Premier Nečas: Priorität haben Schuldentilgung, Energiesicherheit und Wettbewerbsfähigkeit
Vor einer Woche, am letzten Novembertag, hatte die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) ihre Mitglieder zum vierten Wirtschaftsgespräch geladen. Ehrengast der Veranstaltung war der Ministerpräsident des Landes, Petr Nečas. Er sprach mit den Wirtschaftsvertretern über den Industriestandort Tschechien und die Bedeutung Deutschlands als Handelspartner. Hauptthemen der Diskussionsrunde in einem Prager Hotel waren die Euro-Einführung, die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und die Planungssicherheit für Investitionen in Tschechien.
„In erster Linie brauchen wir eine wirklich verantwortungsbewusste Haushaltspolitik, die auf einer strengen Haushaltsdisziplin basiert. Das gilt aber nicht nur für die nationale Ebene, sondern für die gesamte Europäische Union.“
Mit seiner letzten Bemerkung spielte Nečas auf die zum Teil instabile Finanzpolitik einiger EU-Länder an, die letztlich die europäische Gemeinschaftswährung an den Rand einer Krise gebracht hat.„Natürlich lässt sich nicht übersehen, dass sich das Projekt Euro zu einem erheblichen Maße verändert hat. Die europäische Währung hat sich verändert seit dem Jahr 2003, als wir in einem Referendum für unseren EU-Beitritt gestimmt haben. Ich denke, es wäre ein Fehler, wenn wir vor dieser Tatsache die Augen verschließen würden“, sagte Nečas.
Die tschechische Regierung hat stattdessen Konsequenzen aus dem Euro-Dilemma gezogen, so der Premier:
„Wir haben Interesse an einem stabilen Euro. Doch ich sage es gleich frei heraus: Die tschechische Regierung wird unter meiner Führung keinen Termin für die Einführung des Euro festlegen. Dies wäre eine Maßnahme, die dem Ruf unseres Landes in gewisser Weise schaden könnte. Stattdessen konzentrieren wir uns auf unsere Hausaufgaben, das heißt auf die Stabilisierung der öffentlichen Finanzen und auf die Schaffung eines Fundaments für die (wirtschaftliche) Konkurrenzfähigkeit des Landes.“
In seinen Ausführungen zeigte sich der Präsident der Handelskammer, Radomír Šimek, besorgt über die aktuelle öffentliche Diskussion dieses Themas. Die Probleme einiger Euroländer seien „nicht auf die Währungsunion an sich zurückzuführen, sondern auf finanzielles Missmanagement einiger weniger.“ Diese Probleme würden in Tschechien nun als Gegenargument für die Euroeinführung missbraucht, kritisierte Šimek.
Während der Diskussion erläuterte der Premier des weiteren, dass zur Stabilisierung der öffentlichen Finanzen zwangsläufig auch eine konsequente Schuldentilgung beitrage. Nach den Geldern zur Rentenzahlung sowie den Gehältern und Sozialabgaben für die Angestellten des öffentlichen Dienstes sei es gerade die Schuldentilgung, die den Haushalt strapazieren würde, erläuterte Nečas.
„Der drittgrößte Ausgabenposten im Haushalt sind die Beträge zur Schuldentilgung, die derzeit Kosten von zirka 74 Milliarden Kronen verursachen. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren lag dieser Kostenfaktor noch bei rund 30 Milliarden Kronen. Das ist eine Art Eskalation dieser Ausgaben im Haushalt. Deshalb gehört der Schuldenstopp zu den obersten Prioritäten der von mir geführten Regierung.“
Im Übrigen reiche es nicht, wenn der Staatshaushalt die so genannten Maastricht-Kriterien erfülle, also ein Defizit von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufweise. Schulden hemmen immer den wirtschaftlichen Aufschwung, weshalb sein Kabinett auch einen klaren Zeitplan für den Schuldenabbau habe, betonte Nečas:
„In diesem Jahr wird das Defizit der öffentlichen Finanzen aller Voraussicht nach 5,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht übersteigen. Im nächsten Jahr ist der Haushalt so aufgestellt, dass das Defizit nicht größer als 4,6 Prozent sein wird. Im Jahr 2013 wollen wir unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes kommen und im Jahr 2016 dann einen ausgeglichenen Haushalt haben.“
Um Tschechien im internationalen Wettbewerb eine mittelfristige Konkurrenzfähigkeit zu sichern, müssten aber noch weitere Schritte getätigt werden. Diese Schritte könne man nur über Reformen vollziehen, sagte der Premier. Dazu gehörten die Senkung der Lohnnebenkosten und eine Reform des Arbeitsmarktes:
„Die Firmen gehen heute sehr oft einen anderen Weg in ihrer Arbeitnehmerpolitik als früher. War seinerzeit der unbefristete Vertrag mit dem Arbeitnehmer noch das Maß aller Dinge, so suchen sich die Unternehmen heute ihre Arbeitskräfte zumeist über Personalagenturen. Zudem werden Arbeitsverträge immer häufiger befristet, mit einer Überstunden-Regelung oder je nach Auftragslage abgeschlossen. Es zeigt sich ganz eindeutig, dass ein übertrieben gehandhabter Arbeitnehmerschutz keinen einzigen Arbeitsplatz auch wirklich sichert. Im Gegenteil, diese Praxis verhindert die potenzielle Entstehung einer ganzen Reihe von neuen Arbeitsplätzen.“
Weshalb Tschechien seiner Meinung nach bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes noch zulegen müsse, belegte Nečas anhand von Zahlen:„In der Tschechischen Republik liegt der Anteil der Teilzeit-Beschäftigung an der Gesamtbeschäftigung bei fünf Prozent, der Durchschnitt in der Europäischen Union liegt bei 15 Prozent. Fast genauso sieht es beim Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen aus. Bei uns liegt deren Anteil bei sieben Prozent, in der EU sind es mehr als 17 Prozent. Die Frage nach einer höheren Flexibilität des tschechischen Arbeitsmarkts ist meiner Meinung nach damit beantwortet.“
Weitere Diskussionspunkte waren das Ausbildungssystem und die mangelnde Effizienz und Transparenz im öffentlichen Sektor. Der Premier forderte Verbesserungen im tschechischen Ausbildungssystem und verwies dabei auf die Vorbilder Sachsen und Bayern. Vertreter mittelständischer Unternehmer verlangten hingegen bei der Diskussion von der Regierung Nečas konkretere Schritte hin zu einer gewerblich-industriellen Ausbildung.Einen Aspekt hob Nečas in der Diskussion noch zusätzlich heraus: die Energiesicherheit des Landes.
„Ein langfristiges Wirtschaftswachstum in Tschechien kann nur dann erreicht werden, wenn die Frage einer dauerhaften Energieversorgung geklärt ist. Dieses Feld nimmt eine Schlüsselfunktion ein. Für uns bedeutet das in erster Linie, dass wir unser Atomenergie-Programm weiter ausbauen. Ich bin überzeugt davon, dass das ein Schritt in die richtige Richtung ist. Allen bisher veröffentlichten Langzeitstudien zufolge ist nämlich zu befürchten, dass Europa eines Tages ein sehr großes Defizit in der Energieversorgung haben wird. Die Tschechische Republik aber kann es sich nicht leisten, ihre Wirtschaftskraft dadurch zu verringern, dass die eigene Energiegewinnung entweder zu teuer ist oder sie auf Energieimporte angewiesen ist.“ Sehr kontrovers verlief der Schlagabtausch über das Gesetz zur Unterstützung alternativer Energie: Einige Diskussionsteilnehmer befürchteten, die anstehende Änderung des Solarförderungsgesetzes stelle die Planungssicherheit für ausländische Investitionen in Tschechien in Frage. Nečas wies dies zurück.