Viel proletarischer Lärm und die Maiandacht als Ausgleich
Am 1. Mai kann man um das Thema nicht herum, denn immer wieder werde ich danach gefragt, vor allem von den später Geborenen: Wie war es damals während des Kommunismus mit dem 1. Mai.
Den 1. Mai habe ich sonst in meinen Kindheitserinnerungen als etwas Abstoßendes, was man lieber vergessen hätte. Da wir fast im Stadtzentrum von Prag wohnten, konnte man den Militärmärschen und der fröhlichen Blasmusik nicht entgehen. Überall gab es damals Lautsprecher, die die organisierte Heiterkeit wahrscheinlich auf die ganze Stadt übertragen sollten. Ausschalten ließ sich das nicht, die Orgien der jubelnden Werktätigen wurden noch durch einen Moderator gesteigert, der in regelmäßigen Intervallen in die optimistischen Lieder über die Planerfüllung Losungen skandierte. Der Plattenspieler, den mein Vater einschaltete, war gegen das Getöse von draußen meistens wenig wirksam. Nur der Triumphmarsch aus Verdis Aida war imstande, mit dem Gebrüll aus den Lautsprechern Schritt zu halten. Zum Glück war der organisierte Jubel nach einigen Stunden vorbei. Am Abend gingen wir in die Maiandacht in die St. Rochus-Kirche. Die melodischen Marienlieder aus der Barockzeit empfand ich als einen Ausgleich für den Vormittag und die Marienandacht als ein Geheimnis, das aus keinen Lautsprechern hinausposaunt werden darf.