Jubiläum: Vor 130 wurde das Atelier Langhans eröffnet

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In vielen tschechischen Familienalben findet man sie: Die vergilbten Fotos, oft im Ansichtskartenformat, auf denen die Urgroßeltern festlich gekleidet in die Kamera lächeln. Und unten auf dem Foto steht „Atelier Langhans“. Das Atelier gibt es bis heute im selben Haus, wo es vor 130 Jahren gegründet wurde. Anlässlich des Jubiläums wurde in der Langhans-Galerie eine Ausstellung über die Geschichte des Gebäudes eröffnet, ein Gebäude, das immer der Fotografie geweiht war, auch wenn das Atelier nach dem kommunistischen Putsch 1948 verstaatlicht wurde. Der Name Langhans durfte erst nach der Wende von 1989 auf dem Haus wieder auftauchen.

Prager Atelier
Das Haus Nr. 37 in der Vodičkova-Straße hat sich seit jeher der Fotografie verschrieben. In den Jahren 1880 bis 1948 war dort das Atelier J. F. Langhans untergebracht. Jan Langhans sei 29 Jahre alt gewesen, als er das Atelier in Prag eröffnet hatte, erzählt seine Urenkelin, Zuzana Meisnerová Wismer:

„Mein Urgroßvater Jan Langhans war Chemiker von Beruf. Er studierte an der Prager Polytechnik – der heutigen Tschechischen Technischen Hochschule – Lebensmittelchemie. Bald verfiel er aber dem Zauber des neuen Handwerks – der Fotografie. 1876 hat er sein neues Fotoatelier im südböhmischen Jindřichův Hradec / Neuhaus geöffnet. Da hatte er noch in einer Brauerei gearbeitet. Nach vier Jahren kam er nach Prag. In der Vodičkova Nr. 37 hat er sein Fotoatelier geöffnet. Bis zur Verstaatlichung im Jahre 1948 blieb das Atelier im Besitz von drei Generationen meiner Vorfahren.“

Jan Langhans
Fotografien, die erhalten geblieben sind, zeugen Experten zufolge davon, dass Langhans ein Fotograf von Weltformat gewesen ist. Zudem hatte Langhans das Gespür dafür, auf sich und seine Firma aufmerksam zu machen. In der neu eröffneten Ausstellung können sich die Besucher davon überzeugen, wie das Atelier Langhans mit seinem Firmenauto Reklame machte. Zuzana Meisnerová Wismer bewundert ihren Urgroßvater:

„Jan Langhans war ein sehr fähiger Mann, heute würde man sagen, er war ein guter Manager. Er probierte alle Neuigkeiten aus, die es im fotografischen Handwerk gegeben hat. Wenn sie ihm gefielen, hatte er sie gleich benutzt. In kurzer Zeit ist sein Atelier in Prag das prestigeträchtigste Fotoatelier in der Hauptstadt geworden. Später hatte er mehrere Filialen gehabt, die wichtigste davon befand sich in Marienbad. Während des Sommers kamen viele renommierte ausländische Gäste dorthin - zum Beispiel der englische König Edward VII. oder der persische Scheich. Marienbad war überhaupt ein beliebter Reiseziel des europäischen Adels. Viele dieser Leute hat Jan Langhans fotografiert.“

König Edward VII.
Zu den markantesten Exponaten der Ausstellung gehört eine Auswahl von Portraits namhafter Persönlichkeiten, die Langhans fotografiert hat. Aber nicht nur renommierte Ausländer habe ihr Urgroßvater fotografiert, meint Zuzana Meisnerová Wismer:

„In den 1890er Jahren hat er bemerkt, dass auch sehr viele tschechische Persönlichkeiten aus der Kultur, Wissenschaft und Politik sein Atelier besuchen. Er begann schon damals eine Galerie der Persönlichkeiten zusammenzustellen. Bestimmte Negative hat er raus genommen, sie nach den einzelnen Kategorien geordnet, und in Stand gesetzt. Dies hat sich herumgesprochen, und es kamen Leute selbst ins Atelier, oder aber hat der Urgroßvater bestimmte Leute angesprochen und eingeladen.“

Archiv mit Glasnegativen
In den 1920er Jahren hatten sich im Fotoatelier rund 1,5 Million Negative angehäuft. Langhans habe alles, was er fotografiert, archiviert, erzählt seine Urenkelin:

„Nach dem Februar 1948, als die Kommunisten die Macht im Staat übernommen hatten, kam auch der Betrieb des Ateliers Langhans unter die Räder. Das Atelier wurde verstaatlicht, und mein Vater hatte keinen Zugang mehr zu seinem Betrieb. Im Winter 1950, als im Haus Langhans ein staatlicher Betrieb für Fotografie eingerichtet wurde, wurde das große Archiv auf die Straße getragen. Auf den Lkw wurde alles in den damaligen Prager Vorort Kyje abtransportiert. Dort waren damals große Müllhalden. Und dorthin hatte man auch die Tonnen von Glas aus dem Atelier gebracht, denn es handelte sich um Glasnegative.“

Schauspielerin Míla Páčová
Die kommunistischen Machthaber ließen Hunderttausende von Negativen und Fotos aus dem Atelier Langhans vernichteten, denn für sie sollte das Gedächtnis der Zeit verschwinden. Zuzana Meisnerová Wismer konnte sich das Haus ihrer Vorfahren erst nach der Wende 1989 anschauen.

„1991 bekamen wir das Haus, das fast eine Ruine war, vom Staat zurück. Wir haben zuerst nicht gewusst, was wir mit dem Haus unternehmen sollen. Dann haben wir Architekt Lábus angesprochen, und er entwarf Pläne für eine tief greifende Rekonstruktion des Hauses. Bei dieser Gelegenheit haben wir 1998 einen Torso der Galerie der Persönlichkeiten im Haus gefunden. Es gab hier zwei verschlossene Schränke, in denen rund 9.000 Negative aufbewahrt wurden. Es lagen da 694 Schachteln, die voll von Glasplatten waren, viele davon mit Portraits von wirklich bedeutenden Persönlichkeiten der tschechischen und europäischen Geschichte. Das Archiv beweist, was für eine Bedeutung dieses Land und diese Stadt hatten. Aufgrund dessen haben wir uns entschieden, dass wir hier wieder das fotografische Handwerk haben wollen und dass wir hier eine Fotogalerie errichten. Wir betreiben hier eine nicht kommerzielle Galerie, wo wir seit dem Mai 2003 fast 40 Ausstellungen vorwiegend internationaler, aber auch tschechischer Fotografie veranstaltet haben.“

Zuzana Meisnerová Wismer sieht sich im Erdgeschoss der Galerie um. Ihren Worten zufolge erinnert der Raum an die einstigen Kunden-Warteräume des Ateliers Langhans. Es waren repräsentative Räumlichkeiten, wo den Kunden Fotoproduktion des Ateliers vorgestellt wurde. Hier sind Originalfotos, Dokumente und Werbematerialien der Firma Langhans zu sehen.

„Jetzt haben wir eine Ausstellung zum 130. Jubiläum des Ateliers Langhans vorbereitet. Die Schau heißt ´Ein Name, ein Ort, ein Thema´: 130 Jahre lang lebt die Fotografie an diesem Ort, und ich hoffe, dass sie auch weiterhin hier leben wird.“

Ausstellung über die Geschichte des Ateliers Langhans
Die Ausstellung über die Geschichte des Ateliers Langhans im Haus Langhans ist bis zum 2. Januar nächsten Jahres zu sehen. Die Besucher können dabei Fotos in die Galerie mitbringen, die einst bei Langhans gemacht wurden. Damit helfen sie, die Arbeit des Ateliers zu dokumentieren.

Fotos: Nadace (Stiftung) Langhans Praha


Damit sind wir am Ende des heutigen Spaziergangs durch das Atelier Langhans in der Vodičkova-Straße angelangt. Unweit des Ateliers auf derselben Seite der Straße befindet sich eine populäre Prager Konditorei, die in der Ersten Republik zum Treffpunkt von Schriftstellern und Künstlern geworden ist. Falls Sie wissen, wie diese Konditorei heißt, können Sie es uns schreiben. Denn so lautet unsere heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2.

Die richtige Antwort auf die Frage vom September lautet: Das St. Georg-Kloster wurde im 10. Jahrhundert gegründet. Ein Buch über Prag geht diesmal an Thomas Ueberall aus Schkeuditz.