Generalstreik in Griechenland, homosexuellenfeindlicher Gewerkschafts-Boss, umstrittene Grenzkontrollen
Stimmen zum Generalstreik in Griechenland, Empörung über schwulenfeindliche Äußerungen vom Vorsitzenden der Eisenbahner-Gewerkschaft und neue Entwicklung in Sachen Polizeikontrollen an der deutsch-tschechischen Grenze. Das sind die Themen des Medienspiegels.
Christian Rühmkorf: Fangen wir ausnahmsweise mit einem Thema aus dem Ausland an, Griechenland nämlich.
Katrin Materna: Ja, nach Griechenland schaut momentan wohl ganz Europa. Tschechien ist da keine Ausnahme. Keine Zeitung, die sich diese Woche nicht mit dem Generalstreik in dem stark verschuldeten Land beschäftigt. Von A bis Z, vom Airport bis zur Zeitungsredaktion, alles steht still.
Christian Rühmkorf: Was halten denn die tschechischen Kommentatoren von der flächendeckenden Arbeitsniederlegung der Griechen?
Katrin Materna: Martin Moravec schreibt in der Tageszeitung Mladá Fronta Dnes:
“Griechenland proklamiert öffentlich recht bereitwillig, dass es seine Schulden begleichen will. Die Bevölkerung und die Regierung tun aber bislang alles, um nicht sparen zu müssen.“
In der Zeitung Lidové noviny meldet sich Marek Hudema zu Wort.
„Die Griechen sollen sparen und wenn sie dennoch Pleite gehen, dann geschieht es ihnen nur recht. Das Problem: So ein Bankrott würde dem Euro einen weiteren Schlag versetzen. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Griechen einfach fix aus der Eurozone rauszukatapultieren. Das wäre jedoch kompliziert und teuer. Aber immer noch besser als das, was nun folgen wird.“Christian Rühmkorf: Und das wäre?
Katrin Materna: Nachdem Bundeskanzlerin Merkel Griechenland finanzielle Hilfen verwehrt hat, wird der Euro-Kurs erschüttert, glaubt der Autor. Letztlich, so Hudema, wird Europa zu dem Schluss gelangen, dass eine gemeinsame Währung in derart verschiedenen Ländern, die keine einheitliche Haushaltspolitik haben, keine gute Idee war.
Christian Rühmkorf: Sie hören weiterhin Radio Prag, die Auslandssendungen des Tschechischen Rundfunks mit dem aktuellen Medienspiegel von dieser Woche. Katrin Materna ist dazu im Studio. Katrin, kommen wir nun zu einem innertschechischen Thema. Der Chef der Eisenbahner-Gewerkschaft Jaromír Dušek hat für viel Wirbel gesorgt diese Woche.
Katrin Materna: Grund war eine Äußerung, die - vereinfacht gesagt - lautete: Die Leitung der Tschechische Bahnen werde von Homosexuellen beherrscht und Ähnliches gelte auch für das Verkehrsministerium.Christian Rühmkorf: Der tschechische Verkehrsminister und der Chef der tschechischen Bahngesellschaft sollen an der Spitze eines „organisierten Netzwerkes von Homosexuellen“ stehen. Dem gehören angeblich an die 50 Mitarbeiter an. Jaromír Dušek hat gegenüber Medienvertretern geäußert, er habe Angst, sich auf den Fluren zu bücken, wenn ihm ein Stift runterfällt.
Katrin Materna: Bohumil Doležal, Kommentator der Zeitung Lidové noviny fragt sich, was in Dušeks Kopf vorgehen mag. Auf alle Fälle sei aus dem Gesagten ersichtlich, dass Dušek „ein gefährlicher Mensch sei“. Dessen Anschuldigungen bezeichnet Doležal wörtlich als „unglaubliche Frechheit“.
„Herr Dušek behauptet, dass es ihm nur darum ging offen zu legen, dass die Jobs im Verkehrsministerium nicht nach fachlichen Kriterien vergeben werden, sondern abhängig von der sexuellen Orientierung. Doch das war das übliche Argument aller Antisemiten.“
Christian Rühmkorf: Da greift Doležal aber tief in die Geschichtskiste.
Katrin Materna: Jan Brabec schildert in der Wochenzeitung Respekt, dass er peinlich berührt war, als er die Sätze von Jaromir Dušek vernommen hat. Er habe gezeigt, dass er ein „obszöner und armseliger Hinterwäldler“ sei. „Und das lässt sich nicht so leicht erklären“, so der Autor, „auch nicht damit, dass man wie Jaromir Dušek sagt, den angeblich homosexuellen Chef der tschechischen Bahn nie in Begleitung von jungen Mädchen beim Ski-Laufen gesehen zu haben.“
Ähnlich scharf gehen weitere Kommentatoren mit dem Gewerkschafter ins Gericht. Martin Moravec zum Beispiel:
„Dušeks Worte waren eher dumm als homosexuellenfeindlich. Nur ein Satz war wirklich homosexuellenfeindlich: dass er Angst hat, sich auf dem Flur nach Stiften zu bücken. Aber das verdient wohl nur folgenden Kommentar: An Selbstbewusstsein mangelt es Ihnen wohl nicht, Herr Dušek!“
Lediglich Jan Keller von der Tageszeitung Právo nimmt Dušek in Schutz und weist darauf hin, dass man das eigentliche Ziel seiner Äußerungen nicht aus den Augen verlieren sollte: die Einstellungskriterien also.
Christian Rühmkorf: Ein Kommentar also, der versucht, die Angelegenheit wieder auf die Sachebene zu bringen. Kommen wir zum Schluss noch zu einem Thema, mit dem wir uns bereits beschäftigt haben, den Schleierfahndungen der deutschen und österreichischen Polizei an den Grenzen zu Tschechien. Tschechische Autofahrer beschweren sich über diese Kontrollen, das Stichwort „Schikane“ ist in diesem Zusammenhang mehrfach gefallen. Das bayerische Innenministerium hat nun verkündet, es werde an den stichprobenartigen Kontrollen nichts ändern.
Katrin Materna: Die tschechischen Zeitungen berichten heute allesamt darüber. Eine interessante Sicht auf die Kontrollen stammt von Luboš Palata, erschienen in der Zeitung Lidové noviny. Da steht:
„30 Kilometer rund um die tschechisch-deutsche, tschechisch-österreichische aber auch polnisch-deutsche oder slowakisch-österreichische Grenze existiert nach wie vor der Eiserne Vorhang.“
Palata fordert die Leser auf darüber nachzudenken, warum das so ist:
„Halten die Deutschen und die Österreicher unsere Polizei für korrumpiert und inkompetent? Halten Sie unseren Staat für unfähig, Verbrechen zu bekämpfen? Ist diese Sicht nicht auch ein bisschen nachvollziehbar?“
Palata fordert die Tschechen auf, in das Grenzgebiet zu fahren, sich dort genau umzuschauen und über die Unterschiede nachzudenken, bevor sie die Österreicher und Deutschen wegen der Kontrollen verfluchen.
Christian Rühmkorf: Und damit schließen wir den Medienspiegel für heute.