Rinderspacher: Ministerpräsident Seehofer sollte noch in diesem Jahr Prag besuchen
Der noch frische Vorsitzende der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher, ist mit einer Delegation zu Besuch in Prag. Station hat er auch im Sudetendeutschen Büro gemacht. Auf dem Programm stand ebenso ein Gespräch mit dem tschechischen Sozialdemokratenchef Paroubek. Sein Weg dorthin führte Fraktionschef Rinderspacher über die Karlsbrücke, wo Christian Rühmkorf ihn zu den bayerisch-tschechischen Beziehungen befragte.
Herr Rinderspacher, Sie machen Ihren ersten Auslandsbesuch gerade in Tschechien. Sie haben zuvor den bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer scharf kritisiert für eine – sagen wir – nicht vorhandene Tschechienpolitik. Was läuft falsch in den bayerisch-tschechischen Beziehungen Ihrer Ansicht nach?
„Zunächst möchte ich festhalten, dass eigentlich sehr viel sehr gut läuft. Wir haben einen ganz ausgezeichneten Kulturaustausch, auch im Bereich der Wissenschaft gibt es einen intensiven Dialog. Es gibt 3000 bayerische Unternehmen, die in Tschechien investiert haben, allein 370 Betriebe, die hier auch ganz konkret Niederlassungen in Tschechien haben. Es gibt also einen wirklich sehr guten Kontakt. Komischerweise hinkt die Spitzenpolitik hinterher. Der bayerische Ministerpräsident (Horst Seehofer, Anm. d. Red.) hat es verabsäumt in den ersten eineinhalb Jahren seiner Regierungszeit Prag zu besuchen. Er ist in Vancouver, er ist in Peking, aber komischerweise nicht bei unserem wichtigsten Nachbarn in Tschechien. Das ist ein Versäumnis, das er dringend wieder wettmachen muss. Ich fordere ihn auf, Prag noch in diesem Jahr zu besuchen.“Sie waren gerade im Prager Büro der Sudetendeutschen. Sie werden noch mit Sozialdemokratenchef Paroubek zusammentreffen. Welche Botschaften haben Sie sowohl an die Sudetendeutschen als auch an ihre Schwesterpartei in Tschechien?
„Die legitimen Anliegen der Sudetendeutschen sind seit jeher natürlich von besonderer Relevanz in der bayerischen Politik. Das gilt auch im Jahre 2010 noch. Auch wenn die so genannte Erlebnisgeneration sich zunehmend dezimiert, dürfen wir keine Schlussstrich-Debatte führen. Wir müssen uns nach wie vor auch mit der Vergangenheit auseinandersetzen, aber zugleich in die Zukunft denken. Uns ist es ja ein Anliegen die regionalen, kulturellen und wirtschaftlichen Verflechtungen weiter auszubauen. Ich freue mich auf das Gespräch mit Jiří Paroubek. Es ist uns eine besondere Ehre, dass er uns – trotz seines dicht gestaffelten Terminkalenders – empfängt. Wir wünschen uns sehr, dass er der nächste Ministerpräsident der Republik Tschechien sein wird, weil wir davon ausgehen, dass die bayerisch-tschechischen Beziehungen mit ihm sich deutlich verbessern werden. Ich denke zum Beispiel daran, dass er in einer Regierungserklärung 2005 bereits eine Ehrenerklärung abgegeben hat zugunsten der sudetendeutschen Antifaschisten. Er ist derjenige, der das bayerisch-tschechische Verhältnis entkrampfen und normalisieren kann. Und dabei erhält er selbstverständlich die Unterstützung der bayerischen SPD.“Jiří Paroubek lehnt in den Medien den Begriff „Vertreibung“ – vor allem in letzter Zeit, im Wahlkampf – immer wieder ab. Sehen Sie darin ein Problem?„Wir sind nicht in hundertprozentiger Form miteinander konform in allen Bereichen, auch des Sprachgebrauchs. Das liegt aber auch in der Natur der Sache. Wir stellen aber fest, dass von ihm – sollte er gewählt werden – ausdrücklich auch Signale der Versöhnung und der Verständigung ausgehen werden.“