Tschechiens Eishockeycracks trotz Schlingerfahrt auf Halbfinal-Kurs

Jaromír Jágr (Foto: ČTK)

Die Eishockey-Weltmeisterschaft in Deutschland geht in ihre entscheidende Phase. Nach der Vor- und Zwischenrunde sind nur noch acht der 16 Teilnehmerländer im Rennen um die WM-Krone. Zu diesen acht Mannschaften gehört auch das tschechische Team, das nun im Viertelfinale am Donnerstag in Köln gegen Finnland spielt. Der Weg dorthin war allerdings für die Schützlinge von Trainer Vladimír Růžička mit einigen Stolpersteinen gepflastert.

Tschechien - Frankreich: Tschechische Spieler freuen sich nach dem fünften Tor  (Foto: ČTK)
Die tschechische Eishockey-Nationalmannschaft war mit einem 6:2-Sieg über Außenseiter Frankreich in das WM-Turnier gestartet. Ein Pflichtsieg, der allerdings noch keine Aufschlüsse darüber geben konnte, wie stark die mit neun WM-Neulingen besetzte Truppe tatsächlich ist. Das zweite Spiel sollte dann auch zeigen, dass das Team um Kapitän Tomáš Rolinek so manche schwache Seite hat. Zum Beispiel die Abschlussschwäche, die den Tschechen in dieser Partie zum Verhängnis wurde. Gegen den Außenseiter Norwegen verloren sie überraschend mit 2:3, obwohl sie spielerisch überlegen waren und dreimal so häufig auf das gegnerische Tor schossen wie die Wikinger. Außer Jágr aber traf kein anderer Tscheche, während die Skandinavier ihre Chancen umso konsequenter nutzten.

Tschechien - Norwegen: Marek Kvapil und Pal Grotnes  (Foto: ČTK)
Diesen Schock aber mussten Jágr & Co. schnell verdauen. Um nicht schon früh alle Chancen auf das Erreichen des Viertelfinales zu verspielen, war anschließend ein Sieg gegen die starken Schweden notwendig. Und gegen die Tre Kronors spielte die tschechische Mannschaft dann auch wie ausgewechselt. Der verdiente Lohn für eine tolle Leistung: Die Schweden wurden mit 2:1 bezwungen. Herausragender Akteur der Begegnung war Torwart Tomáš Vokoun. Die Komplimente aber gab Vokoun an das Team zurück:

Tschechien - Schweden: Tomáš Rolinek und Victor Hedman  (Foto: ČTK)
„Das war ein sehr intensives Spiel. Alle 20 Spieler unseres Teams haben von der ersten Minute an großen Kampfeswillen gezeigt. Nach dem ersten Drittel hätten wir statt 1:0 durchaus schon 3:0 führen können. Im zweiten Drittel haben wir dann den Ausgleich kassiert, doch auch das hat uns nicht umgehauen. Die Jungs haben weiter geackert, das zweite Tor gemacht und den Vorsprung verteidigt. Von daher sind wir sehr zufrieden.“

Dank des Sieges über Schweden zog die tschechische Vertretung mit drei Punkten in die Zwischenrunde ein. Hier war die Schweiz der erste Gegner. Und ein starker Gegner obendrein. Bei den Schützlingen von Trainer Růžička aber hatte sich das offenbar noch nicht herumgesprochen. Nach einer schwachen Vorstellung im Auftaktdrittel lagen sie mit 0:2 hinten und konnten dieses Manko danach nicht mehr ausbügeln. Tschechien unterlag den Eidgenossen mit 2:3. Die erneute Pleite wollte Stürmer Jakub Klepiš dann auch nicht schönreden:

Tschechien - Schweiz: Tomáš Vokoun,  Petr Gřegořek und Damien Brunner  (Foto: ČTK)
„Die Schweizer waren im ersten Drittel wesentlich präsenter und daher auch schneller am Puck. Als wir begannen wach zu werden, war das Drittel schon zu Ende. Die Schweizer haben genau das gezeigt, was sie können. Hätten wir also nicht so viele Fehler gemacht, dann hätte das Spiel auch anders aussehen können. Aber wenn man eine 5:3-Überzahl nicht nutzt, wird das meist bestraft.“

Mit etwas Wut im Bauch blickte Klepiš dann jedoch bereits nach vorn:

Tschechien - Lettland: Edgars Masalskis und Tomáš Rolinek  (Foto: ČTK)
„Nun gilt nur eine Devise: Wir müssen die beiden noch ausstehenden Spiele gewinnen. Schon nach der ersten Begegnung haben wir gesagt, das nächste Spiel ist immer das schwerste. Jetzt aber gibt es kein Entweder Oder mehr, uns helfen nur noch Siege.“

Diese Siege mussten gegen Lettland und Kanada geholt werden – zwei Mannschaften, gegen die sich die Tschechen zuletzt immer sehr schwer taten. Der Präsident des Tschechischen Eishockeyverbandes (ČSLH), Tomáš Král, aber blieb auch nach dem Schweizer Dämpfer optimistisch:

„Ich denke, dass wir sowohl die Letten als auch die Kanadier bezwingen können. Da bin ich alles andere als pessimistisch. Das WM-Turnier ist sehr interessant, nahezu alle Mannschaften haben zumindest schon einmal verloren. Nicht erfreut wäre ich allerdings, wenn es eine böse Überraschung auf unsere Kosten geben würde.“

Vladimír Růžička  (Foto: ČTK)
Mit seiner Aussage spielte Král auf die vielen unerwarteten Ergebnisse an, die beim Turnier in Deutschland bereits zustande kamen. Da verlor Finnland sein erstes Spiel gegen Dänemark mit 1:4, die US-Amerikaner unterlagen den Deutschen und den Dänen, und die Tschechen patzten gegen die Norweger. Die Partie gegen die Letten aber gingen die Spieler um Mannschaftsführer Rolinek wieder wesentlich engagierter an. Nach 16:2 Torschüssen im ersten Drittel stand es zwar noch 0:0, dann aber sorgte der Kapitän höchst selbst mit zwei Treffern in Unterzahl für die Vorentscheidung. Am Ende gewannen die Tschechen verdient mit 3:1. Auch Trainer Růžička war sichtlich erleichtert:

„Paradoxerweise haben wir das Spiel in zwei Unterzahl-Situationen entschieden. Rolinek ist zweimal entwischt und hat daraus zwei Tore gemacht. Im dritten Drittel haben die Letten noch mal alles gegeben und sind letztlich auch zum Anschlusstor gekommen. Wir aber haben postwendend das 3:1 erzielt und das Ergebnis dann klug gehalten.“

Tschechien - Kanada: Jaromír Jágr und Rich Peverley  (Foto: ČTK)
Nach einer Überraschung, dem 3:2-Sieg von Norwegen gegen die Schweiz, aber stand fest: Tschechien muss auch gegen Kanada punkten, um nicht vorzeitig aus dem Turnier auszuscheiden. Die Ahornblätter, die vor heimischem Publikum in Vancouver Olympiasieger wurden, sind zwar nicht mit ihrer besten Mannschaft angereist, aber trotz allem immer ein sehr unbequemer Gegner. Die tschechische Mannschaft ließ sich jedoch weder von der teils ruppigen Gangart, noch vom frühen Gegentor zum 0:1 einschüchtern. Sie hielt vielmehr hartnäckig und konsequent dagegen und erspielte sich auch gute Chancen. Die erste davon nutzte Lukáš Kašpar zum Ausgleich, und das wieder einmal in Unterzahl. Ein Phänomen, das Co-Trainer Josef Jandač anschließend so kommentierte:

Tschechien - Kanada: Tomáš Vokoun nach dem ersten kanadischen Tor  (Foto: ČTK)
„Wir trainieren das Unterzahlspiel sehr oft. Dass wir daraus jetzt so viele Tore erzielen, ist mehr oder minder Zufall, auch wenn wir Spieler haben, die schnelle Konter fahren können. Wir trainieren in Unterzahl vor allem unsere Defensivarbeit und nicht die Taktik, wie wir dabei zu Toren kommen.“

Im zweiten Drittel nahmen die Tschechen das Heft immer mehr in ihre Hand und konnten durch Tore von Jágr und Klepiš mit 3:1 in Führung gehen. Im dritten Drittel fiel den Kanadiern außer Härte nicht mehr viel ein, so dass die Tschechen nur noch den umstrittenen Gegentreffer zum 3:2-Endstand hinnehmen mussten. Ein völlig verdienter Sieg, sagte Verteidiger Ondřej Němec:

Tschechien - Kanada 3:2  (Foto: ČTK)
„Wir haben im Grunde um Alles oder Nichts gespielt und diese Situation gemeistert. Wir haben uns angefeuert und haben so auch dem Druck und der Aggressivität der Kanadier standgehalten. Dafür sind wir belohnt worden.“

Im Viertelfinale treffen die Tschechen, wie bereits erwähnt, auf die Finnen. In diesem Duell können sie sich zudem für die 0:2-Niederlage revanchieren, die ihnen die „Suomi“ bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver zugefügt haben. Neben Tschechien hat sich übrigens auch Gastgeber Deutschland für das Viertelfinale qualifiziert. Das ist eine weitere Überraschung. Nicht aber für Jan Benda. Zu WM-Beginn erwiderte der ehemalige deutsche Nationalspieler mit tschechischen Wurzeln nämlich auf meine Frage, welche Chancen er den Deutschen und den Tschechen einräume:

Tschechien - Kanada: Zu den Anhängerinnen der tschechischen Nationalmannschaft gehört auch Jaromír Jágrs Freundin Ina Puhajková  (in der Mitte). Foto: ČTK
„Beide Teams können positiv überraschen, da sie lediglich als Außenseiter gehandelt werden.“

Na dann, warten wir also gespannt auf den Donnerstag, wenn die Tschechen auf die Finnen und die Deutschen auf die Schweizer treffen.

Autor: Lothar Martin
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