengen. Teig an einem kühlen Ort ruhen lassen, 2mm dick ausrollen, beliebige Formen ausstechen, bei 200°C 5-10 minuten goldbraun backen. Plätzchen mit Marmelade zusammenkleben und mit Puderzucker bestreuen.