„Das Auge über Prag“ – Filmdokument über den gescheiterten Neubau der Nationalbibliothek
Am Montag hat die tschechische Nationalbibliothek ihre Pläne zur Sanierung des Klementinums in der Prager Altstadt und den geplanten Ausbau ihres Bücherdepots am Stadtrand vorgestellt. Damit ist der umstrittene Bibliotheksneubau auf der Letná-Höhe wohl endgültig gestorben. Wir haben berichtet. Zufall oder nicht, in derselben Woche hat der Dokumentarfilm „Oko nad Prahou“ – „Das Auge über Prag“ seine Premiere. Er zeichnet die Geschichte des futuristischen Entwurfs und das tragische Schicksal seines Autors Jan Kaplický nach.
Am 3. März 2007 wurde in den historischen Räumen der tschechischen Nationalbibliothek im Prager Klementinum der Sieger des Architektenwettbewerbs für den Neubau der Bibliothek auf der Letná-Höhe bekannt gegeben. Gewonnen hatte den ersten in Tschechien veranstalteten internationalen Architektenwettbewerb das Londoner Atelier „Future Systems“ des aus Tschechien emigrierten Jan Kaplický. Sein futuristischer grün-gold-violetter Entwurf sorgte für Aufsehen. Durch ein großes Fenster an der Spitze des Gebäudes mit der amorphen Form sollten die Bibliotheksbesucher auf die Dächer Prags blicken können. „Auge über Prag“ nannte Kaplický deshalb seinen Entwurf.
Heute, drei Jahre später ist Kaplickýs Projekt so gut wie tot. Zu Fall gebracht haben es Politiker wie Präsident Václav Klaus, der nie mit öffentlicher Kritik gespart und schließlich sogar angekündigt hatte, sich an einen Bagger zu ketten, um den Baubeginn zu verhindern. Politiker, wie der Prager Oberbürgermeister Pavel Bém, der Kaplickýs Bibliothek zunächst als „großartig“, wenig später aber „als arrogant und überheblich“ bezeichnet hatte. Politiker wie der zuständige Bezirksbürgermeister David Vodrážka, für den das „Auge über Prag“ ein „hingespuckter Ausfluss“ ist. Alle diese Stationen des Projektes hat die junge tschechische Dokumentarfilmerin Olga Špátová mit der Kamera begleitet. In ihrem 80-Minuten-Streifen mit dem Titel „Oko nad Prahou“ – „Das Auge über Prag“ kommen Befürworter und Kritiker des Projektes ebenso zu Wort wie Architekt Kaplický und seine engsten Freunde und Mitarbeiter.Auch das tragische Schicksal Kaplickýs, der im Januar des vergangenen Jahres in Prag auf offener Straße tot zusammen gebrochen ist, beleuchtet Špátová in ihrem raffiniert komponierten, spannend montierten Dokumentarfilm. Doch gerade dieser Umstand hat in der Schlussphase der Dreharbeiten zu einem Zerwürfnis mit der Produzentin des Films, Kaplickýs Ehefrau Eliška Kaplický Fuchsová, geführt.
„Wir sind aneinandergeraten, weil ich unsere Privatsphäre schützen wollte. In dem Film wird eine ganze Menge sehr persönlicher Momente gezeigt. Und ich wollte, dass sie privat blieben.“
Dennoch sei sie zufrieden mit dem Ergebnis und hoffe, dass der Film dazu beitragen werde, dass das von ihrem Mann geplante Auge doch eines Tages auf Prag herabblicken wird, so die sichtlich bewegte Frau Kaplický nach der Präsentation des Films. Vielleicht erfüllt sich ja Václav Havels Prophezeiung, der im Film meint, der Entwurf sei da und in zehn, fünfzehn Jahren werde die Bibliothek gebaut. Vielleicht in einer anderen Stadt, vielleicht aber sogar auf der Prager Letná-Höhe.
Olga Špátovás Film „Oko nad Prahou“ hat am Mittwoch seine Premiere im Prager Lucerna-Kino gefeiert. Zu sehen ist er auch auf dem Festival des Europäischen Films, das am Donnerstag in Prag eröffnet wird.