Optimale Kombination: Strenger Chorleiter und dankbare Chorkinder
PDS und DPS sind Abkürzungen, die man oft verwechselt. Kein Wunder, wenn sie doch so ähnlich klingen. In beiden Fällen geht es um einen Kinderchor. Beide Ensembles haben viel gemeinsam - den Dirigenten Čestmír Stašek. Als Nestor des tschechischen Chorgesangs hat er diesen Bereich der tschechischen Kunstszene stark geprägt. Mehr über ihn und seine Tätigkeit erfahren Sie im nun folgenden Kultursalon von ihm selbst, aber auch von ehemaligen Chorkindern.
„Es wäre ein langes Kapitel darüber zu erzählen, bei wie vielen Behörden ich nachgefragt und gebeten habe, ob ich hier oder dort einen Kinderchor gründen darf. Und es ist mir nicht gelungen.“
Dann aber doch. In den Jahren 1945–1948 leitete Stašek seinen ersten Kinderchor im nordböhmischen Most / Brüx. Am 2. März 1949 hat er Kinder, die im Chor singen wollten, in Prag zur ersten Probe eingeladen. Dieser Tag gilt als Gründungsdatum von „Pražský dětský sbor“ / Prager Kinderchor mit der Abkürzung PDS. Seitdem tritt er unter der Leitung seines Gründers auf, der seinen Chorkindern unermüdlich immer nur eines beizubringen versuchte: das Singen lerne man beim Singen. Čestmír Stašek hat jeden einzelnen Auftritt samt allen Eckdaten in ein Notizheftchen eingetragen:„Unser Auftritt Nummer eins war am 11. Mai 1949. Nach dem Vorsingen wurde uns erlaubt, Konzerte zu geben. Von da an ist das Niveau ständig gestiegen. Ich habe kontinuierlich etwas dazu gelernt – bis zum jüngsten Konzert am 11.Juni 2009. Das trägt die Nummer 1780.“1973 wurde Stašek als Chorleiter des bereits bestehenden Kinderchors des Tschechoslowakischen Rundfunks engagiert. Von dem tschechischen Namen Dětský pěvecký sbor Československého rozhlasu wird die Abkürzung DPS abgeleitet. In seinem Lieblingsberuf des Leiters des Rundfunkkinderchors arbeitete Stašek bis 1989. 17 Jahre lang also war er Chorleiter zweier Ensembles: PDS – und DPS. Beide Chöre kamen des Öfteren in einem ihrer Probesäle zusammen, aber auch auf dem Podium bei Konzerten. Niemals als Rivalen. Darauf hat seinen Stašek Worten nach immer geachtet. Im Laufe eines halben Jahrhunderts haben bei ihm mehrere tausend Kinder gesungen.
Wenn man ehemalige Chormitglieder befragt, sagen alle übereinstimmend: Der Herr Professor sei sehr streng gewesen. Lassen wir Libuše, Markéta und Veruna zu Worte kommen:„Er war sehr streng und das war sehr wichtig. Ich denke, es war kaum möglich, uns nur gütig und friedlich zu behandeln. In den besten Zeiten waren wir allein im Hauptchor um die 80 Leute. Viele von uns waren Teenies. Bei Proben haben wir auch viel gequasselt. Die Strenge hat unser Chorleiter wiederum mit originellem Humor kompensiert. Ich bin froh, dass er streng war.“
„Er war in der Tat sehr streng, hat uns viel abverlangt, war aber auch bereit, uns für gute Leistung zu loben. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig.“
„Als Kleinkind musste ich – wie übrigens jeder Neuankömmling im Chor – in der ersten Reihe sitzen, genau dem Choreiter gegenüber. Es reichte nur ein ganz kleiner Fehler oder ein kurzes Umsehen und schon gab es Schelte zu hören. Aber: Es hat gewirkt!“Der Chorleiter bestätigt:
„Ich war sehr anspruchsvoll. Das geht nicht anders. Auf der anderen Seite habe ich aber die Nase nicht hoch getragen. Außerhalb des Proberaums war ich mehr Kamerad als Chef.“
In den Sommerferien hat Stašek Kurse für seine Chorkinder organisiert. Er nennt es Erholungs- und Studienaufenthalte. Es waren nicht weniger als 60 in seiner bisherigen Karriere als Chorleiter:
„Im Juli, im Anschluss an das Schuljahr, fuhr ich für zwei, häufiger für drei Wochen mit dem Rundfunk-Kinderchor in den Urlaub. Und im August, also vor Beginn des neuen Schuljahres, wiederum mit dem Prager Kinderchor. Theoretisch hatte ich eigentlich 60 Jahre lang keinen Urlaub. In Wirklichkeit habe ich den Sommer in der Natur verbracht. Mit den Kindern haben wir auch Sport getrieben und im Wald gespielt. Das Programm für das Sommerlager musste ich im Vorhinein gut vorbereiten. Morgens Turnübungen, anschließend Vokalunterricht und Gesangprobe, nach dem Essen Mittagsruhe und nachmittags Sport und Unterhaltung.“Beide Kinderchöre haben mit ihrem Chorleiter weltweit viel Erfolg geerntet. Den größten Erfolg feierte zum Beispiel der Prager Kinderchor 1993 in den USA beim Wettbewerb in der Interpretation afrikanischer Spirituals. Čestmír Stašek erinnert sich auch an einen Erfolg, den PDS und DPS in Paris ernteten:
„Als der Rundfunk-Kinderchor den Wettbewerb in Nantes in Frankreich gewonnen hatte, meldete ich das nächste Mal beide Chöre an. Ich reiste mit dem Rundfunk-Kinderchor, weil es mein Beruf war. Und meine Frau, die sich auch mit Musik beschäftigt, kam als pädagogische Begleitung des Prager Kinderchors mit. Die beiden Ensembles fuhren 1987 nach Paris. Nach dem Wettbewerbskonzert wurden die Platzierungen der teilnehmenden Chöre ausgerufen. Von hinten aber. Bis zum 3. Platz wurde kein tschechischer Chor genannt. In dem Moment glaubte ich nicht an eine Platzierung unter den ersten zwei Plätzen. Und doch: Der Prager Kinderchor landete auf Platz zwei und der Rundfunkkinderchor auf Platz eins. Jedes Mal gab es zu hören ´Prague Tschechoslovaquie´.“Den Namen von Čestmír Stašek findet man mittlerweile auch im Guiness-Buch der Rekorde. Er steht 52 Jahre lang an der Spitze des Prager Kinderchors. Das scheint für ihn aber bei weitem nicht das Wichtigste zu sein. Auch nicht die vielen Preise, die er gekriegt hat.
Fotos: http://pds.vrchlik.net