Die Regierungserklärung des Kabinetts Nečas und was Vizepremier Schwarzenberg davon hält

Karel Schwarzenberg (Foto: www.karelschwarzenberg.cz)

Vergangene Woche hat das Kabinett von Peter Nečas seine Regierungserklärung beschlossen. Wenig überraschend: Sie ist weitgehend identisch mit der Koalitionsvereinbarung zwischen den drei Mitte-Rechts-Parteien. Entsprechend glatt lief die Verabschiedung der Erklärung. Allerdings, in einigen Punkten gibt es noch Klärungsbedarf. Heftige Kritik am Regierungsprogramm üben auch die Gewerkschaften.

Petr Nečas und Alexandr Vondra  (Foto: ČTK)
„Der erste wichtige Punkt, den wir heute behandelt und verabschiedet haben, war die Erklärung zum Regierungsprogramm. Nun können wir es dem Parlament vorlegen und uns am kommenden Dienstag der Vertrauensabstimmung im Parlament stellen“, so Premierminister Petr Nečas nach der Kabinettssitzung am vergangenen Mittwoch. Dass man sich auf ein Regierungsprogramm einigt, war allgemein erwartet worden. Es ist nahezu identisch mit dem zwischen der Demokratischen Bürgerpartei (ODS), der TOP 09 und der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten (VV) geschlossenen Koalitionsvertrag. Und daher lautet die Prämisse des Programms auch: sparen, sparen und nochmals sparen. Ganz im Sinne der oft beschworenen „Haushaltsverantwortung“ der Mitte-Rechts-Koalition.

Petr Nečas und Radek John  (Foto: ČTK)
Dennoch, in einigen Punkten gab es Verhandlungsbedarf zwischen den Koalitionsparteien. Etwa in der Frage der Verkehrsinfrastruktur, wie Vizepremier Radek John von der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten erläuterte:

„Für uns war es wichtig, dass der Satz über die Beibehaltung der Mittel für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur in gleicher Höhe wie bisher in die Regierungserklärung zurückkehrt. Das ist für die Menschen sehr wichtig und das ist für uns als Partei der Öffentlichen Angelegenheiten wichtig. Und damit auch für diese Regierung.“

Regierung ist überzeugt davon,  dass man mit dem gleichen Geld mehr bauen kann
Bedeutet das also, der angedrohte Baustopp für rund 50 Straßen- und Eisenbahnprojekte ist vom Tisch? Von Radio Prag darauf angesprochen, wiegelt Premierminister Petr Nečas ab:

„Das ist eher durch ein Versehen herausgefallen. Wir haben da einen ganzen Absatz aus dem Koalitionsvertrag übernommen und bei irgendeiner Überarbeitung ist dieser Satz dann verschwunden. Man muss ihn also im Kontext des ganzen Absatzes sehen. Dort geht es gerade darum, was man tun kann, wenn es eben nicht genug Haushaltsmittel gibt. Zum Beispiel mehr PPP-Projekte, also Partnerschaften mit privaten Unternehmen, die nicht sofort so viel Geld aus dem Budget brauchen. Und natürlich stärkerer Druck auf mehr Effizienz bei Infrastrukturprojekten. Mit anderen Worten: Die Regierung ist überzeugt davon, dass man mit dem gleichen Geld mehr bauen kann.“

Asylanten  (Foto: Milena Štráfeldová)
Eindeutig um mehr als ein Versehen geht es allerdings in der Frage des Asylrechtes. Innenminister Radek John:

„Das Außenministerium hätte gerne, dass das Ausweisungsverfahren Vorrang gegenüber dem Asylverfahren hat. Ich als Innenminister habe das Gegenteil gesagt: Das Asylverfahren muss Vorrang haben. Damit nicht jemand in ein Land abgeschoben wird, wo er sofort hingerichtet wird. Und das Innenministerium dann in seinem Verfahren zu dem Schluss kommt, er hätte aber Asyl bekommen sollen.“

Karel Schwarzenberg  (Foto: ČTK)
Vizepremier und Außenminister Karel Schwarzenberg sagte dazu im Radio-Prag-Gespräch:

„Da geht es um eine Klärung, dass hier nicht parallele Prozesse ablaufen. Einerseits muss das Recht des Asylanten eindeutig gewahrt werden. Umgekehrt darf es nicht zu überflüssigen Verzögerungen kommen. Heute kann es nämlich vorkommen, dass dieser Prozess ad infinitum verlängert wird. Das wollen wir vermeiden.“

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Außenminister Karel Schwarzenberg
Karel Schwarzenberg ist als Parteichef der konservativen TOP 09, Vizepremier und Außenminister einer der wichtigsten und einflussreichsten Vertreter des Kabinetts Nečas. Radio Prag hat ihn nach der Regierungssitzung vors Mikrofon gebeten:

Herr Minister Schwarzenberg, die Regierung hat heute über die Regierungserklärung beraten, die nun auch dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird. Sind Sie aus der Sicht Ihrer Partei mit dem Programm zufrieden?

Karel Schwarzenberg  (Foto: www.karelschwarzenberg.cz)
„Schauen Sie, jeder Mensch muss Kompromisse machen. Unser Idealprogramm würde anders aussehen. Aber in einer Koalition muss man Kompromisse machen. Politik ist meistens die Kunst der Kompromisses.“

Können Sie uns ein, zwei Punkte verraten, die sie anders gemacht hätten?

„Das werde ich Ihnen nicht sagen. Das haben wir längst intern ausgesprochen. Aber summa summarum sind wir zufrieden.“

Sie sind ja nicht nur Vizepremier und TOP-09-Chef, sondern auch Außenminister. Was sind denn in Sachen Außenpolitik die wichtigsten Punkte im Regierungsprogramm?

Karel Schwarzenberg und sein ungarischer Kollege János Martonyi  (Foto: ČTK)
„Einer der wichtigsten Punkte ist die europäische Politik, das heißt, der neue europäische Außendienst und die Planung der europäischen Außenpolitik. Weiters auch die Frage der Nato-Reform und die Planungen dazu. Da möchten wir eingebunden werden und selbstverständlich gebührend vertreten sein. Sonst werden wir uns wahrscheinlich auch der Wirtschaftspolitik widmen, nachdem ja Gott sei Dank etwas ruhigere Zeiten herrschen. Wir wollen möglichst günstige Bedingungen für unsere Exportwirtschaft schaffen und so weiter. Selbstverständlich zählt auch die Nachbarschaftspolitik zu den Prioritäten. Es war mir schon in meiner ersten Amtszeit als Außenminister wichtig, die besten Beziehungen mit den unmittelbaren Nachbarn zu pflegen. Deswegen habe ich ja meine ersten Besuche auch bei den Nachbarn absolviert, ich habe jetzt alle Nachbarn besucht.“

Karel Schwarzenberg  (Foto: Kristýna Maková)
Ihr letzter Antrittsbesuch hat Sie nach Warschau geführt. Dabei haben Sie auch für eine intensivere diplomatische Zusammenarbeit mit Polen geworben. Was sind da die Einzelheiten?

„Wir haben aus der geografischen Lage heraus und aufgrund gemeinsamer Probleme sehr viele gemeinsame Interessen. Dabei wollen wir das Vorgehen nun harmonisieren. Etwas, was in Europa ja ganz normal und natürlich ist. Etwa in den Benelux-Staaten oder in Skandinavien, wo man enger zusammenarbeitet. In letzter Zeit haben wir festgestellt, dass auch die Mittelmeer-Staaten enger zusammenarbeiten. So wollen wir das auch machen.“

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Jaroslav Zavadil
Heftige Kritik am Regierungsprogramm kommt von den Gewerkschaften. Sie sind vor allem mit den geplanten Änderungen im Arbeitsrecht nicht einverstanden. Dazu der Vorsitzende des Böhmisch-Mährischen Gewerkschaftsverbandes (ČMKOS), Jaroslav Zavadil, am Freitag:

„Das sind die stärksten Eingriffe in die Rechte der Arbeitnehmer seit 20 Jahren.“

Besonders die geplante Streichung oder Senkung der Arbeitslosenunterstützung für Beschäftigte, die von selbst kündigen, und die Ausweitung befristeter Arbeitsverträge stoßen bei den Gewerkschaftern auf Ablehnung. Der Vorsitzende der Metallarbeiter-Gewerkschaft Kovo, Josef Středula, bringt es auf den Punkt:

Josef Středula  (Foto: ČTK)
„Wenn Sie uns fragen, ob wir demonstrieren werden: Ja! Und wenn Sie uns fragen, ob wir streiken werden: Ja!“

Dennoch sei man zu Verhandlungen mit der Regierung bereit, betonen die Gewerkschaftsfunktionäre.

Gesprächsbereit zeigt sich auch Premierminister Petr Nečas, lässt aber keinen Zweifel an der Umsetzung des von der Mitte-Rechts-Koalition beschlossenen Sparkurses:



Jaromír Drábek
„Der Böhmisch-Mährische Gewerkschaftsverband muss sich entscheiden, ob er den Weg der ungarischen oder der griechischen Gewerkschaften beschreiten will und die notwenigen Reformen beeinträchtigt oder blockiert. Wenn es ihm wirklich um die kleine Anzahl jener Arbeitnehmer geht, die er vertritt, dann sollte er unsere Reformen unterstützen.“

Die Tür der Regierung stehe für die Gewerkschafter stets offen, sein Mobiltelefon sei immer eingeschaltet, fügte der Regierungschef hinzu. Und, so hieß es aus dem Regierungsamt, für Nečas ist eine Streichung des Arbeitslosengeldes für jene, die von selbst kündigen, kein Thema. Maximal über eine Senkung könne man verhandeln, ließ Nečas seinem Arbeits- und Sozialminister Jaromír Drábek bestellen.