Topmanager Jahn: „Die tschechische Industrie will den Euro“
Die neue tschechische Regierung von Premier Nečas ist zwar noch nicht vereidigt, doch schon jetzt wartet ein Riesenberg an Aufgaben auf sie. Erst neulich hat der größte Arbeitgeberverband des Landes, der Verband für Industrie und Verkehr, klar gemacht, was die Regierung nach Meinung der Unternehmen zu tun habe, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der tschechischen Wirtschaft zu sichern. Dazu hat der Verband einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. Dazu ein Interview mit dem Vizechef des Verbandes, Martin Jahn.
„Das ist eine sehr schwierige Frage. Aber wenn wir nur drei Punkte hätten, dann würde ich sagen: das Haushaltsbudget. Das heißt, dass wir innerhalb von drei Jahren die Defizite wieder unter drei Prozent des BIP halten, die Unterstützung der technischen Ausbildung und ein flexibler Arbeitsmarkt. Das sind die drei Themen, die ich für sehr wichtig halte.“
Sie haben drei Punkte angesprochen, die auch der Sieben-Punkte Plan der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer beinhaltet, der bereits vor den Wahlen vorlag. Arbeiten Sie mit solchen Organisationen wie der Kammer zusammen und versuchen Sie gemeinsam ihre Vorschläge zu verwirklichen?„Ich kenne die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer sehr gut. Sie vertritt Firmen und Unternehmen in Tschechien, und wir haben eigentlich die gleichen Anforderungen und Bedürfnisse. Es gibt keinen großen Untschied zwischen uns, der deutschen oder der amerikanischen Kammer. Ich glaube, wir sind relativ gut abgestimmt. Die Deutsch-Tschechische Handelskammer hat sieben Punkte, wir haben zehn Punkte. Sie würden aber keine großen Unterschiede finden. Ich glaube, unser Plan ist sehr komplex und berücksichtigt alle wichtigen Aspekte. Wir haben uns wirklich bemüht, alle wichtigen Punkte zusammenzupacken.“
Ich möchte gern drei Punkte herausstellen. Zum einen den vierten Punkt: Sie haben gesagt, dieser Punkt ist ein neuer Pferdefuß, denn die Ausbildung ist jahrelang vernachlässigt worden. Sie bemängeln immer, dass die Ausbildung sehr praxisfern ist und die Industrie dadurch nicht weiterkommt. Hat die Industrie schon jemals versucht dem Schulministerium klar zu sagen, dass es konkrete Unterrichtsfächer anbieten sollte, durch die die Schüler näher an die Praxis herangeführt werden?„Das machen wir bereits. Ich kann zum Beispiel für Škoda Auto sprechen, wo ich immer noch tätig bin. Škoda hat eine eigene Fachschule. Wir unterstützen auch viele Fachschulen in der Region. Die Firmen machen das also schon. Aber jetzt muss die Regierung kommen und sagen, wir werden uns auf die technische Ausbildung konzentrieren - damit diese mehr unterstützt wird und Gelder fließen. Ich bin auch Präsident des Automobilverbandes und der hat drei Projekte mit europäischen Fonds gestartet. Dabei arbeiten wir eng mit Schulen in den Regionen zusammen und sind darauf bedacht, dass die Schulen und unsere Firmen besser zusammenzuarbeiten. Hier passiert schon einiges, aber jetzt brauchen wir wirklich strategische Entscheidungen von der Regierung. Eine technische Ausbildung ist genau das, was Tschechien braucht, weil die Industrie so wichtig ist.“
Punkt sechs: Flexibilität am Arbeitsmarkt. Sie haben gesagt, dass gerade jetzt in den Krisenjahren viele neue Dinge geschaffen werden mussten. Sie haben die Kurzarbeit in Deutschland angesprochen, die da sehr vorteilhaft war. Ist dieser sechste Punkt so gedacht, dass man einen Maßnahmenkatalog in der Hand hat, wenn wieder eine Krise ausbricht? Oder soll das es ein Katalog sein, der allen Firmen die Möglichkeiten einräumt, freier zu entscheiden, je nachdem wie sie aufgestellt sind?„Unser Arbeitsgesetzbuch ist leider sehr alt. Es wurde mehrmals überarbeitet, aber das reicht noch nicht. Wir brauchen ein neues Arbeitsgesetzbuch, das liberaler ist und sowohl in Krisenzeiten als auch in Zeiten, in denen die Wirtschaft boomt, hilfreich ist. Es muss beide Kriterien erfüllen. Die Vorschläge dafür sind auch schon längst beim Arbeitsministerium eingereicht worden. Zur Kurzarbeit: Das ist ein System, das in Deutschland sehr gut funktioniert, und die tschechische Regierung sollte diese Möglichkeit auch in Betracht ziehen. Kurzarbeit muss budgetneutral sein und wir können uns in dieser Zeit nicht erlauben, dass anstatt Kurzarbeit eine hohe Arbeitslosenunterstützung gezahlt wird. Wenn wir uns aber Deutschland anschauen, müssen wir sagen, die Kurzarbeit hat dort sehr gut funktioniert und wir sollten uns das auch überlegen.“
Der nächste Punkt: die Maastricht-Kriterien. Sie schreiben in Ihrem Zehn-Punkte-Plan, bis 2012 soll es Tschechien schaffen, die Staatsschulden auf drei Prozent des BIP zu begrenzen. Mit welchen Schritten kann das Tschechien erreichen?„Es wird schwierig. Dieses Ziel erfordert große Ambitionen, aber wir sind immer noch davon überzeugt, dass es machbar ist. Man muss auch über Steuererhöhungen sprechen. Wir sagen, es ist besser die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Das ist klar. Und man muss auch schauen, was die Regierung macht. Wie teuer sind zum Beispiel unsere Straßen? Was kauft die Regierung überhaupt, brauchen wir das wirklich? Die Regierung muss Prioritäten festlegen. Wir müssen auch das Renten- und Gesundheitssystem reformieren. Es wird nicht einfach, im Gegenteil, aber es ist machbar. Und wie gesagt, die Leute sollten jetzt mehr Verständnis für Reformen haben, als noch vor ein paar Jahren.“
Glauben Sie, dass gerade dieses Verständnis bewirkt, dass jetzt alle gemeinsam anpacken?„Die Regierung wird eine gute Chance bekommen. Wir werden sehen, ob sie diese Chance nutzt oder nicht.“
Der letzte Punkt: die Eurozone und der Euro. Es ist bekannt, dass die tschechische Industrie sehr exportorientiert ist, und der Euro ist schon immer ein heißes Thema gewesen. Jetzt ist aber die Situation entstanden, dass der Euro Probleme hat und die Eurozone kämpfen muss, damit sie sich wieder regeneriert. Die Tschechische Republik ist in dieser Phase ein bisschen außen vor, weil sie immer noch die Krone hat. Zum Glück könnte man sagen. Trotzdem wollen die Unternehmen in die Europäische Währungsunion hinein. Werden Sie die Zeit nutzen, um mit positiven Vorschlägen auf die Eurozone zuzugehen und zu sagen, wir würden gern dabei sein, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden?
„Wir können nur sagen, dass die tschechische Industrie den Euro will und braucht. Wir hoffen, dass der Euro so bald wie möglich in Tschechien eingeführt wird. Die Diskussion in Europa macht alles schwieriger und wir sind nicht die Regierung und können dazu keine Vorschläge machen. Das ist deren Aufgabe. Aber wir machen ganz deutlich, dass wir den Euro brauchen, weil wir vom Export sehr abhängig sind. Das gilt insbesondere in der Euro-Zone und das muss die Regierung in Betracht ziehen. Wie die Euro-Zone funktionieren soll, diese Überlegung überlassen wir den Politikern. Da sind wir keine Experten.“Aber Sie meinen auch, dass sich die Europäische Währungsunion reformieren muss.
„Selbstverständlich. Die aktuelle Situation zeigt uns, dass die Bedingungen nicht optimal sind. Aber trotzdem ist der Euro ein sehr erfolgreiches Projekt, das Europa im weltweiten Wettbewerbskampf stärkt. Wir müssen verstehen, dass wir mit den USA, China und Indien konkurrieren. Der Euro-Raum, also die Europäische Union, ist nun mal eine starke wirtschaftliche Zone und braucht den Euro. Davon bin ich fest überzeugt und die anderen Mitglieder in unserem Verband sind das auch.“