Koukal zum Olympia-Erfolg: Bronze war für uns wie ein Tornado in Manhattan

Martin Koukal (Foto: Wikipedia)

Die Olympischen Winterspiele in Vancouver sind seit einem Monat schon wieder Geschichte. Beim Saisonhöhepunkt der weltbesten Wintersportler holten tschechische Athleten insgesamt sechs Medaillen. Ganz unerwartet und damit völlig überraschend erkämpften auch vier Skilangläufer eine olympische Plakette: das Quartett gewann Bronze in der 4 x 10 km-Staffel.

Martin Koukal  (Foto: Wikipedia)
„Es ist phantastisch! Es war ein hervorragendes Rennen. Der dritte Platz ist ein großer Erfolg“, jubelte Lukáš Bauer, der tschechische Top-Skilangläufer der Gegenwart, in Whistler kurz nach dem Zieleinlauf des spannenden Rennens in der 4 x 10 km-Staffel der Männer. Er und seine drei Mitstreiter hatten gerade eine olympische Bronzemedaille erobert, die niemand für möglich gehalten hätte. Sie war der verdiente Lohn für eine am Wettkampftag beeindruckende Vorstellung aller vier Athleten, von denen die Leistung des 32-jährigen Bauer freilich noch herausragte. Auf dem zweiten Abschnitt hatte der Mann aus Boží Dar / Gottesgab im Erzgebirge einen 30-sekündigen Rückstand wettgemacht und das tschechische Team vom neunten Platz auf den zweiten Rang nach vorn gebracht. Eine Ausgangsposition, die auch Jiří Magál, der an Position drei ins Rennen ging, sehr gefiel:

„Als Lukáš mit zwei weiteren Läufern vorneweg zur Wechselmarke kam, habe ich nur gedacht: Oh, das wird jetzt ein schnelles Rennen mit dem Schweden und dem Franzosen an der Spitze des Feldes.“

Das war es in der Tat, denn das Trio wollte den gut halbminütigen Vorsprung unbedingt halten, um die Medaillenchance zu wahren. Magál war nach der Papierform der Schwächste innerhalb der Führungsgruppe, weshalb er sich vornehmlich darauf beschränkte, das Tempo nur mitzugehen:

„Während des Laufes fühlte ich mich gut. Deshalb glaubte ich auch fest daran, mit den beiden mithalten zu können. Wegen des hohen Tempos musste ich jedoch unterwegs auch die Zähne zusammenbeißen. Und als die beiden Kontrahenten mich aufforderten, auch einmal die Führungsarbeit zu leisten, habe ich lieber zurückgesteckt. Ich wusste nur zu gut, dass ich vielleicht fünf Minuten lang hätte Tempo machen können, dann aber eingebrochen wäre. Von Trainer Miroslav Petrásek erhielt ich zudem die Order, mich zurückzuhalten, was ich dann auch getan habe.“

Magál, der zuvor als Schwachpunkt der Mannschaft galt, lieferte sein bestes Rennen der Saison. Eine Tatsache, die auch bei Startläufer Martin Jakš die Medaillenträume reifen ließ:

Jiří Magál  (Foto: Wikipedia)
„Als ich sah, was Jiří Magál leistet, indem er den beiden anderen nicht von der Seite weicht, war ich optimistisch. Ich war nämlich überzeugt davon, dass auch Martin Koukal die gute Position auf dem Schlussabschnitt wird halten können.“

Martin Koukal ist ein erfahrener Läufer, der auf der Zielgeraden auch gut sprinten kann. Von Weltmeisterschaften hat er bereits zwei Medaillen mit nach Hause gebracht: 2003 in Val die Fiemme völlig überraschend die goldene über die lange 50-km-Distanz und 2005 die bronzene im Sprint-Doppel.

Vor der letzten 10-km-Schleife waren die Rollen klar verteilt: An der Spitze lag ein Läufertrio mit dem starken Schweden Hellner, dem Franzosen Jonnier und Koukal, gut 30 Sekunden dahinter gingen die Verfolger in die Loipe, angeführt vom norwegischen Topläufer Northug. Vorn hatte Hellner die meiste Kraft und konnte sich vom Tschechen und vom Franzosen absetzen. Koukal musste nach eigener Aussage den Schweden ziehen lassen, weil er dessen Tempo nicht mitgehen konnte. Folglich musste er seine Taktik umstellen, zumal sich von hinten der überragende Northug immer näher an die Führenden heran schob:

„Niemand weiß in dieser Rennsituation besser als ich, wie ich mich fühle. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, nichts zu riskieren. Unser Trainer war derselben Meinung. Von da an habe ich so gedacht: Wenn ich den Franzosen schlage, dann haben wir eine Medaille. Und zwar egal ob uns Northug noch einholt oder nicht, es wird entweder die silberne oder die bronzene sein.“

Und Koukals Rechnung sollte aufgehen. Hinter dem siegreichen Schweden Hellner liefen die anderen drei – der Franzose Jonnier, der Norweger Northug und Koukal – als gemeinsame Verfolger in das Skistadion ein. In die letzte Kurve ist Koukal als Erster eingebogen, und den Zieleinlauf hat er dann so beschrieben:

Martin Jakš  (Foto: olympiada.org)
„In der Kurve vor der Zielgeraden habe ich versucht, den Sprint etwas früher anzutreten als Northug, um schnell auf Touren zu kommen. Ich versuchte mich von ihm zu lösen, doch er war einfach besser.“

Im Zielraum lagen sich die vier tschechischen Läufer jubelnd in den Armen, denn mit dem dritten Platz und damit der Bronzemedaille hatte nun wirklich keiner gerechnet. Am allerwenigsten wohl Startläufer Martin Jakš, der beim WM-Rennen 2009 in Liberec / Reichenberg noch total eingebrochen war, weshalb die tschechische Staffel im vorigen Jahr nur Neunter wurde. Auf die Frage, ob das für ihn eine entsprechende Genugtuung war, antwortete der 23-Jährige:

„Ich denke schon, aber nicht nur für mich, sondern für das gesamte Team, sowohl für die Läufer als auch für die Servicemänner.“

Auch Schlussläufer Koukal verhehlte nicht, dass dieser Erfolg ein ganz besonderer sei:

„Der Erfolg im Team ist einfach schön, weil alle glücklich sind. Er kam für uns wie ein Tornado in Manhattan; wir sind alle stolz und glücklich, sowohl die Läufer als auch die Servicemänner. Er ist wirklich das Ergebnis einer hervorragenden Teamarbeit.“

Bei Olympia hat eine tschechische Männerstaffel erst das zweite Mal eine Medaille gewonnen. Vor 22 Jahren, bei den Spielen in Calgary, war es ebenfalls die bronzene, die das damals noch tschechoslowakische Quartett aus Kanada mit nach Hause brachte. Über den Medaillengewinn hinaus hat der Erfolg von Vancouver aber auch noch etwas ganz anderes bewirkt. Zum Beispiel bei Jiří Magál:

„Ich fühle mich jetzt wieder ausgezeichnet. Mir macht das Skilaufen wieder Spaß, was in den letzten Jahren, als ich keinen großen Erfolg hatte, nicht immer der Fall war. Ich hatte vor allem auf das Training im Sommer schon keinen Bock mehr, weil ich mir immer einredete: Jetzt trainiere ich wie verrückt, doch im Winter laufe ich sowieso nur hinterher. Jetzt aber gehe ich wieder mit einer ganz anderen Motivation in das Training.“

Martin Jakš dagegen stellte klar, dass das Training auf die neue Saison noch in weiter Ferne liegt. Jetzt aber wolle man den Bronzegewinn von Vancouver erst einmal gebührend feiern. Wegen der vielen weiteren Verpflichtungen von Topass Lukáš Bauer habe man dafür bisher noch gar keine Zeit gehabt, so der Team-Youngster:

„Es war wirklich so: Nach der Siegerehrung hatten wir in Vancouver nur Zeit für ein Bier. Wir haben es genossen, sind aber dann nach Hause oder zu anderen Wettkämpfen gereist. Ich denke aber, dass wir die Feier jetzt noch nachholen werden. Wir werden uns treffen, angeregt unterhalten und einen auf den Erfolg trinken.“

Autor: Lothar Martin
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