DEB-Funktionär Reindl: Tschechien ist Geheimfavorit für die Eishockey-WM

Foto: Martina Schneibergová

Unter den Sportfans in Tschechien wird derzeit am meisten über Eishockey diskutiert. Zum einen, weil im höchsten nationalen Wettbewerb, der O2-Extraliga, gerade die Play offs laufen. Und zum zweiten, weil auch die Weltmeisterschaft in Deutschland immer näher rückt. Das wurde vor allem spürbar, als zwei Vertreter des Gastgeberlandes erst jüngst in Prag für die WM geworben haben.

In genau einem Monat wird die 74. Eishockey-Weltmeisterschaft der Herren in Deutschland angepfiffen. Sie beginnt mit dem Eröffnungsspiel Deutschland – USA, das am 7. Mai in der Gelsenkirchener Veltins Arena ausgetragen wird. Die Begegnung ist schon ausverkauft. Daher rechnen die WM-Veranstalter, dass bei dieser Partie ein neuer Zuschauer-Weltrekord für ein Eishockeyspiel aufgestellt wird. Doch welche Voraussetzungen sind dafür nötig? Diese Frage beantwortet der Generalsekretär des deutschen Eishockey-Bundes (DEB), Franz Reindl:

„Für einen Eishockeyspieler gibt es eigentlich nichts Schrecklicheres als in einem Fußballstadion zu spielen. Nichtsdestotrotz wollen wir die einzigartigen Möglichkeiten, die es auf Schalke gibt, nutzen: wir werden das Stadiondach schließen, den Rasen unterhalb der Tribüne elektrisch herausfahren und inmitten des Stadions eine Eishockeyfläche errichten. Um diese Eisfläche herum werden wir 18.000 Plätze zusätzlich einbauen, so dass wir insgesamt ein Eisstadion haben werden, das 76.152 Zuschauern Platz bietet.“

Der Besucherrekord beim Eröffnungsspiel nährt bei den WM-Gastgebern zudem die Hoffnung, dass auch die Weltmeisterschaft insgesamt von einer hohen Zuschauerzahl begleitet wird. Dank der modernen und großen Arenen in Köln und Mannheim, wo die anderen 55 Spiele des Turniers stattfinden, sei dieses Ziel durchaus realistisch, meint WM-Mediendirektor Henner Ziegfeld:

„Wir haben ein ganz offenes Ziel, was die Gesamtbesucherzahl betrifft, und das sind 400.000 Zuschauer. Das ist die Schwelle, bei der wir sagen würden: damit sind wir zufrieden, das ist eine sehr gut besuchte WM. Wir stehen im Moment bei 340.000 verkauften Karten. Wir sind also auf einem guten Weg und hoffen, dass wir zum Beginn der WM die Zahl von 400.000 annähernd erreicht haben. Aber wir haben auch ein Traumziel, und das liegt bei zirka 500.000.“

Franz Reindl  (Foto: www.iihf.com)
Im Gegensatz zum Fußball, in dem Deutschland seit Jahrzehnten zur Weltspitze zählt, ist das deutsche Eishockey im internationalen Maßstab nur zweitklassig. Die Erwartungen an die Mannschaft des Gastgebers sind folglich nicht allzu groß. Die Weltmeisterschaft sehen die Veranstalter vielmehr als Chance, dem eigenen Nachwuchs wieder einen neuen Ansporn zu geben, sagt Reindl:

„Wir sind weniger fokussiert auf die deutsche Mannschaft, sondern vielmehr auf Weltklasse-Eishockey in Deutschland. Wir wollen, dass viele Jugendliche die Qualität des Spiels international sehen und deshalb die WM besuchen. Wir wissen natürlich, dass es viele andere Länder gibt, die vor Deutschland platziert sein werden. Von daher konzentrieren wir uns auf das Motto der WM: ´Weltklasse-Eishockey in Deutschland´, denn das ist die Motivation für den Nachwuchs.“

Zu den Ländern, die im Eishockey stärker und höher einzuschätzen sind als Deutschland, gehört auch die Tschechische Republik. Die Weltmeisterschaft haben tschechische Cracks schon elf Mal gewonnen, der letzte WM-Sieg liegt allerdings schon fünf Jahre zurück. Und in den vergangenen drei Jahren ist Tschechien weder bei einer Weltmeisterschaft noch bei Olympia über das Viertelfinale hinausgekommen. Nichtsdestotrotz zählen für Reindl die Tschechen zu den Mitfavoriten des WM-Turniers:

Foto: Martina Schneibergová
„Ich glaube, dass auch die tschechische Mannschaft etwas gut zu machen hat. In Vancouver war Tschechien nämlich nicht so erfolgreich, wie man es gern gehabt hätte. Das Gleiche trifft auch auf die letzten drei Weltmeisterschaften zu. Meiner Meinung nach werden die Tschechen daher nun alles daransetzen, um bei der WM eine gute Mannschaft zu haben. Und sie werden in Deutschland auch einen gewissen Heimvorteil haben. Tschechien ist sehr beliebt in Deutschland. Das hat auch die WM 2001 bewiesen, bei der Tschechien bei uns im Land ja Weltmeister geworden ist. Wegen ihrer zahlreich angereisten Fans hatte die tschechische Mannschaft damals praktisch immer Heimspiele gehabt. Das wird auch diesmal so sein. Ich glaube auch, dass das Potenzial im tschechischen Eishockey nach wie vor vorhanden ist, ja ich bin mir sicher, dass Tschechien einer der Geheimfavoriten sein wird.“

Und wie werden sich die deutschen und tschechischen Spieler bei der WM schlagen? Dazu noch einmal Franz Reindl:

„Ich hoffe natürlich, dass Deutschland sportlich überzeugt und vielleicht sogar bis ins Viertelfinale kommt. Das wäre ein ganz persönlicher Traum von mir, auch wenn ich weiß, dass er sich kaum erfüllen wird. Im Finale erwarte ich zwei Team aus diesem Trio: Kanada, Russland und Tschechien.“


Halbfinale: HC Vítkovice Steel und HC Slavia Prag.  (Foto: ČTK)
Während die Weltmeisterschaft also noch vor uns steht, geht die nationale Eishockeymeisterschaft in Tschechien in großen Schritten auf ihr Finale zu. Gegenwärtig läuft das Halbfinale. Nach den sechs Begegnungen, die bisher ausgetragen wurden, sind zwei Mannschaften dem Einzug ins Finale schon ein gutes Stück näher gekommen: der HC Vítkovice Steel und der HC Eaton Pardubice. Vítkovice liegt im Duell mit Slavia Prag nach vier Spielen mit 3:1 Siegen vorn, Pardubice hat seine beiden Heimspiele gegen die weißen Tiger aus Liberec / Reichenberg gewonnen.

In beiden Paarungen spielen die Torhüter eine wichtige Rolle. Im Kasten der Mannschaft aus dem Ostrauer Stadtteil Vítkovice steht Jungnationaltorwart Jakub Štěpánek. Mit seinen tollen Paraden hat er im Viertelfinale bereits die Angreifer von Sparta Prag schier zur Verzweiflung gebracht. In den Duellen mit Slavia Prag hatte er nur in der dritten Partie ein, zwei schwache Momente; das nutzten die Prager, die das Spiel mit 5:3 gewannen. Im vierten Vergleich am Dienstag aber war es wieder wie gehabt: Štěpánek hielt großartig, während sich der junge Slavia-Keeper Dominik Furch zwei entscheidende Patzer leistete. Das Ergebnis: Vítkovice bezwang Slavia trotz dreimaligen Rückstands mit 4:3. Slavias Co-Trainer Jiří Čelanský fand jedoch noch einen andren Grund für die Niederlage:

„Wir hatten in dem Spiel mindestens noch fünf klare Chancen, haben sie aber leider nicht genutzt. In diesem Punkt ist der Sport einerseits sehr schön, aber andererseits auch grausam. Der Fehler, der zum 3:4 führte, hat das Spiel zu unseren Ungunsten entschieden.“

Auf die Frage, ob ihm sein Gegenüber im Slavia-Tor wegen der ihm unterlaufenen Fehler nicht doch etwas Leid tue, antwortete Štěpánek mit einem süffisanten Lächeln:

Halbfinale: HC Eaton Pardubice und HC Bílí Tygři Liberec.  (Foto: ČTK)
„Hätte ich die zwei Fehler gemacht, dann bezweifle ich, dass die Slavia-Spieler diesem Missgeschick dann eine Träne nachweinen würden. Fehler gehören zum Spiel, sie passieren einfach. Wir haben auch Fehler gemacht, für die wir bestraft wurden. Wir sind froh, dass wir das bessere Ende für uns hatten.“

In der zweiten Halbfinalpaarung hatte der 45-jährige Torwart-Veteran Dominik Hašek entscheidenden Anteil daran, dass Pardubice die beiden ersten Spiele zu Hause mit 2:1 und 4:0 gewann. Sein Kontrahent im Tor von Liberec, Marek Pinc, hielt auch sehr gut, doch den spektakulären Paraden des legendären Hasek konnte er nichts Gleichwertiges entgegensetzen.

„Es gibt nur einen Dominik Hašek. Von seinen Paraden kann ich mir auch nichts abgucken, denn sonst würde ich mir Arme und Beine brechen.“

Ins Finale ziehen die beiden Teams ein, die in der Best-of-Seven-Serie zuerst vier Siege erzielt haben. Vieles spricht dafür, dass dies Pardubice und Vítkovice sein werden.

Autor: Lothar Martin
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