Oldřich Martinů: Ein Polizeipräsident auf Abruf?

Václav Klaus und Oldřich Martinů (Foto: ČTK)

In den obersten Etagen der tschechischen Sicherheitskräfte wird seit Wochen ein Grabenkrieg ausgetragen. Innenminister Radek John forderte Ende November den tschechischen Polizeipräsidenten Oldřich Martinů überraschend zum Rücktritt auf, womit wohl ein lange schwelender Konflikt zwischen Minister und Polizeipräsident seinen ersten Höhepunkt erreichte. Doch Martinů scheint entschlossen zu sein, für sein Verbleiben im Amt zu kämpfen und kann dabei wohl auf die Unterstützung von führenden Politikern des Landes hoffen. Mehr dazu erfahren Sie von Robert Schuster in der folgenden Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz.

Oldřich Martinů  (Foto: ČTK)
Es ist schon so etwas wie eine Tradition, dass es bei Tschechiens Polizei seit Jahren gegen Jahresende rumort. Das ist übrigens auch jener Zeitpunkt, wo statistisch gesehen die meisten Polizisten ihre Uniform an den Nagel hängen. Viele von ihnen quittieren den Polizeidienst aus Frust über die immer neuen Reformen der Polizeistrukturen, andere wiederum wollen durch Frühverrentung der Kürzung der bis jetzt immer noch relativ üppigen staatlichen Renten zuvorkommen.

Im Mittelpunkt all dieser Konflikte steht dabei zumeist der amtierende Polizeipräsident, der dabei oft selber unter die Räder geraten kann. Ähnliches lässt sich auch vom jetzigen obersten Polizeichef Tschechiens, General Oldřich Martinů, sagen. Dieser ist seit mehreren Wochen mit einer Rücktrittsaufforderung von Innenminister Radek John konfrontiert. Doch Martinů, der vor drei Jahren von Johns Vorgänger ernannt wurde, kämpft um sein Amt und scheint dabei auch relativ gute Karten zu haben.

Václav Klaus und Oldřich Martinů  (Foto: ČTK)
Einerseits kann er wohl auf die Unterstützung von Regierungschef Petr Nečas setzen, der von Johns Vorstoß angeblich überrascht wurde. Auch Staatspräsident Václav Klaus schaltete sich in den Streit ein und lud Martinů zu sich auf die Prager Burg. Das Präsidialamt gab nach dem Treffen nur eine karge und allgemein gehaltene Pressemitteilung heraus. Martinů selber interpretierte jedoch den Verlauf des Treffens auf der Prager Burg als indirekte Unterstützung von Seiten des Staatsoberhaupts.

Nach dem Polizeipräsidenten war auch Innenminister Radek John bei Präsident Václav Klaus und legte ihm seine Sicht der Dinge dar:

„Ich habe den Herrn Präsidenten um ein Treffen gebeten, um ihn über die Gründe zu informieren, die mich zu diesem Rücktrittsaufruf gebracht haben. Die Gründe dafür sind allerdings nicht öffentlich und somit nicht für die Medien bestimmt, sondern für die höchsten Politiker des Landes. Ich denke, dass Präsident Klaus meine Position versteht, zudem wird er sich nicht an den personellen Weichenstellungen innerhalb der Polizei beteiligen, weil das Aufgabe der Regierung ist. Er hat natürlich ein Recht über die Entwicklung informiert zu werden. Wir haben uns eine Dreiviertelstunde lang unterhalten und auch andere Themen erörtert, die nicht mit der Lage im Innenministerium zu tun haben.“

Václav Klaus und Radek John  (Foto: ČTK)
Das Treffen zwischen den beiden „Präsidenten“ Martinů und Klaus will jedoch Minister John nicht überbewerten und pocht darauf, dem Staatsoberhaupt auch Informationen gegeben zu haben, die er zuvor wohl nicht zur Verfügung hatte:

„Einige Tatsachen, die ich ihm mitgeteilt habe, hat er sich natürlich notiert, weil er über die Lage im gesamten Ressort informiert sein will. Er wird jedoch keine Stellung beziehen, weil das wirklich in den Zuständigkeitsbereich der Regierung gehört.“

Die Gründe, warum er den Kopf des Polizeipräsidenten fordert, kann der Minister angeblich nicht nennen und beruft sich dabei auf seine Verschwiegenheitspflicht. Diese Vorgangsweise, die nur Nährboden für weitere Spekulationen sein kann, hält er deshalb für notwendig, weil in der Vergangenheit oft sehr sensible Information aus der Polizei über die Medien an die Öffentlichkeit gelangt sind.

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
Was wird Innenminister Radek John machen, sollte der Polizeipräsident nicht zurücktreten? Wird er dann selber sein Amt zur Verfügung stellen? Oder wird das Thema zu einer Überlebensfrage der jetzigen Regierungskoalition von Premier Petr Nečas:

„Das ist eine absurde Situation, wenn der Minister seinen Untergebenen zum Rücktritt auffordert und dieser sich weigert. Ich kann und will ihn gar nicht zu diesem Schritt drängen – ich habe ihn dazu lediglich aufgefordert. Alles andere wird das Ergebnis unserer weiteren Verhandlungen sein. Ich glaube zum Beispiel, dass Herr Martinů sehr gut im diplomatischen Dienst aufgehoben wäre und für das Land viel Gutes erreichen könnte. Aber darüber werden wir uns im Rahmen der ganzen Gespräche unterhalten.“

Radek John  (Foto: ČTK)
Für die Opposition, die von Beginn an das Wirken des früheren Journalisten John an der Spitzen des politisch wichtigen Innenministeriums mit ziemlichem Argwohn verfolgt, ist die jüngste Kontroverse ein weiterer Beweis dafür, dass der Minister seinen Aufgaben nicht gewachsen ist. Vor allem die Sprunghaftigkeit Johns, nicht nur bei diesem Thema, bietet immer wieder Anlass für Kritik, wie auch aus der folgenden Aussage des innenpolitischen Experten der Sozialdemokraten Jeroným Tejc hervorgeht:

Jeroným Tejc  (Foto: Petr Šmerkl,  www.wikimedia.org)
„Die Erklärungen von Minister John in Bezug auf den Polizeipräsidenten sind von Beginn an sehr schwankend. Zunächst erklärte er, Martinů solle gehen, dann wiederum, dass er mit ihm zufrieden sei und für eine gewisse Zeit bleiben könne, jetzt legt er ihm wieder den Rücktritt nahe. Ich denke, der Minister sollte sich selber zunächst im Klaren darüber sein und die Gründe für einen Rücktritt nennen und sich nicht hinter seiner Geheimhaltungspflicht verstecken. Wenn jemand die Arbeit der Polizei aus dem Lot brachte, dann war es nicht Polizeipräsident Martinů - auch wenn ich sein Wirken in der Vergangenheit ebenso kritisch gesehen habe - sondern Minister John. Ich denke, dass ein Abgang Martinůs nicht helfen würde, im Gegenteil – hilfreich wäre nur ein Abgang Minister Johns.“

Die Folgen, so Tejc weiter, wären klar ausgemacht: Im Rahmen der Polizeistrukturen drohe Verunsicherung auf allen Ebenen – beginnend bei den einfachen Streifenpolizisten, bis hin zu spezialisierten Einheiten der Kriminalpolizei, die gegen das organisierte Verbrechen kämpfen, wie er abschließend hinzufügt:

„Es ist sicherlich nicht gut, wenn es zu Konflikten kommt zwischen dem Polizeipräsidenten und dem Innenminister. Dann ist jegliche Zusammenarbeit kompliziert. Ich würde mehr Fehler auf Seiten von Minister John sehen. In einer Situation, wo der Innenminister den Polizeipräsidenten zum Rücktritt auffordert, ohne das allerdings mit plausiblen Gründen zu untermauern oder sich der Unterstützung innerhalb der Regierungskoalition zu vergewissern und der oberste Polizeibeamte des Landes diesen Aufruf ignoriert, liegt der Ball beim Minister. Er sollte den Rücktritt einreichen. Ich denke allerdings nicht, dass er das auch tun wird, wenn es auch bereits eine Reihe solcher Forderungen gegeben hat. Alle Beobachter, die die Situation im Innenministerium verfolgen und sehen, in welcher Lage sich das Ressort befindet, müssen eindeutig erkennen, dass Minister John keine gute Figur macht.“